Für Ärztinnen und Ärzte, die in einer Notaufnahme arbeiten, ist der Arbeitsalltag nur schwer planbar: Jederzeit kann ein Notfall durch die Tür kommen und die ganze Aufmerksamkeit in Anspruch nehmen. Um sich für diese anspruchsvolle Aufgabe zu qualifizieren, gibt es die Zusatz-Bezeichnung Klinische Akut- und Notfallmedizin. Wie die Zusatz-Weiterbildung abläuft und welche Voraussetzungen es dafür gibt, erfahren Sie im Beitrag.
Auf einen Blick: Zusatz-Weiterbildung Klinische Akut- und Notfallmedizin
- Definition: Ärztinnen und Ärzte mit der Zusatz-Bezeichnung „Klinische Akut- und Notfallmedizin" kümmern sich um die Erstdiagnostik und Initialtherapie von Notfall- und Akutpatienten im Krankenhaus – in der Regel in einer Notaufnahme. Außerdem planen sie die weiterführende Behandlung.
- Voraussetzungen: Facharztanerkennung in einem Gebiet der unmittelbaren Patientenversorgung
- Dauer: 6 Monate Intensivmedizin (können auch während der Facharztweiterbildung abgeleistet werden), 80 Stunden Kurs-Weiterbildung und 24 Monate Klinische Akut- und Notfallmedizin in einer interdisziplinären Notfallaufnahme
- Anzahl: In Deutschland sind 2.008 Ärztinnen und Ärzte mit der Zusatzbezeichnung „Klinische Akut- und Notfallmedizin“ bei den Kammern registriert. Davon sind 1.977 berufstätig.
Anders als bei Ärztinnen und Ärzten mit der Zusatz-Bezeichnung „Notfallmedizin" geht es bei der „Klinischen Akut- und Notfallmedizin" nicht primär um den präklinischen Einsatz in der Rettungsmedizin. Wer sich für diese Zusatz-Qualifikation entscheidet, betreut Notfall-Patientinnen und -Patienten innerhalb einer Klinik.
Nur wenig Routine
Weil die Arbeit in einer Notaufnahme von der Art der eingehenden Notfälle bestimmt wird, gibt es hier kaum Routine. Bleiben Patientinnen und Patienten länger im Krankenhaus, werden sie auf der Intensiv- oder einer Normalstation untergebracht.
Behandelt werden dabei Menschen beispielsweise mit Herzinfarkten oder Schlaganfällen, nach Unfällen oder bei Infektionskrankheiten. Die Zusatz-Weiterbildung bereitet Ärztinnen und Ärzte aber auch auf einen möglichen Einsatz vor, bei dem viele Menschen gleichzeitig behandelt werden müssen – beispielsweise bei einer Naturkatastrophe, einer Pandemie oder einem Terroranschlag. Dazu gehört auch die Triage – also das Priorisieren von Behandlungen.
Die Abläufe in der Notaufnahme
Patientinnen und Patienten, die in die Notaufnahme kommen, durchlaufen zunächst eine Ersteinschätzung: Wie dringend ist die Behandlung? Muss sofort gehandelt werden oder ist eine Wartezeit vertretbar? Lebensbedrohlich und sehr schwer erkrankte oder verletzte Patientinnen und Patienten müssen selbstverständlich sofort behandelt werden. Für alle, die weniger schwer betroffen sind, kann das längere Wartezeiten bedeuten – auch wenn sie schon früher da waren. Häufig werden in einem Notfall zuerst die akuten Schmerzen und Ängste gelindert.
Danach folgt die gründlichere Untersuchung: Neben Blutdruck und Herzfrequenz können in der Notaufnahme auch Labortests, Ultraschall, CT- oder Röntgenaufnahmen gemacht werden. Auf der Grundlage der Untersuchung wird dann eine Diagnose gestellt und entschieden, wie es weitergeht. Ist eine sofortige Operation oder eine andere Behandlung nötig? Muss der Patient oder die Patientin stationär im Krankenhaus aufgenommen werden? Oder ist auch eine ambulante Behandlung möglich?
Hauptaufgabe von Ärztinnen und Ärzten in der Notaufnahme ist es, medizinische Notfälle zu behandeln. Allerdings entsteht oft unnötiger Stress, weil auch Menschen ohne echten medizinischen Notfall zu ihnen kommen. Außerhalb der ärztlichen Sprechzeiten gibt es dafür den ärztlichen Bereitschaftsdienst und die 24-Stunden-Telefonnummer 116117.
Gute Nerven, breites Fachwissen
In der Notaufnahme sind vor allem schnelles Handeln, Stressresistenz und ein breites Fachwissen gefragt, weil die Notfälle aus vielen verschiedenen Fachgebieten kommen können. Außerdem wichtig: Freude an Teamwork und interdisziplinärem Arbeiten – zum Beispiel mit den Kollegen und Kolleginnen im Rettungsdienst und in anderen Abteilungen des Krankenhauses. Generell arbeiten in der Notaufnahme Ärztinnen und Ärzte aus verschiedenen Fachgebieten wie der Inneren Medizin, der Chirurgie oder der Anästhesie.
Klinischer Akut- und Notfallmediziner werden: Die Zusatz-Weiterbildung im Überblick
Dauer der Weiterbildung
- 6 Monate Intensivmedizin, die auch während der Facharztweiterbildung abgeleistet werden können
und zusätzlich
- 80 Stunden Kurs-Weiterbildung gemäß § 4 Abs. 8 in allgemeiner und spezieller Notfallbehandlung
und zusätzlich
- 24 Monate Klinische Akut- und Notfallmedizin in einer interdisziplinären Notfallaufnahme unter Befugnis an Weiterbildungsstätten
Inhalte der Weiterbildung
Übergreifende Inhalte der Zusatz-Weiterbildung Klinische Akut- und Notfallmedizin
- Rechtliche Grundlagen der notfallmedizinischen Behandlung
- Aspekte der Organisation, Ausstattung und Personalplanung von Zentralen Notfallaufnahmen
- Ersteinschätzungssysteme, Triagierung und Scores
- Zusammenarbeit mit internen und externen Partnern, z. B. Rettungsdienst, KV-Dienst, anderen Fachabteilungen und Fachkliniken
- Sektorenübergreifende Behandlung
- Grundlagen der Verletzungsartenverfahren
- Massenanfall von Notfallpatienten, Pandemieplanung, Grundlagen der Katastrophenmedizin
- Management infektiöser und isolationspflichtiger Notfallpatienten
- Erkennung und Erstbehandlung bei psychosozialen Problemen, Missbrauch und Körperverletzung
Organbezogene und spezifische Notfallsituationen
- Differentialdiagnostik und Therapieoptionen organbezogener Notfälle
- kardiovaskuläre Notfälle
- hämatologische und onkologische Notfälle
- immunologische Notfälle
- Infektionskrankheiten und Sepsis
- endokrine und metabolische Notfälle
- Flüssigkeits- und Elektrolytstörungen
- gastrointestinale und hepatologische Notfälle
- respiratorische Notfälle
- nephrologische und urologische Notfälle
- dermatologische Notfälle
- Notfälle im Hals-, Nasen- Ohren-, Mund- und Nackenbereich
- gynäkologische Notfälle
- muskuloskelettale Notfälle
- neurologische Notfälle
- neurochirurgische Notfälle
- ophthalmologische Notfälle
- psychiatrische Notfälle und Verhaltensstörungen
- Trauma (stumpf/penetrierend)
- akute Notfälle durch Umwelteinflüsse, thermische, hyper- und hypobare Exposition und elektrischen Strom
Symptomorientierte Erstdiagnostik und Initialtherapie
- Erstdiagnostik, Initialtherapie und Indikationsstellung zur weiterführenden Behandlung bei
- Dyspnoe
- Herzrasen, Palpitationen und Brustschmerzen
- Übelkeit, Erbrechen und Diarrhoe
- nicht-traumatologischen Blutungen
- Trauma mit und ohne vitaler Bedrohung
- Schock
- Dysurie, Oligo-Anurie, Polyurie, Hämaturie
- akuten Störungen des Bewusstseins und Bewusstseinsverlust, Synkopen
- Störungen des Gedächtnisses, der Kognition und des Verhaltens
- akuten Gefühlsstörungen, Lähmungen, Gang- und Bewegungsstörungen und Sprach- und Sprechstörungen
- akuten Bauch- und Leistenschmerzen
- Schmerzen und akuten Veränderungen der unteren und oberen Extremitäten
- Kopfschmerzen
- Schwindel
- epileptischen Anfällen und Status epilepticus
- akuten Nacken- und Rückenschmerzen
- akuten Hautveränderungen
- Ikterus
- Veränderungen der Körpertemperatur
Alters- und geschlechtsbezogene Notfälle
- Besonderheiten der Diagnostik und Therapie im Kindes- und Jugendalter
- Reanimation von Kindern und Jugendlichen, auch als Reanimationstraining
- Erstdiagnostik, Initialtherapie und Indikationsstellung zur weiterführenden Behandlung bei Notfällen im Kindes- und Jugendalter, insbesondere Schmerzen, Verbrennungen, Verbrühungen, Intoxikationen, Fieber/Sepsis, schreiendes Baby
- Besonderheiten der Diagnostik und Therapie in der Schwangerschaft und gynäkologischen Erkrankungen
- Pharmakotherapie in der Schwangerschaft
- Erstdiagnostik, Initialtherapie und Indikationsstellung zur weiterführenden Behandlung bei gynäkologischen und geburtshilflichen Notfällen, insbesondere Extrauteringravidität, Eklampsie, Verletzungen, Blutungen
- Besonderheiten von Symptomen und Erkrankungen bei geriatrischen Patienten
- Erstdiagnostik, Initialtherapie und Indikationsstellung zur weiterführenden Behandlung bei geriatrischen Patienten, insbesondere bei Delir, Demenz, Medikamenteninteraktionen und Überdosierung
Notfallmedizinische Kernverfahren
- Notfallmäßige Sicherung der Atemwege einschließlich endotrachealer Intubation sowie Algorithmus bei schwieriger Intubation
- Atmungs- und Beatmungsmanagement
- Pleurapunktion und Thoraxdrainage
- Kardiopulmonale Reanimationen bei Erwachsenen und Kindern einschließlich Postreanimationstherapie sowie Temperaturmanagement
- Herz-Kreislauf-Unterstützung und Durchführung von kardialen Maßnahmen einschließlich Anlage von Gefäßzugängen, Schrittmachertherapie, Perikardpunktion
- Sedierung und Analgesie einschließlich Lokal-, Oberflächen- und Regionalanästhesie
- Akutschmerztherapie bei akuten Schmerzen, akuter Exazerbation chronischer Schmerzen und Tumorschmerzen
- Traumaversorgung, insbesondere Frakturruhigstellung, Reposition, Wundversorgung, Verbands- und Gipstechniken
- Polytraumamanagement
- Akutversorgung des Schlaganfalls
- Durchführung und Befunderstellung von Notfalldiagnostik, insbesondere
- EKG
- Notfallsonographie von Abdomen, Thorax, Herz, Gefäßen und Bewegungsapparat
- Indikationsstellung und Befundinterpretation von Labordiagnostik im Notfall
- Indikationsstellung und Befundinterpretation von Röntgen- und CT-Untersuchungen im Notfall
- Maßnahmen bei akuten Intoxikationen
- Maßnahmen bei Ertrinkungsunfall
- Maßnahmen im HNO-Bereich, z. B. Rhinoskopie, Nasentamponade, Otoskopie, Trachealkanülenwechsel
- Maßnahmen am Gastrointestinaltrakt, z. B. Legen von Magensonden, Magenspülung, Aszitespunktion
- Maßnahmen am Urogenitaltrakt, z. B. Anlage transurethraler und suprapubischer Blasenkatheter
- Maßnahmen im Bereich des Muskel- und Skelettsystems, z. B. Abszessspaltung, Gelenkpunktion
- Maßnahmen bei neurologischen Symptomen/Diagnosen, z. B. Liquorpunktion
- Maßnahmen am Auge, z. B. Entfernung von Fremdkörpern, Augenspülung
- Maßnahmen im Bereich Geburtshilfe und Gynäkologie, z. B. notfallmäßige Entbindung
- Erstversorgung von Neugeborenen, z. B. Wärmeerhalt, Reanimation
- Koordination und Begleitung des Transports von Schwerstkranken
Quellen: Musterweiterbildungsordnung 2018 der Bundesärztekammer, Ärztestatistik der Bundesärztekammer 2023, Deutsche Interdisziplinäre Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin e. V. (DIVI)
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