Zusatz-Weiterbildung Flugmedizin: Dauer, Inhalte, Voraussetzungen

24 Mai, 2023 - 07:59
Stefanie Hanke
Flugzeug am blauen Himmel

Ärztinnen und Ärzte mit der Zusatz-Bezeichnung Flugmedizin betreuen Menschen, die in der Luft- und Raumfahrt tätig sind. Wie die Zusatz-Weiterbildung abläuft und welche Voraussetzungen es gibt, erfahren Sie im Beitrag.

Auf einen Blick: Zusatz-Weiterbildung Flugmedizin

  • Definition: Die Flugmedizin umfasst die Luft- und Raumfahrtmedizin. Im Mittelpunkt stehen dabei die medizinischen Besonderheiten eines Aufenthalts im Luft- oder Weltraum sowie das Wohlbefinden von Flugzeugbesatzungen, Passagieren, Patienten im Lufttransport, Fluglotsen und Astronauten.
  • Voraussetzungen: Facharztanerkennung in einem Gebiet der unmittelbaren Patientenversorgung
  • Dauer: 6 Monate Weiter­bil­dung bei einem Weiter­bil­der für Flugmedizin und 180 Stunden Kurs-Weiterbildung
  • Anzahl der Ärzte: In Deutschland sind 680 Ärztinnen und Ärzte mit der Zusatzbezeichnung "Flugmedizin" bei den Kammern registriert (2022).

Zwei Arme, zwei Beine, aber keine Flügel: Die Evolution hat uns Menschen für ein Leben am Boden ausgestattet – vom Fliegen konnten wir jahrtausendelang nur träumen. Doch die technische Entwicklung macht es möglich, dass Menschen ihr gewohntes Terrain hinter sich lassen und in die Luft und sogar in den Weltraum aufbrechen können – also an Orte, an denen wir ohne besondere Ausrüstung keine Überlebenschance hätten. Was bedeutet das für den menschlichen Körper? Damit beschäftigen sich Flugmediziner und Flugmedizinerinnen.

Wer sich auf dieses medizinische Gebiet spezialisiert, arbeitet häufig als eine Art Arbeitsmediziner für Menschen, die in der Luft- und Raumfahrt tätig sind. Das sind neben Pilotinnen und Piloten, Flugbegleiterinnen und Flugbegleitern, Astronautinnen und Astronauten auch diejenigen, die im Tower für die Sicherheit des Flugverkehrs sorgen. So arbeiten viele Ärztinnen und Ärzte mit der Zusatz-Bezeichnung "Flugmedizin" als Sachverständige in flugmedizinischen Untersuchungsstellen, wo sie die für die oben genannten Berufsgruppen regelmäßig vorgeschriebenen Untersuchungen durchführen.

Regelmäßige Gesundheitschecks für Pilotinnen und Piloten

Denn: Wer ein Flugzeug fliegt, trägt dabei auch eine hohe Verantwortung für viele Menschenleben. Deshalb werden besonders Pilotinnen und Piloten regelmäßig ärztlich untersucht: Verkehrspiloten und -pilotinnen müssen sich schon vor Beginn der Ausbildung einer umfangreichen flugmedizinischen Untersuchung unterziehen. Dazu gehört auch eine augenärztliche Untersuchung. In jungen Jahren müssen sie sich einmal im Jahr, nach dem 40. Geburtstag halbjährlich durchchecken lassen.

Die medizinischen Tauglichkeitszeugnisse, die für die Fluglizenz wichtig sind, werden als "Medical Certificates", kurz "Medicals" bezeichnet. Bei gesundheitlichen Problemen entscheiden die Ärztinnen und Ärzte für Flugmedizin, ob jemand zurück ins Cockpit darf. So sind beispielsweise Herzerkrankungen in mehr als 40 Prozent der Fälle für eine Fluguntauglichkeit verantwortlich. Aber auch Privatpiloten, egal ob im Segelflugzeug, im Ballon oder in einer einmotorigen Cessna, müssen sich regelmäßig medizinisch untersuchen lassen.

Erfahrungen im Cockpit gehören dazu

Übrigens: In Deutschland müssen Fliegerärztinnen und -ärzte zumindest in einigen Kammerbezirken auch selbst einen Flugschein haben und Erfahrung im Cockpit nachweisen. Diese Regelung soll sicherstellen, dass die Medizinerinnen und Mediziner die Arbeitsbedingungen im Flugzeug richtig einschätzen können.

Doch auch Passagierinnen und Passagiere fallen in den Bereich der Flugmedizin. So gehören auch Themen wie Flugphysiologie, Gefahren durch Lärm oder Schadstoffe, Jetlag und Thrombosen, Flugangst und Flugrettung zu ihrem Aufgabenspektrum.

Ein Teil der Ärztinnen und Ärzte mit der Zusatzbezeichnung "Flugmedizin" arbeitet auch beispielsweise bei Arbeitgebern wie der Europäischen Weltraumorganisation ESA. Sie untersuchen unter anderem, welchen Einfluss die Schwerelosigkeit, die Strahlung oder die Zusammensetzung der Atmosphäre im Weltraum auf den menschlichen Körper haben. Neben der konkreten Betreuung von Astronautinnen und Astronauten spielt hier auch die Forschung eine große Rolle.
 


Flugmediziner werden: Die Zusatz-Weiterbildung im Überblick

Dauer der Weiterbildung

  • 6 Monate Weiter­bil­dung bei einem Weiter­bil­der für Flugmedizin

  • 180 Stunden Kurs-Weiterbildung gemäß § 4 Abs. 8 in Flugmedizin

Inhalte der Weiterbildung

Übergreifende Inhalte der Zusatz-Weiterbildung Flugmedizin

  • Luftrecht und andere für die Luft- und Raumfahrtmedizin relevante nationale und internationale Rechtsvorschriften
  • Medizinische Anforderungen an fliegendes Personal und Fluglotsen
  • Grenzen und Möglichkeiten der Verbesserung des menschlichen Leistungsvermögens

Luft- und Raumfahrtphysiologie

  • Untersuchungstechniken einschließlich deren Anpassung an die Umgebungsbedingungen
  • Besondere Aspekte der Höhenphysiologie, z. B. Hypoxie
  • Mitwirkung an einer Sauerstoffmangeldemonstration
  • Weltraumphysiologie
  • Beschleunigungsphysiologie
  • Besondere Aspekte der Sinnesphysiologie, z. B. Sinnestäuschungen
  • Mitwirkung an einer Desorientierungsdemonstration oder Desorientierungssimulation
  • Besondere Aspekte der Leistungsphysiologie
  • Besondere Aspekte der Thermophysiologie/Strahlung

Flugpsychologie

  • Prinzipien der Informationsverarbeitung und Kommunikation
  • Induktion, Strategien zur Reduzierung menschlicher Fehler und ihrer Auswirkungen (human factors)
  • Ursachen und Therapieoptionen der Flugangst
  • Grundlagen des Crew Ressource Managements (CRM)
  • Gesprächsführung in Krisensituationen, z. B. Critical Incidence Stress Management (CISM)

Flugmedizinische Untersuchung

  • Beurteilung der Leistungsfähigkeit und der fliegerischen Eignung sowie Fliegertauglichkeit gemäß nationaler und internationaler rechtlicher Voraussetzungen zur Durchführung von flugmedizinischen Untersuchungen unter Berücksichtigung von Vorerkrankungen und Risikofaktoren, auch in interdisziplinärer Zusammenarbeit (Richtzahl: 30)
  • Flugmedizinisch relevante Wirkungen und Nebenwirkungen häufig verordneter Medikamente
  • Einfluss von Alkohol, Drogen und sonstigen psychoaktiven Stoffen
  • Indikationsstellung zur weiterführenden Behandlung bei Sucht und Abhängigkeit

Tropen- und reisemedizinische Aspekte der Flugmedizin

  • Tropen- und reisemedizinische Besonderheiten für Flugpersonal und Passagiere, insbesondere hinsichtlich der Flieger- und Flugreisetauglichkeit
  • Flugmedizinische Beratung von Fernreisenden einschließlich des Flugpersonals über Malariaprophylaxe, Einreisebestimmungen, Hygiene- und Prophylaxemaßnahmen und Medikamentenanpassung bei Zeitverschiebung
  • Maßnahmen bei Pandemien, z. B. Desinfektion im Luftfahrzeug
  • Beurteilung der Flug- und Reisetauglichkeit, insbesondere bei Vorerkrankungen und nach Operationen
  • Umgang mit FREMEC- und MEDA-Formularen der IATA für kranke und behinderte Passagiere

Medizinische Zwischenfälle an Bord

  • Medizinische Versorgungsmöglichkeiten an Bord von Luftfahrzeugen
  • Medizinische Bordausrüstung
  • Erste-Hilfe-Maßnahmen mit Bordmitteln unter Berücksichtigung der Besonderheiten an Bord

Lufttransport Verletzter und Kranker

  • Grundlagen des Lufttransports Verwundeter und Kranker im zivilen und militärischen Bereich
  • Interdisziplinäre Zusammenarbeit bei der Planung, Organisation und Dokumentation von Lufttransporten

Arbeitsmedizinische Aspekte der Flugmedizin

  • Technische, ergonomische und arbeitsphysiologische Grundlagen an verschiedenen Arbeitsplätzen, z. B. Cockpit, Kabine, Flugsicherung
  • Arbeitsplatz-Begehung von Fluglotsen (Richtzahl: 5)
  • Besondere Belastungen des fliegenden Personals, z. B. bei Zeitverschiebung, Lärm, Vibration
  • Erfahrung in großen Verkehrsflugzeugen, auch über mehrere Zeitzonen
  • Erfahrung in Luftfahrzeugen, spezifisch leichter oder schwerer als Luft, mit oder ohne Kraftantrieb

Flugunfallmedizin, Flugunfalluntersuchung

  • Risiken von und Maßnahmen bei Flugunfällen
  • Toxische Risiken, z. B. Verbundstoffe, Flugbetriebsstoffe, CO, Cyan, Hydracin
  • Brandbekämpfung und Explosionsgefahr
  • Grundlagen der Flugunfallbearbeitung, Zusammenarbeit mit Polizei, Staatsanwaltschaft und Bundesstelle für Flugunfalluntersuchungen

Quellen: Musterweiterbildungsordnung 2018 der Bundesärztekammer, Ärztestatistik der Bundesärztekammer 2022, Deutsche Gesellschaft für Luft- und Raumfahrtmedizin, Deutscher Fliegerarztverband e.V.

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