Zusatz-Weiterbildung Medizinische Informatik: Dauer, Inhalte, Voraussetzungen

24 Mai, 2023 - 07:28
Bianca Freitag
Arzt und Krankenschwester am Computer

Ob digitale Patientenakte, Telematikinfrastruktur oder digitale OP-Planung – ohne die Medizinische Informatik geht es in der modernen Medizin nicht mehr. Die Digitalisierung wird auch in Zukunft für Ärztinnen und Ärzte immer wichtiger werden. Wie die Zusatz-Weiterbildung abläuft und welche Voraussetzungen es dafür gibt, erfahren Sie im Beitrag.

Auf einen Blick: Zusatz-Weiterbildung Medizinische Informatik

  • Definition: Die Zusatz-Weiterbildung Medizinische Informatik umfasst die systematische Verarbeitung von Informationen in der Medizin durch die Modellierung und Realisierung von informationsverarbeitenden Systemen.
  • Voraussetzungen: 24 Monate ärztliche Tätigkeit
  • Dauer: 240 Stunden Kurs-Weiterbildung in Medizinische Informatik. Die Kurs-Weiterbildung kann durch 12 Monate Weiterbildung in einer an die Patientenversorgung angeschlossenen Einrichtung der Medizinischen Informatik ersetzt werden. Zusätzlich gehören zur Zusatz-Weiterbildung 480 Stunden in einer Einrichtung der medizinischen Informatik oder in einer IT-Abteilung im Gesundheitswesen, ersetzbar durch eine Projektarbeit bei einem Weiterbildungsbefugten für Medizinische Informatik.
  • Anzahl der Ärzte: In Deutschland sind 784 Ärztinnen und Ärzte mit der Zusatzbezeichnung „Medizinische Informatik" bei den Kammern registriert.

In der Medizin fallen täglich Unmengen Informationen an. Das fängt schon bei der Behandlung von Patientinnen und Patienten in Form von Anamnese-, Befund-, Labor-, Bild- und Biosignaldaten an. Durch den zunehmenden Fortschritt in der Medizin nimmt die Menge der anfallen Informationsdaten stetig zu. All diese Informationen müssen verarbeitet werden, denn anhand dieser Daten treffen Ärztinnen und Ärzte diagnostische und therapeutische Entscheidungen. Für die optimale Patientenversorgung ist also eine adäquate Informationslogistik sowie systematische Aufbereitung und strukturierte Präsentation dieser Informationen essentiell. Kontinuierlich neue und verbesserte IT-Lösungen sind gefragt. Hier kommt die Medizinische Informatik ins Spiel.

Informationsverarbeitung optimieren

Alle Daten auf Papier zu sammeln und abzuheften, ist bei der Informationsmenge auf Dauer keine Lösung. Aus diesem Grund geht kein Weg mehr an der rechnergestützten Informationsverarbeitung vorbei. Ärztinnen und Ärzte mit der Zusatz-Weiterbildung Medizinische Informatik haben als Kernaufgabe die Gestaltung und Weiterentwicklung dieser Informationsverarbeitung.

Grundsätzlich will die Wissenschaft der Medizinischen Informatik die richtigen Informationen zur richtigen Zeit am richtigen Ort der richtigen Person im richtigen Kontext präsentieren. So sollen Entscheidungen und Prozesse in der Medizin unterstützt und verbessert werden. Sie besteht aus den Teilbereichen Medizinische Informatik, Medizinische Biometrie, Epidemiologie, Medizinische Dokumentation und Medizinische Bioinformatik und Systembiologie.

Grundlagen auch im Programmieren

Die Medizinische Informatik kommt bei unterschiedlichen Arbeits- und Entwicklungsbereichen zum Einsatz:

  • Aufbau und Etablierung der elektronischen Patientenakte (ePA)
  • sektoren- und einrichtungsübergreifende Kommunikation
  • digitale Verordnungen
  • computerassistierte Systeme für Diagnostik und Therapie
  • Langzeitspeicherung und Archivierung von medizinischen Informationen
  • Qualitätsmessung und Qualitätssicherung,
  • Prävention
  • Statistik und Epidemiologie
  • Forschung
  • wissensbasierte Systeme
  • Entscheidungsunterstützung
  • Künstliche Intelligenz (KI)
  • Telemedizin und Telematik

Dabei müssen Ärztinnen und Ärzte mit der Zusatz-Weiterbildung Medizinische Informatik nicht nur die medizinischen und technischen Aspekte im Blick behalten, sondern auch die gesundheitsökonomischen und rechtlichen Bedingungen wie den Datenschutz. In der Weiterbildung erhalten sie fundamentales Wissen des sich entwickelnden Fachgebiets und erwerben die Grundlagen (z.B. IT-Infrastruktur, Programme und Datenbanken), um Digitalisierungsprozesse in der Medizin fachgerecht zu begleiten und zu steuern.

Neben der Zusatz-Weiterbildung für Ärztinnen und Ärzte gibt es auch die Möglichkeit, Medizinische Informatik als Bachelor- und Masterstudiengang an einer Universität oder Fachhochschule zu studieren.
 


Medizinische Informatik: Die Zusatz-Weiterbildung im Überblick

Dauer der Weiterbildung

  • 240 Stunden Kurs-Weiterbildung gemäß § 4 Abs. 8 in Medizinische Informatik.
    • Die Kurs-Weiterbildung kann durch 12 Monate Weiterbildung in einer an die Patientenversorgung angeschlossenen Einrichtung der Medizinischen Informatik unter Befugnis an Weiterbildungsstätten ersetzt werden.
  • Zusätzlich 480 Stunden in einer Einrichtung der medizinischen Informatik oder in einer IT-Abteilung im Gesundheitswesen, ersetzbar durch eine Projektarbeit bei einem Weiterbildungsbefugten für Medizinische Informatik.

Inhalte der Weiterbildung

Angewandte Informatik

  • IT-Infrastrukturkomponenten, z. B. Rechnernetze, Betriebssysteme, Telematikinfrastruktur
  • Programmiersprachen und Webservices z. B. XML, JSON, Java, SOAP
  • IT-Servicemanagement
  • Planung, Entwicklung und Auswahl von Anwendungssystemen
  • Einsatz von Vorgehensmodellen im Software Engineering
  • Modellierung von Daten und Prozessen
  • Anwendung und Abfrage von relationalen Datenbanken
  • Anwendung von Methoden der Anforderungsanalyse

Datenschutz und Datensicherheit

  • Rechtliche Grundlagen, z. B. Datenschutzgrundverordnung, Medizinproduktegesetz, Arzneimittelgesetz
  • Prinzipien und Maßnahmen zur Gewährleistung des Datenschutzes
  • Umsetzung datenschutzkonformer Lösungen in Versorgung und Forschung
  • Erstellung eines Datenschutzkonzeptes

Medizinische Dokumentation

  • Fachterminologie der medizinischen Informatik, z. B. Systematized Nomenclature of Medicine - Clinical Terms (SNOMED-CT)
  • Dokumentationssysteme
  • Planung und Entwicklung von Dokumentationssystemen, z. B. medizinische
  • Register, Krebsregister, Infektionsschutzmeldungen, Qualitätssicherungssysteme
  • Anwendung von Ordnungssystemen, Klassifikationen oder Ontologien, davon
    • im Rahmen der medizinischen Dokumentation, z. B. Arztbrief, Medikationsplan, Notfalldaten, Akten, Impfplan, SNOMED-CT, LOINC, UCUM, TNM, ICD-O, ICF
    • im Rahmen der administrativen Dokumentation, z. B. OPS, ICD-10-GM, EBM, DRG, Qualitätssicherung nach § 137 SGB V
    • im Rahmen von Public Health (Big Data), z. B. Todesursachen, Infektionsschutz, Pharmakovigilanz, GMDN, ATC, ICD-10-WHO

Informations- und Kommunikationssysteme

  • Medizinische Informations- und Kommunikationssysteme, insbesondere
    • Krankenhausinformationssysteme und klinische Arbeitsplatzsysteme, z. B. Intensivmedizin, Anästhesiologie
    • Arztpraxisinformationssysteme
    • Informationssysteme von Funktionsabteilungen wie Radiologie, Labor, Endoskopie
  • Aufbau- und Ablauforganisation von Dienstleistungseinheiten, IT-Servicemanagement, z. B. ITIL
  • Erstellung von Rahmenkonzepten
  • IT-Standards und Interoperabilität, z. B. ISO, DIN, HL7, IHE
  • Evaluation von Informations- und Kommunikationssystemen, z. B. Usability
  • Nutzungs- und Parametriererfahrungen bei branchenspezifischen Anwendungssystemen

Telemedizin und Telematik

  • Elektronische Akten und patientenzentrierte Anwendungen (Consumer Health Care IT), z. B. APP-Anwendungen, Ambient Assisted Living (AAL)
  • Anwendungen der elektronischen Gesundheitskarte
  • Organisatorische, juristische, ethische und technische Aspekte von telemedizinischen Anwendungen

Informationsmanagement

  • Anwendungssysteme in der Forschung
  • Nutzung von Routine- und Registerdaten in der Versorgungsforschung
  • Datenmanagement, Datenintegration, z. B. Algorithmen, Datenstrukturen
  • Etablierung von IT-Strukturen im Rahmen von medizinischen Forschungsprojekten, z. B. in klinischen Studien
  • E-Learning, Blended Learning

Entscheidungsunterstützung

  • Präzisionsmedizin
  • Wissensbasen und Systeme zur Therapiesicherheit, z. B. Wissensmanagement
  • Health Technology Assessment (HTA)
  • Beratung zu Therapieoptionen aufgrund wissenschaftlicher Erkenntnisse (Schlussfolgerungsverfahren)

Bild- und Biosignalverarbeitung

  • Modalitäten, z. B. in der Radiologie
  • Verfahren zur Filterung, Verbesserung und Auswertung

Management in der Gesundheits-IT

  • Etablierte Verfahren der Qualitätssicherung, z. B. Medizin-Controlling
  • Prozessmanagement, z. B. Organisation von Behandlungspfaden
  • Qualitätsmanagement, z. B. IT-Qualitätssicherung, Qualitätssicherung nach § 137 SGB V
  • Mitarbeit an Qualitätsmanagementprojekten, z. B. im Rahmen von Zertifizierungen
  • IT-Projektmanagement und Vorgehensmodelle, z. B. V-Modell
  • Risikomanagement von vernetzten Systemen, z. B. ISO 80001

Biometrie und Epidemiologie in der Medizinischen Informatik

  • Methoden und Anwendungen bei experimentellen, bevölkerungsbezogenen und klinischen Studien
  • Planungs- und Auswerteverfahren
  • Statistik und Statistik-Software, z. B. SPSS

Quellen: Musterweiterbildungsordnung 2018 der Bundesärztekammer, Ärztestatistik der Bundesärztekammer 2022, Deutsche Gesellschaft für Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie e.V.

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