Bewerben als Ärztin in der Schwangerschaft – ja oder nein?

29 Juli, 2024 - 07:15
Gerti Keller
Schwangere Frau im Bewerbungsgespräch

Oh weia: Endlich wird meine Traumstelle ausgeschrieben und da bin ich schwanger. Sollte ich mich dennoch bewerben? Und gelten die Mutterschutzrechte trotzdem, selbst wenn ich das im Vorstellungsgespräch verschweige? Jil Alison Grecu, Syndikusrechtsanwältin des Marburger Bundes Hessen, gibt Auskunft.

Frau Grecu, einmal ganz allgemein gefragt: Wenn ich schwanger bin – oder denke, ich könnte es sein – muss ich das bei der Bewerbung sagen?

Jil Alison Grecu: Nein. Sie sind zu keinem Zeitpunkt verpflichtet, eine Schwangerschaft bei der Bewerbung anzugeben. Das gilt natürlich auch für den Fall, dass diese noch in den ersten drei Monaten ist und nicht sicher Bestand hat.

Und wenn der Arbeitgeber danach fragt, darf ich dann lügen?

Jil Alison Grecu: Ja. Eine solche Frage ist rechtlich unzulässig und gilt als Eingriff in die Persönlichkeitsrechte. Daher dürfen Sie diese falsch beantworten, ohne juristische Konsequenzen befürchten zu müssen. Zwischenmenschliche Spannungen können natürlich eintreten.

Wenn die Schwangerschaft dann während der Probezeit „rauskommt“? Kann man mir jetzt deswegen kündigen?

Jil Alison Grecu: Nein, eine Kündigung aufgrund der Nichtoffenlegung einer Schwangerschaft ist nicht zulässig. Dies gilt auch für die Probezeit.

Habe ich also Kündigungsschutz während der Schwangerschaft?

Jil Alison Grecu: Der Kündigungsschutz greift ab Beginn der Schwangerschaft bis vier Monate nach der Entbindung. Einer schwangeren Mitarbeiterin kann nur in absoluten Ausnahmefällen gekündigt werden und dann auch nur mit Zustimmung der für den Arbeitsschutz zuständigen Landesbehörde. Wichtig: Wird Ihnen gekündigt, insbesondere in der Probezeit, ist es dringend erforderlich, dem Arbeitgeber die Schwangerschaft unverzüglich mitzuteilen. Dies muss spätestens zwei Wochen nach Erhalt einer Kündigung geschehen, damit die mutterschutzrechtlichen Regelungen und der besondere Kündigungsschutz greifen. 

Ist es empfehlenswert eine Schwangerschaft bei der Bewerbung zu verschweigen?

Jil Alison Grecu: Aus Erfahrung kann ich Ihnen nur raten: Sofern das noch möglich ist, also Ihre Schwangerschaft noch nicht offensichtlich erkennbar ist, sollten Sie Ihre Schwangerschaft im Bewerbungsgespräch lieber verschweigen und auf eine entsprechende Frage mit einer „Notlüge“ antworten.

Aber ist es überhaupt sinnvoll, sich in der Schwangerschaft zu bewerben? Oder ist es ratsamer, abzuwarten, bis das Kind auf der Welt ist? Was sind die Vorteile? Was eventuelle Nachteile?

Jil Alison Grecu: Es ist immer sinnvoller, sich während der Schwangerschaft zu bewerben. Die Vorteile sind zum einen das Diskriminierungsverbot, der besondere Kündigungsschutz, die Auszahlung von Mutterschutzlohn bei Beschäftigungsverboten und der Zuschuss zum Mutterschaftsgeld. Der Nachteil ist der eventuell ausgeübte soziale Druck durch Kollegen oder Vorgesetzte. Schließlich müssen sie für „die Neue“ ziemlich schnell Tätigkeiten mit übernehmen, wie Punktionen, OPs und auch Dienste. Im Einzelfall sollte man immer die konkrete Situation beleuchten und sich gegebenenfalls rechtlich beraten lassen.

Ist es vielleicht angesichts des Ärztemangels auch erfolgsversprechend, sich hochschwanger zu bewerben? 

Jil Alison Grecu: Ja, das ist grundsätzlich möglich, insbesondere in Berufen mit Fachkräftemangel, wie im medizinischen Bereich. 

Endet ein befristeter Arbeitsvertrag auch dann zu dem vereinbarten Datum, wenn ich während dieses Zeitraums schwanger werde?

Jil Alison Grecu: Ein befristeter Arbeitsvertrag endet grundsätzlich zum vereinbarten Datum. Eine Verlängerung aufgrund einer Schwangerschaft ist nicht automatisch vorgesehen. Es spielt allerdings eine Rolle, auf welcher Grundlage Ihr Arbeitsvertrag befristet ist. Befristungen nach dem Gesetz über befristete Arbeitsverhältnisse mit Ärzten in der Weiterbildung sowie nach dem Wissenschaftszeitvertragsgesetz bergen bestimmte Vorteile. Da geht es beispielsweise um die Vorlage von Anschlussverträgen oder automatische Verlängerungen, die bei Ausfallzeiten durch Elternzeit, Beschäftigungsverbot oder einer Teilzeittätigkeit zur Betreuung Ihrer Kinder greifen. Das muss im Einzelfall individuell beurteilt beziehungsweise rechtlich geprüft werden.

Wann muss ich meine Schwangerschaft ganz im Allgemeinen mitteilen?

Jil Alison Grecu: Sie sollten möglichst frühzeitig Ihren Arbeitgeber über Ihre Schwangerschaft und den voraussichtlichen Entbindungstag informieren. Verpflichtet sind Sie dazu allerdings nicht. Über den Zeitpunkt der Mitteilung können Sie selbst entscheiden. Soweit Sie die Schwangerschaft aber nicht oder nicht rechtzeitig mitteilen, kann sich dies nachteilig auswirken, insbesondere, weil möglicherweise erforderliche Schutzmaßnahmen nicht rechtzeitig ergriffen werden können.

Die Expertin:

Jil Alison Grecu

Jil Alison Grecu, Syndikusrechtsanwältin, Verbandsjuristin beim Marburger Bund Landesverband Hessen e.V.
Die Verbandsjuristinnen und Verbandsjuristen beim Marburger Bund Hessen stehen Ihnen bei vorliegender Mitgliedschaft bei Rückfragen gerne telefonisch oder per Mail: mail@mbhessen.de zur Verfügung.

Bild: © privat

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