
Wie lassen sich Veränderungsprozesse in der deutschen Krankenhauslandschaft am besten gestalten – gerade vor dem Hintergrund der aktuellen Krankenhausreform? Darum ging es beim Innovationsforum Krankenhaus, das am 5. September 2024 zum dritten Mal in Köln stattfand.
Unübersichtlich, verworren und sehr komplex: Es gebe wohl niemanden, der das deutsche Gesundheitssystem wirklich verstanden habe, meinte Prof. Dr. Dirk Lauscher von der Katholischen Hochschule Freiburg in seinem Impulsvortrag zu Beginn der Veranstaltung. Hinzu komme die derzeitige Krankenhausreform, die der Gesundheitsökonom als „Black Box“ beschrieb: Mit vielen offenen Fragen und Widersprüchen sorge das Mammutvorhaben von Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach derzeit für große Verunsicherung. Lauscher riet dazu, sich von den Unsicherheiten auf höchster politischer Ebene nicht verrückt machen zu lassen. Ziel der Kliniken sei eine gute Qualität der medizinischen Versorgung, zusammen mit ökonomischem Erfolg und zufriedenen Stakeholdern – das ändere sich auch nicht durch die Krankenhausreform.
Sinnvolle Veränderungsprozesse anstoßen
Wie die Entscheidungsträger vor diesem Hintergrund sinnvolle Veränderungsprozesse in den einzelnen Kliniken anstoßen können, war Thema des 3. Innovationsforums Krankenhaus. Das Forum stand in diesem Jahr unter dem Motto „Krankenhausreform hin oder her – Strategie, Mitarbeit und Kultur als Treiber des Change-Prozesses“. Insgesamt knapp 30 Führungskräfte aus der obersten Ebene der Krankenhäuser waren am 5. September in Köln mit dabei und beteiligten sich an den Diskussionen. Veranstaltet wurde das Innovationsforum vom Initiativkreis neue Personalarbeit in Krankenhäusern (InPaK), dem Deutschen Ärzteverlag und Health&Care Management. Den Teilnehmenden war die Freude am Austausch anzumerken: Wegen der Coronapandemie lag das letzte Innovationsforum Krankenhaus schon fünf Jahre zurück.
Warum Change-Prozesse häufig nicht gelingen
Dass Veränderungsprozesse Krankenhäuser häufig vor große Herausforderungen stellen, beobachtet auch Dr. David Goldberg, der als geschäftsführender Partner bei Dr. Goldberg & Partner Führungskräfte und Kliniken bei Change-Prozessen begleitet. „Für Change braucht man Ressourcen – aber die haben viele Kliniken nicht mehr“, sagte er in seinem Vortrag. Ein großes Problem sieht er bei der Qualifikation der Führungskräfte und der Bereitschaft, sich weiterzubilden: Das führe bei Change-Prozessen häufig zu einer großen Überforderung. Denn vielen Führungskräften fehle Wissen und Erfahrung, worauf es dabei ankomme: selbst Vorbild zu sein, die Veränderungen gut zu kommunizieren, den Sinn und Nutzen der Maßnahmen zu vermitteln und souverän mit Widerständen umzugehen.
Goldberg riet Kliniken dazu, den Wandel dann anzustoßen, wenn es ihnen gut gehe. In Krisenzeiten fehle es häufig an den nötigen Ressourcen. Außerdem plädierte er dafür, möglichst alle Mitarbeitenden mitzunehmen. Eine gute Lösung sei es außerdem, große Prozesse in einzelne Projekte aufzuteilen und auch kleinere Erfolge zu würdigen – das führe im Team zu mehr Identifikation mit den Veränderungen.
Ärztinnen und Ärzte gewinnen im Wandel
Viele Kliniken stehen aktuell auch vor großen Herausforderungen, wenn es darum geht, offene Stellen zu besetzen. Dabei komme es hauptsächlich darauf an, die Zielgruppe für eine bestimmte Stellenausschreibung gut zu kennen und die Recruiting-Strategie darauf auszurichten, erklärte Konstantin Degner, Recruiting-
Experte beim Deutschen Ärzteverlag. So seien 82 Prozent der Ärztinnen und Ärzte in Deutschland offen für einen Jobwechsel; 15,4 Prozent suchen aktiv nach einem neuen Job. Zwei Drittel der Ärztinnen und Ärzte seien offen für attraktive Angebote, die ihnen beispielsweise beim Durchblättern des Deutschen Ärzteblatts ins Auge springen, wie eine Leserbefragung des Deutschen Ärzteverlags ergeben habe.
Wer beim Recruiting erfolgreich sein wolle, müsse sich folgende Fragen stellen: Wer ist meine Zielgruppe? Wie ist die demografische und sozioökonomische Struktur im jeweiligen Fachgebiet? Wie erreiche ich diese Zielgruppe? Was sind meine Botschaften? Und was bin ich bereit zu investieren – auch in Bereiche wie Employer Branding und die Bedürfnisse meiner Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter? Antworten auf diese Fragen seien der Schlüssel zu einem erfolgreichen Recruiting, sagte Degner. Es gebe keine Patentlösung, die für alle offenen Stellen gelte. Statt einem „One size fits all“-Ansatz sei es klüger, auf eine individuelle Mischung aus Print- und Onlinemaßnahmen zu setzen.
Rege Diskussionen, spannende Lösungsansätze
Nach den drei Impulsvorträgen zogen sich die Teilnehmerinnen und Teilnehmer des Innovationsforums in Arbeitsgruppen zur Diskussion zurück. Dabei konnten sie zwischen drei verschiedenen Schwerpunktthemen wählen:
- Gute Strategie – schlechte Umsetzung – was sollte sich ändern?
- Change-Management – Mitarbeitende mitnehmen – aber wie?
- Navigieren im Wandel: Mitarbeitergewinnung, Kultur, Führung, et cetera, was braucht es? Was hindert an der Umsetzung?
In allen drei Gruppen wurde lebhaft diskutiert – auch über eigene Erfahrungen mit Veränderungsprozessen. Am Ende waren viele Ideen dazu zusammengekommen, wie Kliniken mit dem Wandel umgehen können. Ein Beispiel aus der Strategiegruppe: Um den Unsicherheiten und Veränderungen gemeinsam zu begegnen, sollten Krankenhäuser über regionale Kooperationen nachdenken, beispielsweise mit anderen Kliniken, aber auch mit dem ambulanten Sektor. Die Arbeitsgruppe zum Change-Management regte dazu an, schon bei der Besetzung von Führungspositionen stärker im Blick zu haben, inwieweit Kandidatinnen und Kandidaten zur Strategie, Kultur und Zielsetzung eines Hauses passen. Neben Transparenz und einer guten Kommunikationsstrategie sei darüber hinaus eine konstruktive Fehlerkultur wichtig, um Mitarbeitenden die Möglichkeiten zu geben, etwas Neues auszuprobieren, ohne Angst vor dem Scheitern zu haben. Und die Arbeitsgruppe zur Mitarbeitergewinnung empfahl, auf eine attraktive Unternehmenskultur zu setzen. Damit könne man das eigene Krankenhaus auch heute noch gut von Mitbewerbern abgrenzen.
Einer der Diskussionsteilnehmer wies auf einen Grundkonsens im Gesundheitswesen hin: Wer hier anfange, bleibe der Branche in der Regel auch treu. Das sei eine gute Basis für Veränderungsprozesse – vorausgesetzt, es gelingt den Kliniken, die Mitarbeitenden auch langfristig zu motivieren und zu halten. Das 4. Innovationsforum Krankenhaus ist für 2025 geplant.
Dtsch Arztebl 2024; 121(21): [2]