Ärztemangel: Deutsch-polnisches Pilotprojekt soll Abhilfe im Grenzgebiet schaffen

6 Dezember, 2023 - 07:35
Miriam Mirza
Deutsch-polnische Grenze: Die Oder-Brücke zwischen Frankfurt (Oder) und Slubice
Deutsch-polnische Grenze: Die Oder-Brücke zwischen Frankfurt (Oder) und Slubice

Der Ärztemangel macht sich immer stärker im deutschen Gesundheitswesen bemerkbar. Besonders in abgelegenen Regionen wächst der Druck. Um dem Mangel an Ärztinnen und Ärzten entgegenzuwirken, setzt man auch von Regierungsseite auf die Zuwanderung vom medizinischem Fachpersonal. Es gibt nur ein Problem dabei: Das Abwerben der Medizinerinnen und Mediziner verschärft den Ärztemangel im Herkunftsland. Wie kann man hier Abhilfe schaffen? Ein Pilot-Projekt an der deutsch-polnischen Grenze beschäftigt sich unter anderem mit genau dieser Frage.

Gestartet ist das Pilotprojekt zum Ärzteaustausch in Frankfurt (Oder) und der polnischen Partnerstadt Słubice im Jahr 2022. Ziel des Unterfangens war es zunächst, die Zusammenarbeit zwischen Medizinerinnen und Medizinern aus beiden Städten zu optimieren und die medizinische Versorgung der Patientinnen und Patienten beiderseits der Oder zu verbessern. Darüber hinaus soll verhindert werden, dass immer mehr junge Ärztinnen und Ärzte Polen verlassen.

Deutsche Krankenhäuser versprechen bessere Verdienstmöglichkeiten, eine bessere Ausstattung und geringeres Arbeitspensum. Das führt besonders in den Grenzregionen dazu, dass sich vor allem junge Medizinerinnen und Mediziner nach Deutschland locken lassen – mit entsprechend negativen Folgen für die Gesundheitsversorgung in ihrem Herkunftsland.

09.12.2024, Dialyse Mosbach
Mosbach
09.12.2024, Dialyse Eberbach
Eberbach

Um dem entgegenzuwirken, entsendet das Klinikum Markendorf im Rahmen des Pilotprojekts Ärztinnen und Ärzte zum Słubicer Gesundheitszentrum Brandmed. Dort untersuchen sie Patientinnen und Patienten und sorgen, falls eine vollstationäre Behandlung notwendig wird, dafür, dass diese dann im Klinikum Markendorf stattfindet.

Polen leidet unter Ärztemangel

Im Laufe des letzten Jahres wurden in Polen immer mehr Stimmen laut, dass Ärztinnen und Ärzte im Land bleiben sollten, weil der Fachkräftemangel im Gesundheitswesen stärker wird. Die politischen Verantwortlichen sehen daher die Notwendigkeit, die Arbeitsbedingungen in Polen zu verbessern. Brandmed trägt mit der grenzüberschreitenden Versorgung, die auch eine Finanzierung durch deutsche Krankenkassen ermöglicht, zur Lösung dieses Konflikts bei.

Brandmed in Słubice ist ein medizinisches Zentrum, in dem mehr als zehn Ärztinnen und Ärzte unter einem Dach arbeiten: darunter Spezialisten aus den Bereichen Urologie, Allgemeinmedizin und Neurologie. Das Besondere: Sowohl in Deutschland als auch in Polen versicherte Menschen können sich behandeln lassen. Das Zentrum hat mit deutschen Krankenkassen verhandelt, damit diese die Kosten übernehmen. Das ermöglicht so eine grenzüberschreitende Versorgung und bessere Verdienste für die Ärztinnen und Ärzte. Die Geschäftsführung von Brandmed betrachtet das Projekt als Win-Win-Situation, die beiden Ländern und den Patientinnen und Patienten zugutekommt.

Brandmed in Słubice ist so erfolgreich, dass auch deutsche Bürgerinnen und Bürger, die in Brandenburg Schwierigkeiten haben, eine Hausärztin oder einen Hautarzt zu finden, Termine in Anspruch nehmen können. Die Voraussetzung: Sie müssen bei bei einer involvierten Krankenkasse versichert sein. Das Angebot wird gut angenommen – und obwohl die Geschäftsführung von Brandmed in Brandenburg nicht werben darf, verbreitet sich das Angebot aufgrund seiner positiven Wirkung durch Mund-zu-Mund-Propaganda. Jens-Marcel Ullrich, der Sozialdezernent von Frankfurt (Oder), sieht pragmatisch in die Zukunft und träumt von einem gemeinsamen deutsch-polnischen Medizinzentrum. Er betont die positive Zusammenarbeit an der Grenze, in der zusammen Probleme gelöst werden. Der Sozialdezernent hofft auf eine weitere Vertiefung dieser Kooperation, während er die polnische Regierung ermutigt, es als Beispiel für weitere Projekte dieser Art zu nehmen.

Warum wandern polnische Ärztinnen und Ärzte nach Deutschland ab?

  1. Bessere Verdienstmöglichkeiten: Deutschland bietet oft höhere Gehälter und bessere Arbeitsbedingungen im Gesundheitswesen im Vergleich zu Polen. Dies ist ein entscheidender Faktor, insbesondere für junge Ärztinnen und Ärzte, die ihre Karriere beginnen oder nach finanzieller Stabilität suchen.
     
  2. Berufliche Entwicklungsmöglichkeiten: Deutschland hat gut etablierte und fortschrittliche medizinische Einrichtungen, die attraktive berufliche Entwicklungsmöglichkeiten bieten. Die Aussicht auf Weiterbildungen und Spezialisierungen kann für Ärztinnen und Ärzte einen Anreiz darstellen.
     
  3. Arbeitsmarktchancen: Aufgrund des Fachkräftemangels im deutschen Gesundheitswesen gibt es eine hohe Nachfrage nach qualifizierten Medizinerinnen und Medizinern. Polnische Ärztinnen und Ärzte haben gute Chancen, in Deutschland eine Anstellung zu finden.
     
  4. Arbeitsbedingungen und Ressourcen: Deutsche Krankenhäuser und medizinische Einrichtungen verfügen oft über modernste Technologien und Ressourcen, was für Ärztinnen und Ärzte eine attraktive Arbeitsumgebung schaffen kann.
     
  5. Lebensqualität: Einige Ärztinnen und Ärzte ziehen auch aus persönlichen Gründen nach Deutschland, wie etwa eine verbesserte Lebensqualität, bessere soziale Sicherheitssysteme und ein breiteres kulturelles Angebot.

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