Ärztemangel: Warum gibt es trotzdem Arbeitslosigkeit bei Ärztinnen und Ärzten?

24 Mai, 2023 - 07:57
Stefanie Hanke
Agentur für Arbeit Cuxhaven

Durch den Ärztemangel sieht der Arbeitsmarkt für Ärztinnen und Ärzte rosig aus: Viele Kliniken haben Schwierigkeiten, offene Stellen zu besetzen. Trotzdem gibt es auch arbeitslose Ärztinnen und Ärzte. Wie kommt das und wie viele sind es? Das klären wir im Beitrag.

Mehr als 9.200 Ärztinnen und Ärzte waren im Jahr 2022 zumindest zeitweise arbeitslos – das geht aus der Ärztestatistik der Bundesärztekammer hervor. Verglichen mit den etwa 421.252 berufstätigen Ärztinnen und Ärzten ist diese Zahl klein: Gerade einmal etwa 2,1 Prozent waren arbeitslos gemeldet. Auch der Marburger Bund bezeichnet Arbeitslosigkeit als "Randphänomen".

Fakt ist: In kaum einem anderen akademischen Beruf sind die Berufsaussichten so gut. Wer als Arzt oder Ärztin einen Job sucht, kann sich in der Regel eine Stelle aussuchen. Für Bewerberinnen und Bewerber gilt: Nicht sie müssen die künftigen Arbeitgeber von sich überzeugen; die Kliniken versuchen stattdessen, Kandidatinnen und Kandidaten mit besonderen Benefits oder flexiblen Arbeitszeiten für sich einzunehmen. Wer nicht in einer Klinik arbeiten möchte oder keine passende Stelle findet, hat außerdem nach Abschluss der Facharzt-Weiterbildung die Möglichkeit, sich mit einer eigenen Praxis niederzulassen.

Arbeitslos als Arzt oder Ärztin: Wie kommt es dazu?

Aber warum gibt es trotzdem Ärztinnen und Ärzte, die sich arbeitslos melden? Die Agentur für Arbeit macht dafür die Diskrepanz zwischen den Arbeitssuchenden und den angebotenen Stellen verantwortlich: So gebe es vor allem in Großstädten verhältnismäßig viele arbeitslose Medizinerinnen und Mediziner, während vor allem im ländlichen Raum Stellen unbesetzt blieben.

Außerdem seien viele nur für einen kurzen Zeitraum arbeitslos gemeldet: Nach weniger als drei Monaten sei die Arbeitslosigkeit meist auch wieder beendet. Arbeitslosigkeit bei Ärztinnen und Ärzten tritt also oft in kurzen Such- und Orientierungsphasen ein – beispielsweise direkt nach dem Studium oder dann, wenn ein befristeter Arbeitsvertrag ausläuft. Gelegentlich kommt es auch vor, dass Ärztinnen und Ärzte ihren Job kündigen und sich eine neue Stelle suchen – beispielsweise weil sie mit dem Betriebsklima und dem Führungsstil ihres Vorgesetzten unzufrieden sind oder in eine andere Region umziehen wollen.

Vollbeschäftigung bei Ärztinnen und Ärzten

Konkret bedeutet das: Für das Jahr 2018 lag die Arbeitslosenquote für Ärztinnen und Ärzte bei nur 1,3 Prozent. Das gilt als Vollbeschäftigung: Denn es stehen grundsätzlich ausreichend offene Stellen zur Verfügung, um alle Arbeitssuchenden zu beschäftigen. Allerdings gibt es immer einige Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die ihre Stelle gerade wechseln und deshalb für eine kurze Zeit arbeitslos sind. Daher spricht man in den Wirtschaftswissenschaften schon ab einer Arbeitslosenquote von 2 Prozent von Vollbeschäftigung und nicht erst, wenn dieser Wert auf 0 Prozent sinkt.

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Von der Ärzteschwemme zum Ärztemangel

Von der guten Ausgangslage, von der Ärztinnen und Ärzte aktuell auf dem Arbeitsmarkt profitieren, konnten frühere Generationen allerdings nur träumen. Berüchtigt ist der Begriff der "Ärzteschwemme": Ab etwa 1982 gab es erstmals mehr Absolventinnen und Absolventen eines Medizinstudiums als offene Stellen. Den Höhepunkt erreichte die Arbeitslosigkeit im medizinischen Bereich 1997: Damals verzeichnete die Bundesanstalt für Arbeit 10.594 arbeitslos gemeldete Ärztinnen und Ärzte. Seit den späten 1990er Jahren stieg die Zahl der niedergelassenen und angestellten Ärztinnen und Ärzte stetig an, gleichzeitig ging die Arbeitslosigkeit immer weiter zurück. Zu Anfang des neuen Jahrtausends drehte sich der Arbeitsmarkt im medizinischen Bereich hin zu der Situation, die wir heute kennen: Seit 2002 wird von einem Ärztemangel gesprochen.

Arbeitslos als Arzt oder Ärztin: Was tun?

Wer als Arzt oder Ärztin seinen Job verliert oder aufgibt, muss sich bei der Agentur für Arbeit arbeitslos melden. Das ist die Voraussetzung, um Arbeitslosengeld I zu bekommen. Das Arbeitslosengeld wird aus er Arbeitslosenversicherung finanziert. Das bedeutet: Die Höhe und Dauer des Bezugs ist davon abhängig, wie lange Sie vorher in die Arbeitslosenversicherung eingezahlt haben und wie hoch das Brutto-Einkommen im letzten Job war. Arbeitslosengeld I bekommt, wer in den vergangenen 30 Monaten mindestens 12 Monate lang versicherungspflichtig beschäftigt war. Für Angestellte ist das in der Regel Pflicht, Selbstständige können sich freiwillig versichern. Das Arbeitslosengeld I liegt bei etwa 60 Prozent des letzten Netto-Gehalts. Für Eltern erhöht sich der Betrag auf 67 Prozent.

Wer jünger als 50 Jahre ist, bekommt maximal für 12 Monate Arbeitslosengeld I – dafür muss man aber mindestens 24 Monate lang versicherungspflichtig beschäftigt gewesen sein. Ab dem 50. Geburtstag steigt die Bezugsdauer schrittweise bis auf 24 Monate an.

Neben dem Arbeitslosengeld I übernimmt die Bundesagentur für Arbeit auch die Beiträge zum ärztlichen Versorgungswerk in Höhe des Pflichtbeitrags. Wer diesen Betrag freiwillig aufstocken will, um seine Rentenansprüche zu verbessern, muss das aus eigener Tasche tun.

Wer noch nicht lange genug in die Arbeitslosenversicherung eingezahlt hat, weil er oder sie sich z.B. direkt nach dem Studium arbeitslos meldet, hat keinen Anspruch auf Arbeitslosengeld I und bekommt vom Jobcenter Arbeitslosengeld II. Die Ärzteversorgung wird in diesem Fall auf "beitragsfrei" gestellt.

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Quellen: Bundeszentrale für politische Bildung, Bundesärztekammer, Agentur für Arbeit: "Blickpunkt Arbeitsmarkt: Akademikerinnen und Akademiker", Ärztliche Arbeitslosigkeit: Vom Fremdwort zum Langzeitproblem, in: Deutsches Ärzteblatt, 95. Jahrgang, Ausgabe 3, 16. Januar 1998.

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