Zusatz-Weiterbildung Hämostaseologie: Dauer, Inhalte, Voraussetzungen

10 Mai, 2024 - 09:07
Stefanie Hanke
Junge Ärztin im Labor bei Blutuntersuchung

Blut muss gerinnen können – sonst werden auch kleine Verletzungen schnell zu einem Problem. Allerdings kann auch eine starke Blutgerinnung gefährlich werden. Mit beidem beschäftigt sich die Hämostaseologie. Wie die Zusatz-Weiterbildung abläuft und wie lange sie dauert, erfahren Sie im Beitrag.

Auf einen Blick: Zusatz-Weiterbildung Hämostaseologie

  • Definition: Die Hämostaseologie beschäftigt sich mit angeborenen oder erworbenen Störungen der Blutgerinnung. Dazu zählen beispielsweise Thrombosen oder Hämophilie.
  • Voraussetzungen: Facharztanerkennung in einem Gebiet der unmittelbaren Patientenversorgung oder in Laboratoriumsmedizin
  • Dauer: 12 Monate
  • Anzahl der Ärzte: In Deutschland sind 611 Ärztinnen und Ärzte mit der Zusatzbezeichnung „Hämostaseologie" bei den Kammern registriert. Davon sind 543 berufstätig. 205 arbeiten ambulant in einer Praxis, 290 sind stationär in einer Klinik tätig.

Der Begriff „Hämostaseologie" wurde 1953 erstmals von dem Münchner Hämatologen Rudolf Marx verwendet. Er bezeichnete damit die Lehre vom „Stehen- und Steckenbleiben des Blutes". Konkret bedeutet das: Die Hämostaseologie befasst sich mit Störungen der Blutgerinnung und Krankheiten, die daraus entstehen.

Krankheitsbilder, mit denen sich Fachärztinnen und Fachärzte mit dieser Zusatz-Bezeichnung beschäftigen, sind beispielsweise:

  • Venöse Thrombosen und Embolien
  • Arterielle Thrombosen, Infarkte, Schlaganfälle
  • Hämophilie A und B (Betroffene und Überträgerinnen)
  • Von Willebrand-Erkrankung

  • seltene Gerinnungsstörungen

Thrombosen entstehen meist aus einem Zusammenspiel aus angeborenen Risiken und Faktoren, die auf den Lebensstil zurückzuführen sind. Bei venösen Thrombosen spielen beispielsweise Rauchen, Übergewicht und bestimmte Hormonpräparate eine Rolle. Arterielle Thrombosen entstehen eher bei Bluthochdruck oder Diabetes. Speziell bei jungen Menschen und einer familiären Vorbelastung kann es sinnvoll sein, die hämostaseologischen Parameter zu untersuchen.

Hämophilie ist eine angeborene, schwere Blutungsneigung. Weltweit sind nach Angaben der WHO etwa 400.000 Menschen davon betroffen, in Deutschland sind es etwa 10.000. Unterschieden wird zwischen verschiedenen Formen, die häufigsten sind Hämophilie A und B. In beiden Fällen fehlt ein bestimmtes Protein im Blut, das es gerinnen lässt. Betroffen sind hauptsächlich Männer – Frauen können die Erkrankung über das X-Chromosom an ihre Söhne übertragen, erkranken aber nur sehr selten selbst. Die Hämostaseologie ist dabei sowohl für die betroffenen Männer als auch für (mögliche) Überträgerinnen zuständig. Spätestens vor der ersten Schwangerschaft sollte das Risiko abgeklärt werden.

Eine hämostaseologische Analyse kann ebenso bei Frauen mit unerfülltem Kinderwunsch sinnvoll sein, die eventuell schon mehrere ungeklärte Fehlgeburten hatten. Hier kann auch eine bisher unentdeckte Blutgerinnungsstörung die Ursache sein. Das kann beispielsweise dazu führen, dass sich der Embryo nicht in der Gebährmutterschleimhaut einnisten kann oder dass der Mutterkuchen sich nicht richtig entwickelt. Außerdem kann bei einer Hormonbeandlung im Zusammenhang mit dem Kinderwunsch oder der Schwangerschaft das Thromboserisiko erhöht sein.

Die Hämostaseologie ist eng mit der Inneren Medizin und Hämatologie / Onkologie verbunden, aber auch mit der Transfusions- und Laboratoriumsmedizin. Fachärztinnen und Fachärzte, die sich auf Hämostaseologie spezialisieren, arbeiten dabei häufig in Laboren und beschäftigen sich mit der Gerinnungsdiagnostik. Dazu zählen unter anderem:

  • Hämostaseologische Basisdiagnostik

  • Präoperative Gerinnungsdiagnostik

  • Thrombophile Risikofaktoren

  • Familiäre Thromboseneigung

  • Gerinnungseinzelfaktoren

  • Unklare Blutungsneigung

  • Von Willebrand-Diagnostik

  • Thrombozytenfunktionsstörungen

  • Kontrolle der Wirksamkeit von Thrombozytenhemmern

Neben dem Labor können Fachärztinnen und Fachärzte auch in speziellen Ambulanzen oder niedergelassen in einer Praxis arbeiten. Dort beraten und betreuen sie Betroffene und ihre Angehörigen zu speziellen hämostateologischen Fragestellungen.
 


Hämostaseologe werden: Die Zusatz-Weiterbildung im Überblick

Dauer der Weiterbildung

12 Monate Hämostaseologie unter Befugnis an Weiterbildungsstätten

Inhalte der Weiterbildung

Übergreifende Inhalte der Zusatz-Weiterbildung Hämostaseologie

  • Wesentliche Gesetze und Richtlinien, insbesondere Transfusionsgesetz und Gendiagnostikgesetz, Richtlinien der Bundesärztekammer zur Qualitätssicherung laboratoriumsmedizinischer Untersuchungen
  • Hämostaseologische Labormethoden
  • Pharmakologie hämostaseologisch wirksamer Medikamente
  • Interdisziplinäre Zusammenarbeit in der Indikationsstellung und Verlaufsbeurteilung hämostaseologisch wirksamer Therapien

Hämorrhagische Diathesen

  • Angeborene und erworbene plasmatische Gerinnungsstörungen, insbesondere
    • Hämophilie A und B
    • von-Willebrand-Syndrom
    • thrombozytäre Erkrankungen
    • seltene Störungen der Hämostase
  • Klinische Differentialdiagnostik einschließlich Befundinterpretation von Labordiagnostik bei unklarer Blutungsneigung (Richtzahl: 100)
  • Prophylaktische und therapeutische Substitutionsbehandlung einschließlich der Verlaufsbeurteilung
  • Diagnostik und konservative Therapie der Hämophilie-Arthropathie
  • Fachgebundene genetische Beratungen vor und nach prädiktiver Gendiagnostik hämorrhagischer Diathesen (Richtzahl: 20)

Thrombose und Thrombophilie

  • Arterielle und venöse Thrombosen und Embolien
  • Angeborene und erworbene Thrombophilie
  • Heparin-induzierte Thrombozytopenie
  • Klinische Differentialdiagnostik einschließlich der Befundinterpretation von Labordiagnostik bei unklarer Thromboseneigung (Richtzahl: 100)
  • Indikationsstellung zu antithrombotischen und thrombolytischen Medikamenten sowie Überwachung der Therapie
  • Fachgebundene genetische Beratungen vor und nach prädiktiver Gendiagnostik bei Thrombophilie (Richtzahl: 20)

Thrombohämorrhagische Erkrankungen

  • Thrombotische Mikroangiopathien
  • Disseminierte intravasale Gerinnung

Therapie mit Blutprodukten

  • Plasmatische und rekombinante Blutgerinnungsfaktoren-Konzentrate einschließlich Bypass-Produkte
  • Gefrorenes Frischplasma
  • Thrombozytenkonzentrate
  • Indikationsstellung und klinische Beurteilung der Wirksamkeit der Therapie mit Blutprodukten einschließlich der Überwachung
  • Verlaufsbeurteilung der langfristigen Heimselbsttherapie bei Hämophilie A und B
  • Erstellung von Substitutionsplänen zum periprozeduralen Management bei Patienten mit Hämophilie und von-Willebrand-Syndrom (Richtzahl: 20)

Hämostaseologische Notfälle und periprozedurales Management

  • Periprozeduraler Einsatz von Antikoagulanzien und antithrombozytären Substanzen
  • Intoxikation oder Überdosierung von antithrombotischen Substanzen
  • Therapieoptionen bei massiven oder rezidivierenden perioperativen Blutungen
  • Einsatz von Antidoten
  • Konsiliarärztliche Beratung und Mitbetreuung des periprozeduralen Managements bei Patienten unter Therapie mit antithrombozytären Substanzen und/oder bei massiven Blutungen (Richtzahl: 20)

Fachgebundene genetische Beratung

  • Grundlagen hereditärer und multifaktorieller Krankheitsbilder und Entwicklungsstörungen
  • Interpretation und Aussagekraft genetischer Untersuchungsergebnisse (Sensitivität, Spezifität, prädiktiver Wert)
  • Methodische, psychosoziale und ethische Aspekte der genetischen Beratung und Diagnostik einschließlich pharmakogenetischer Tests
  • Erkennung fachbezogener genetisch bedingter Krankheitsbilder oder Entwicklungsstörungen
  • Fachgebundene genetische Beratung bei diagnostischer und prädiktiver genetischer Untersuchung

Quellen: Musterweiterbildungsordnung 2018 der Bundesärztekammer, Ärztestatistik der Bundesärztekammer 2023, Gesellschaft für Thrombose- und Hämostaseforschung e.V. (GTH)

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