Facharzt-Weiterbildung Viszeralchirurgie: Dauer, Inhalte, Berufsperspektiven

10 Mai, 2024 - 09:04
Stefanie Hanke
Ärztin und Ärzte im OP, eine Ärztin ist im Vordergrund

Viszeralchirurgen beschäftigen sich mit der operativen Behandlung der Bauchorgane. Aber wie ist die Facharzt-Weiterbildung in diesem Bereich aufgebaut und wie lange dauert sie? Das erfahren Sie im Beitrag.

Auf einen Blick: Weiterbildung (Facharztausbildung) Viszeralchirurgie

  • Definition: Die Viszeralchirurgie ist die Chirurgie des Bauchraumes. Sie beschäftigt sich mit Erkrankungen der inneren Organe. Dazu gehören Darm, Leber, Bauchspeicheldrüse, Speiseröhre, Magen und Galle.
  • Dauer: Die Facharzt-Weiterbildung in der Viszeralchirurgie dauert 72 Monate. Davon müssen jeweils 6 Monate in der Notfallaufnahme und in der Intensivmedizin abgeleistet werden. Bis zu 12 Monate können in anderen Gebieten erfolgen.
  • Anzahl der Fachärzte: In Deutschland gibt es 4.653 Fachärztinnen und Fachärzte für Viszeralchirurgie. Davon sind 4.433 berufstätig. 316 arbeiten ambulant, 3.962 stationär in einer Klinik.

Das Wort Viszeralchirurgie kommt vom lateinischen "viscera" und bedeutet "Eingeweide". Konkret befassen sich Fachärzte und Fachärztinnen für Viszeralchirurgie mit der Chirurgie des Bauchraumes und der Bauchwand, der endokrinen Drüsen und der Weichteile. Darunter fallen unter anderem die Speiseröhre, der Magen, der Dünn- und Dickdarm, der Enddarm, die Leber, die Gallenblase, die Bauchspeicheldrüse und die Milz. Aber auch die operative Behandlung der Schilddrüse und der Nebenschilddrüse sowie die Behandlung von Eingeweidebrüchen und die Transplantation von Bauchhöhlenorganen wie Leber, Bauchspeicheldrüse und Dünndarm gehören in den Aufgabenbereich der Viszeralchirurgie. Eine Besonderheit gilt für die Niere: Sie wird je nach Klinik mal der Viszeralchirurgie, mal dem Gebiet Urologie zugeordnet.

Viszeralchirurgen werden unter anderem tätig, wenn Patienten unter akuten Verletzungen, Tumoren, Entzündungen und Fehlbildungen dieser Organe leiden. Neben Krebserkrankungen sind sie beispielsweise auch für die operative Behandlung von chronisch-entzündlichen Darmerkrankungen (Morbus Crohn, Colitis ulcerosa), Entzündungen der Bauchspeicheldrüse (Pankreatitis), Verletzungen des Zwerchfells oder Erkankungen des Enddarms (Fissuren, Fisteln, Hämorrhoiden) zuständig.

Viele dieser Operationen können heutzutage minimalinvasiv durchgeführt werden. Die meisten Gallenblasen- und Blinddarmoperationen sowie mehr als ein Drittel aller Leistenbruchoperationen werden inzwischen in Deutschland mit laparoskopischer Technik operiert. Für die Patienten bedeutet das: weniger Schmerzen, geringeres Infektionsrisiko, eine wesentlich kleinere Narbe und einen kürzeren Aufenthalt im Krankenhaus. Und auch eine weitere Neuerung revolutioniert seit ein paar Jahren die Viszeralchirurgie: An immer mehr Kliniken ist inzwischen das Da-Vinci-Robotersystem im Einsatz.

Wie bei anderen Facharzt-Weiterbildungen aus dem Gebiet Chirurgie starten die jungen Ärztinnen und Ärzte auch in der Viszeralchirurgie mit einem "Common Trunk" - also einer struktierten 2-jährigen Basisweiterbildung, in der sie die wesentlichen chirurgischen Behandlungsverfahren erlernen und entsprechende Erfahrungen sammeln: 6 Monate verbringt man in der Notfallaufnahme, 6 Monate in der Intensivmedizin in der Chirurgie, weitere 12 Monate der Weiterbildung können in einem anderen Gebiet erfolgen.

Insgesamt arbeiten in Deutschland 3.111 Viszeralchirurgen und Viszeralchirurginnen. Die meisten von ihnen sind in einer Klinik tätig, nur ein kleiner Teil arbeitet in einer Praxis.

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Viszeralchirurg werden: Die Weiterbildung (Facharztausbildung) im Überblick

Dauer der Weiterbildung

Die Weiterbildungszeit in der Allgemeinchirurgie beträgt 72 Monate bei einem Weiterbildungsbefugten an einer Weiterbildungsstätte, davon

  • müssen 48 Monate in Viszeralchirurgie abgeleistet werden
  • müssen 6 Monate in der Notfallaufnahme abgeleistet werden
  • müssen 6 Monate in der Intensivmedizin abgeleistet werden
  • können zum Kompetenzerwerb bis zu 12 Monate Weiterbildung in anderen Gebieten erfolgen

Inhalte der Weiterbildung

Übergreifende Inhalte

  • Wesentliche Gesetze, Verordnungen und Richtlinien
  • Chirurgische Techniken und Instrumentengebrauch, insbesondere Inzision, Präparation, Retraktion, Naht- und Knotentechniken einschließlich Laseranwendung unter Berücksichtigung der verschiedenen Gewebestrukturen
  • Chirurgische perioperative Behandlung einschließlich Vorbereitung, Lagerungstechniken, Nachsorge und Komplikationsmanagement sowie Indikationsstellung zu weiterführenden Maßnahmen
  • Techniken der temporären Ruhigstellung und Fixationsverbände
  • Prophylaxe, Diagnostik und Therapie von Thrombosen
  • Wundheilung und Narbenbildung
  • Wundmanagement und stadiengerechte Wundtherapie sowie Verbandslehre einschließlich verschiedene Wundauflagen, Unterdruck- und Kompressionstherapie
  • Defektdeckung bei akuten und chronischen Wunden
  • Grundlagen der medikamentösen Tumortherapie
  • Basisbehandlung palliativmedizinisch zu versorgender Patienten
  • Scoresysteme und Risikoeinschätzung

Lokalanästhesie und Schmerztherapie

  • Lokal- und Regionalanästhesien
  • Abklärung peri- und postoperativer Schmerzzustände
  • Diagnostik und Therapie nach dokumentierten Schmerztherapieplänen
  • Behandlung von Patienten mit komplexen Schmerzzuständen
  • Injektionen und Punktionen

Notfall- und Intensivmedizin

  • Erkennung und Behandlung akuter Notfälle einschließlich lebensrettender Maßnahmen
  • Kardiopulmonale Reanimation
  • Pathophysiologie von schweren Verletzungen, des Polytraumas und deren Folgen
  • Indikationsstellung zur Notfall-Laparotomie und Thorakotomie
  • Überwachung, Monitoring, Dokumentation und Betreuung von intensivmedizinischen Patienten
  • Differenzierte Beatmungstechniken
  • Atemunterstützende Maßnahmen bei intubierten und nicht-intubierten Patienten
  • Beatmungsentwöhnung bei langzeitbeatmeten Patienten
  • Mitbehandlung bei septischen Krankheitsbildern
  • Pharmakologie der Herz-Kreislauf-Unterstützung
  • Infusions-, Transfusions- und Blutersatztherapie, enterale und parenterale Ernährung
  • Zentralvenöse Zugänge (Richtzahl: 20)
  • Arterielle Kanülierung und Punktionen
  • Thorax-Drainage
  • Legen eines transurethralen und/oder suprapubischen Katheters

Spezifische Inhalte der Facharzt-Weiterbildung Viszeralchirurgie

Übergreifende Inhalte der Facharzt-Weiterbildung Viszeralchirurgie

  • Berufsgenossenschaftliche Heilverfahren einschließlich Durchgangsarztverfahren
  • Grundlagen der Verwendung alloplastischer Materialien

Viszeralchirurgische Notfälle

  • Traumamanagement von Schwer- und Mehrfachverletzten, auch mit einem Injury Severity Score (ISS) von mindestens 16 Punkten
  • Notfalleingriffe im Bauchraum, z. B. bei Ileus, Blutung, Peritonitis, Milzruptur, Hohlorganperforationen einschließlich abdomineller Vakuumtherapie (VAC) – Richtzahl: 20

Diagnostische Verfahren

  • Sonographische Untersuchungen des Abdomens und des Retroperitoneums (Richtzahl: 400)
  • Sonographische Untersuchungen der Urogenitalorgane (Richtzahl: 200)
  • Duplexsonographie der abdominiellen und retroperitonealen Gefäße sowie des Mediastinum (Richtzahl: 100)
  • Notfallsonographien (eFAST) – Richtzahl: 50
  • Richtungsweisende Sonographien der Halsregion (Richtzahl: 50)
  • Endosonographie des Rektums
  • Ösophagogastroduodenoskopie (Richtzahl: 50)
  • Koloskopie (Richtzahl: 50)
  • Rektosigmoidoskopie (Richtzahl: 50)
  • Proktoskopie (Richtzahl: 50)
  • Indikation, Durchführung und Befunderstellung der intraoperativen radiologischen Befundkontrolle
  • Indikationsstellung und Befundinterpretation weiterer bildgebender Verfahren

Weichteilverletzungen, Wunden und Verbrennungen

  • Weichteileingriffe, z. B. an Sehnen, Bändern, Muskeln, Haut, Weichteiltumoren und bei Infektionen
  • Prävention, Diagnostik und Therapie des zentralen und peripheren Kompartmentsyndroms
  • Diagnostik und Therapie unkomplizierter Weichteilverletzungen
  • Diagnostik von komplexen Weichteilverletzungen sowie Wunden, die eine plastische Deckung erfordern und Wunden, die mit einer Knochenverletzung einhergehen
  • Diagnostik und Therapie von thermischen und chemischen Wunden außerhalb von Gesicht, Hand, Fuß oder Genitalbereich
  • Resektion gutartiger oberflächlicher und peripherer Weichteiltumore (Richtzahl: 20)
  • Inzision und Exzision von Hautabszessen (Richtzahl: 20)

Verletzungen, Erkrankungen und Funktionsstörungen der viszeralen Organe und Gefäße

  • Implantation und Explantation von intravenösen Portkathetern (Richtzahl: 20)
  • Operative Versorgung von Perianalabszessen
  • Exzision von Perianalvenenthrombosen
  • Hämorrhoidenoperation einschließlich Therapie einer Fissur (Richtzahl: 20)
  • Analfistel
  • Lymphknotenbiopsie bzw. -dissektion (Richtzahl: 5)
  • Operative Therapie von Hernien, auch minimal invasiv, davon
  1. Leistenhernie (Richtzahl: 40)
  2. Bauchwandhernie (Richtzahl: 10)
  3. Narbenhernie (Richtzahl: 10)
  • Gefäßfreilegung, Embolektomie und Thrombektomie
  • Varizenoperation
  • Leber-Probeexzision
  • Laparotomien und deren Verschluss (Richtzahl: 50)
  • Laparoskopien (Richtzahl: 50)
  • Resektionen, Übernähungen, Exstirpationen, konventionelle, endoskopische und interventionelle Techniken, auch minimal invasiv, insbesondere
  1. Appendektomie (Richtzahl: 20)
  2. Cholecystektomie (Richtzahl: 35)
  3. Explorative Laparotomie und/oder Laparoskopie (Richtzahl: 30)
  4. Magenübernähung
  5. Endoskopische und offene perkutane endoskopische Gastrostomie-Anlagen (PEG)
  6. Dünndarmresektion (Richtzahl: 10)
  7. Stomaanlage und Stomarückverlagerung (Richtzahl: 10)
  8. Eingriffe am Kolon (Richtzahl: 30)
  9. Fundoplicatio einschließlich minimal invasiver Verfahren (Richtzahl: 5)
  10. Splenektomie (Richtzahl: 3)
  11. Magenteilresektion (Richtzahl: 3)
  12. Leberwedgeresektion (Richtzahl: 3)
  13. Enddarmoperation (Richtzahl: 10)
  14. komplexe Adhäsiolyse (Richtzahl: 10)
  • Erste Assistenz bei Eingriffen höherer Schwierigkeitsgrade, z. B. Pankreasresektion, Gastrektomie, Rektumresektion (Richtzahl: 80)
  • Grundlagen der operativen Technik von Eingriffen höherer Schwierigkeitsgrade, z. B: hepatobiliäre Eingriffe, Operationen bei chronisch-entzündlichen Darmerkrankungen (CED), Roux-Y-Gastric Bypass, Adrenalektomie, Multiviszeralresektion
  • Transplantationschirurgie

Verletzungen, Erkrankungen und Funktionsstörungen des Kopf- und Halsbereichs

  • Indikationsstellung zur operativen Therapie und Nachbehandlung von Parathyreoidektomien
  • Zervikale Eingriffe, z. B. Tracheotomie, Lymphknoten-Probexcision
  • Thyreoidektomie und Neck-Dissektion bei malignen Erkrankungen
  • Eingriffe an der Schilddrüse (Richtzahl: 25), davon rund 20 Eingriffe (Richtzahl) in der Schilddrüsenresektion

Strahlenschutz

  • Grundlagen der Strahlenbiologie und Strahlenphysik bei der Anwendung ionisierender Strahlen am Menschen
  • Grundlagen des Strahlenschutzes beim Patienten und Personal einschließlich der Personalüberwachung und des baulichen und apparativen Strahlenschutzes
  • Voraussetzungen zur Erlangung der erforderlichen Fachkunden im gesetzlich geregelten Strahlenschutz

Quellen: Berufsverband der Deutschen Chirurgen e.V. (BDC), www.chirurg-werden.de und Musterweiterbildungsordnung 2018 der Bundesärztekammer, Ärztestatistik der Bundesärztekammer 2023
 


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