Zusatz-Weiterbildung Transplantationsmedizin: Dauer, Inhalte, Voraussetzungen

10 Mai, 2024 - 08:28
Stefanie Hanke
Arzt transportiert Kühlbox mit menschlichen Organen

Niere, Lunge, Leber oder Herz: Etwa 8.500 Menschen in Deutschland warten sehnsüchtig auf ein Spenderorgan. Durchgeführt werden die Organtransplantationen in etwa 50 Transplantationszentren von Ärztinnen und Ärzten mit der Zusatzbezeichnung Transplantationsmedizin. Wie die Zusatz-Weiterbildung aufgebaut ist und welche Voraussetzungen es gibt, erfahren Sie im Beitrag.

Auf einen Blick: Zusatz-Weiterbildung Transplantationsmedizin

  • Definition: Fachärztinnen und -ärzte mit der Zusatz-Bezeichnung Transplantationsmedizin beschäftigen sich mit der Übertragung von menschlichen Organen, Organbestandteilen, Geweben oder Zellen von einem Körper in einen anderen.
  • Voraussetzungen: Facharztanerkennung für Allgemeinchirurgie, Gefäßchirurgie, Herzchirurgie, Thoraxchirurgie, Viszeralchirurgie, Innere Medizin und Gastroenterologie, Innere Medizin und Kardiologie, Innere Medizin und Nephrologie, Innere Medizin und Pneumologie, Kinder- und Jugendmedizin oder Urologie
  • Dauer: 24 Monate Transplantationsmedizin in einem Transplantationszentrum

Seit 1963 wurden in Deutschland insgesamt mehr als 146.000 Organe transplantiert. Das am häufigsten verpflanzte Organ war dabei die Niere. Das besondere hierbei: Anders als bei Herz oder Lunge sind bei Nierentransplantationen auch Lebendspenden möglich.

Auch wenn in Indien schon vor mehr als 2.000 Jahren erste erfolgreiche Hauttransplantationen durchgeführt wurden: Die Geschichte der modernen Transplantationsmedizin beginnt im späten 19. Jahrhundert. 1883 wurde in der Schweiz erstmals Schilddrüsengewebe verpflanzt. Versuche mit anderen Organen zu Beginn des 20. Jahrhunderts blieben zunächst erfolglos. 1954 wurde in den USA erstmals eine Niere transplantiert. Seither hat sich die Medizin rasant weiterentwickelt. Weltweit werden heute jedes Jahr mehr als 100.000 Organe transplantiert.

Welche Organe und Gewebearten können transplantiert werden?

Gespendet werden können in Deutschland folgende Organe:

  • Herz
  • Lunge
  • Leber
  • Nieren
  • Bauchspeicheldrüse
  • Darm

Gespendet werden können in Deutschland folgende Gewebearten:

  • Horn- und Lederhaut der Augen
  • Herzklappen
  • Haut
  • Blutgefäße
  • Knochen-, Knorpel- und Weichteilgewebe
  • Gewebe aus Leber und Bauchspeicheldrüse

Ablauf einer Organspende

Damit ein Spenderorgan entnommen werden kann, müssen mehrere Voraussetzungen erfüllt sein: Der Hirntod des Spenders oder der Spenderin muss zweifelsfrei festgestellt werden, und es muss eine Zustimmung zur Organspende vorliegen. Gibt es keinen Organspendeausweis, müssen die Angehörigen im Zweifelsfall entscheiden.

Die Organe werden von Ärztinnen und Ärzten mit derselben Sorgfalt entnommen, mit der auch Operationen an lebenden Patientinnen und Patienten durchgeführt werden. Die Organe werden gründlich untersucht. Informationen zur Blutgruppe und Gewebe helfen dabei, geeignete Empfängerinnen und Empfänger zu finden.

Da ein Organ nicht mehr mit Sauerstoff versorgt wird, sobald es aus dem Körper entnommen wurde, muss es jetzt schnell gehen. Das Organ wird möglichst schnell transportiert und dabei ständig gekühlt. Schon während des Transports wird der Empfänger oder die Empfängerin auf die Transplantation vorbereitet. Sobald das Organ eintrifft, kann die Operation beginnen.

Nach der Transplantation wird der Empfänger oder die Empfängerin regelmäßig kontrolliert. Wichtig ist es nun, mit Immunsuppressiva zu verhindern, dass das Organ vom Körper abgestoßen wird. Auch eine baldige Reha ist wichtig, um die Fitness des Empfängers oder der Empfängerin wiederherzustellen.

Eurotransplant und Transplantationsregister

Um Organspenden mit Patientinnen und Patienten zusammenzubringen, gibt es seit 1967 die Stiftung Eurotransplant in Leiden (Niederlande). Hier arbeiten acht europäische Länder zusammen: Belgien, Deutschland, Niederlande, Luxemburg, Ungarn, Österreich, Kroatien und Slowenien. Eurotransplant führt ein zentrales Melderegister und eine gemeinsame Warteliste dieser Länder. Hier laufen die Informationen über Organspenden und Menschen auf der Warteliste zusammen. Wer ein Organ erhält, wird nach medizinischen und ethischen Gesichtspunkten entschieden. So wird beispielsweise die Blutgruppe oder der Gewebetyp berücksichtigt. So kann das Risiko, dass das jeweilige Organ wieder abgestoßen wird, verringert werden.

Seit 2016 gibt es in Deutschland ein zentrales Transplantationsregister, in dem die Daten von spendenden und empfangenden Menschen gespeichert und miteinander verknüpft werden. Dabei gibt es in Deutschland im europaweiten Vergleich verhältnismäßig wenig postmortale Organspenden: 2021 waren es 933. Im Verhältnis zur Einwohnerzahl liegen hier beispielsweise Spanien und Portugal deutlich vorne.

Ein Unterschied: Wenn es darum geht, wer Organspender oder -spenderin wird, gilt in Deutschland die Entscheidungslösung. Das bedeutet, dass Organe und Gewebe nach dem Tod nur dann entnommen werden dürfen, wenn die Person zu Lebzeiten aktiv zugestimmt und die Entscheidung beispielsweise in einem Organspendeausweis festgehalten hat. In vielen anderen europäischen Ländern wie Spanien, Frankreich, Italien oder Portugal gilt die Widerspruchslösung. Das bedeutet, Organe können nach dem Tod entnommen werden, wenn die betreffende Person dem nicht aktiv widersprochen hat.
 


Transplantationsmediziner werden: Die Zusatz-Weiterbildung im Überblick

Dauer der Weiterbildung

  • 24 Monate Transplantationsmedizin in einem Transplantationszentrum

Inhalte der Weiterbildung

Gemeinsame Inhalte der Zusatz-Weiterbildung Transplantationsmedizin

Übergreifende Inhalte der Zusatz-Weiterbildung Transplantationsmedizin

  • Rechtliche, ethische und gesellschaftliche Rahmenbedingungen der Organtransplantation, insbesondere hinsichtlich postmortaler Organspende und Lebendorganspende sowie Allokationsverfahren
  • Vorbereitung und Meldung auf die Warteliste zur Organtransplantation sowie Wartelistenmanagement
  • Grundlagen der Spender- und Empfängerauswahl
  • Indikationsstellung und Kontraindikationen für die Transplantation
  • Immunsuppressive Therapieoptionen bei Organtransplantation
  • Erkennung und ggf. interdisziplinäre Behandlung von immunologischen, chirurgischen und pharmakologischen Komplikationen nach Organtransplantation
  • Infektiologische Aspekte der Transplantation
  • Nachsorge nach Organtransplantation, auch in interdisziplinärer Zusammenarbeit
  • Transplantationsmedizinische Qualitätssicherung
  • Grundlagen der Immunologie, insbesondere der Humanen Leukozyten Antigene (HLA) und Antikörper relevanten Organallokation und Kompatibilitätsdiagnostik

Spezifische Inhalte für die Facharzt-Weiterbildungen Allgemeinchirurgie, Gefäßchirurgie, Viszeralchirurgie, Urologie

Diagnostik und Therapie

  • Perioperative Behandlung von Patienten vor und nach Nieren-, Leber-, Pankreas- und/oder Dünndarmtransplantation
  • Farbkodierte Duplexsonographie der Leber und/oder Niere (Richtzahl: 25)
  • Organentnahme bei Nierenlebendspende und/oder Leberlebendspende (Richtzahl: 20)
  • Organentnahme bei postmortaler Organspende (Richtzahl: 25)
  • Transplantationen, alternativ
    • entweder Nieren (Richtzahl: 25)
    • oder Leber (Richtzahl: 30)
    • oder Pankreas (Richtzahl: 15)
    • Nieren- und/oder Lebertransplantatbiopsie (Richtzahl: 25)

Spezifische Inhalte für die Facharzt-Weiterbildung Herzchirurgie

Diagnostik und Therapie

  • Perioperative Behandlung von Patienten vor und nach Herz- und/oder Lungentransplantation
  • Organentnahme bei postmortaler Organspende (Richtzahl: 25)
  • Thorakale Transplantation von Herz und/oder Lunge und/oder kombiniert Herz-Lunge (Richtzahl: 15)

Spezifische Inhalte für die Facharzt-Weiterbildung Thoraxchirurgie

Diagnostik und Therapie

  • Perioperative Behandlung von Patienten vor und nach Lungentransplantation
  • Organentnahme bei postmortaler Organspende (Richtzahl: 25)
  • Lungentransplantation (Richtzahl: 15)

Spezifische Inhalte für die Facharzt-Weiterbildung Innere Medizin und Gastroenterologie

Diagnostik und Therapie

  • Behandlung von Patienten vor und nach Lebertransplantation, auch im Langzeitverlauf
  • Farbkodierte Duplexsonographie des Lebertransplantats (Richtzahl: 50)
  • ERCP nach Lebertransplantation
  • Lebertransplantatbiopsie nach Lebertransplantation (Richtzahl: 25)
  • Teilnahme an Lebertransplantationen

Spezifische Inhalte für die Facharzt-Weiterbildung Innere Medizin und Kardiologie

Diagnostik und Therapie

  • Behandlung von Patienten vor und nach Herz- und Herz-Lungentransplantation, auch im Langzeitverlauf
  • Endomyokardbiopsie nach Herztransplantation (Richtzahl: 25)
  • Linksherzkatheter einschließlich Koronarangiographie nach Herztransplantation (Richtzahl: 25)
  • Teilnahme an Herztransplantationen

Spezifische Inhalte für die Facharzt-Weiterbildung Innere Medizin und Nephrologie

Diagnostik und Therapie

  • Behandlung von Patienten vor und nach Nierentransplantation und Pankreastransplantation, auch im Langzeitverlauf
  • Farbkodierte Duplexsonographie des Nierentransplantats (Richtzahl: 50)
  • Nierentransplantatbiopsie (Richtzahl: 25)
  • Teilnahme an Nierentransplantationen

Spezifische Inhalte für die Facharzt-Weiterbildung Innere Medizin und Pneumologie

Diagnostik und Therapie

  • Behandlung von Patienten vor und nach Lungen- und Herz-Lungentransplantation, auch im Langzeitverlauf
  • Bronchoskopie mit bronchoalveolärer Lavage nach Lungentransplantation (Richtzahl: 25)
  • Lungenfunktionsuntersuchungen nach Lungentransplantation (Richtzahl: 50)
  • Teilnahme an Lungen- und/oder Herz-Lungentransplantationen

Spezifische Inhalte für die Facharzt-Weiterbildung Kinder- und Jugendmedizin

Diagnostik und Therapie

  • Behandlung von Kindern und Jugendlichen vor und nach Nieren-, Leber-, Darm-, Herz- und/oder Lungentransplantation, auch im Langzeitverlauf
  • Farbkodierte Duplexsonographie
    • entweder des Nierentransplantats (Richtzahl: 50)
    • oder des Lebertransplantats, davon
      • vor Transplantation (Richtzahl: 20)
      • nach Transplantation (Richtzahl: 100)
  • Nieren- und/oder Lebertransplantatbiopsie (Richtzahl: 10)
  • Teilnahme an Nieren- und/oder Lebertransplantationen bei Kindern und Jugendlichen

Quellen: Musterweiterbildungsordnung 2018 der Bundesärztekammer, Ärztestatistik der Bundesärztekammer 2021, Deutsche Krankenhausgesellschaft, Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA), Eurotransplant

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