Ein besonderer Arbeitsplatz: Taucharzt/Tauchärztin beim THW

24 August, 2022 - 07:41
Gerti Keller
Rettungstaucher THW
Bis zu 250 so genannte Bergungstaucher und -taucherinnen sind fürs THW unterwegs

Immer wieder finden sich im Dschungel der Stellenausschreibungen nicht-alltägliche Jobs. Was bedeutet es beispielsweise, wenn das Technische Hilfswerk (THW) eine/n Taucharzt/ärztin für den Hauptsitz in Bonn sucht? Was sind da die Aufgaben und muss man da auch „mit runter“?

Bis zu 250 so genannte Bergungstaucher und -taucherinnen sind künftig fürs THW unterwegs – und die haben mannigfaltige Aufgaben: „Unsere Tauchgruppen kommen meist bei Hochwasserlagen zum Einsatz. Sie helfen, Deiche zu sichern oder überprüfen die Stabilität von Brückenpfeilern“, erläutert Thorsten Tavernier, Referatsleiter Arbeitssicherheit und Gesundheitsschutz im THW. Doch auch wenn Schiffe havariert oder leckgeschlagen sind, ist ihr spezielles Know-how gefragt. „Dann muss zum Beispiel unter Wasser geschweißt werden, oder ein Trennschleifer ist nötig, um einen festgefahrenen Frachter wieder frei zu bekommen“, stellt der erfahrene THW’ler dar. Bergungstaucher/innen ziehen aber auch Unfallopfer aus untergegangenen Autos oder kümmern sich um Chemielaster, die von einer Brücke in einen Fluss gestürzt sind und das Wasser kontaminiert haben. Manchmal holen sie sogar Wertgegenstände hoch. Das passiert beispielsweise im Auftrag des Zolls, wenn etwa ein Tresor über Bord geworfen wurde, um Beweismittel zu beseitigen.

Bundeseinheitliche Standards entwickeln

Grundsätzlich sind diese Unterwasser-Helfenden ehrenamtlich tätig. „Sie ‚schwebten‘ aber bislang etwas im Freien, was das Reglement angeht. Jetzt sind bundeseinheitliche Standards für sie überall verfügt – sowohl was Ausstattung als auch die Ausbildung betrifft“, erklärt Tavernier. Und genau dafür sucht die THW-Leitung in Bonn gerade eine/n Taucharzt/-ärztin. Nötig sind Approbation, die Zusatzbezeichnung Notfallmedizin sowie wünschenswerterweise ein Tauchschein und die Qualifikation zum Taucharzt. „Die Qualifikation zum Taucharzt/Tauchärztin sowie den Tauchschein kann man während der Probezeit aber auch bei uns nachholen“, ergänzt Tavernier. Alle Fachrichtungen sind willkommen.

Doch was ist beim THW genau zu tun? Die Stellenausschreibung klingt nach reichlich Büroarbeit. „Stimmt“, sagt Tavernier und fügt hinzu: „aber mit großem Praxisanteil.“ Heißt: Der jeweilige Neuzugang soll sich vor allem um Grundlagenarbeit kümmern. Zu erstellen sind Dienstvorschriften, Gefährdungsbeurteilungen, Verfügungen sowie die Mitarbeit an Ausbildungsunterlagen. Auch die Schulung von Helfer/innen gehört zu den Aufgaben, damit diese bei einem Tauchunfall mehr als Erste Hilfe leisten können. Zudem soll der Taucharzt/die Tauchärztin ein Netzwerk bilden: Vertretung des THW auf Kongressen, Austausch mit Hilfsorganisationen oder anderen Behörden suchen und Kontakte herstellen, zum Beispiel zur Bundespolizei.

Von der Tauch- zur Allgemeinmedizin

Eine konkrete Aufgabe für den THW-Taucharzt/-ärztin in den ersten Monaten ist, die neue tauchmedizinische Ausstattung für die THW-Einsatzfahrzeuge der Fachgruppe Bergungstauchen zusammenzustellen. „Denn bei einem Notfall herbeigerufene Rettungswagen haben eine solche, falls es zu einem Tauchunfall kommt, nicht an Bord“, betont Tavernier. Und dieser Fall kann durchaus eintreten: „Unsere Tauchenden sind in Umgebungen unterwegs, die kritisch sein können, manchmal durch die reine Tiefe von bis zu 40 Metern. Ferner kann es zu Arbeitsunfällen kommen, wenn sich zum Beispiel eine Unterwasserkettensäge irgendwo verhakt“, skizziert er. Das Tätigkeitsfeld umfasst aber auch die Notfallmedizin, daher ist diese Zusatzbezeichnung notwendig. Denn die neue ärztliche Verstärkung wirkt nicht nur in der neuen Fachgruppe „Bergungstauchen“ mit, es gibt beim THW noch 15 weitere Fachgruppen. Diese kümmern sich zum Beispiel um Notinstandsetzung oder Räumen – und alle sollen bei Bedarf von ihm oder ihr medizinisch beraten werden.

Dabei bei geht es ebenso um kleine wie große Themen. Tavernier: „Bei Fukushima fragten wir uns, was muss in punkto Strahlenwerten beachtet werden, bei Ebola war es die beste Ausstattung, ähnlich wie jetzt bei Corona.“ Doch auch Punkte wie „Ist die Sanitätsausstattung im Einsatzfahrzeug noch passend für die Einsatzoptionen des THW?“ kommen auf den Tisch. Oder es müssen E-Mails von Helfern/Helferinnen beantwortet werden, wann man beispielsweise nach einer Corona-Infektion wieder tauchtauglich ist. Darüber hinaus gibt es kleine Anfragen von Fraktionen aus dem Bundestag, für deren Beantwortung Daten zusammengetragen werden müssen, zum Beispiel zur Arbeitssicherheit.

Freude an Technik

Bei all dem ist der Taucharzt/die Tauchärztin nicht allein. Er/sie hat seinen eigenen Bereich, einschließlich eines/r unterstützenden Sachbearbeiters/in. Im medizinischen Teilgebiet des Referats arbeitet zudem eine weitere Ärztin, die den betriebsärztlichen Teil abdeckt.

Und „vor die Tür“ geht es auch: „In speziellen Hochwasserlagen, wie der Ahr-Flut, hätte der oder die neue Kollegin unseren Einsatz sicherlich mitbegleitet, um die Einsatzleitung vor Ort zu beraten“, erläutert Tavernier. Selbst „mit runter“ müsse man nicht. Aber man darf, vor allem, wenn der Einsatz planbar ist, wie bei Tauchübungen. THW-Erfahrung oder ähnliches ist nicht erforderlich. Einsteiger werden mindestens ein halbes Jahr lang eingearbeitet, um „erstmal das Laufen im THW zu lernen“. Darüber hinaus gibt es diverse Lehrgänge, unter anderem, um die spezielle Technik kennenzulernen. „Das bekommen THW-Neulinge alles von uns beigebracht, auch damit sie wissen, um welche Herausforderungen es geht. Man hat bei uns einfach viel mit schwerem Gerät zu tun und sollte Spaß an der Thematik haben“, schildert der Referatsleiter.

Auf Augenhöhe mit Helferinnen und Helfern

Das Gehalt liegt bei einer 14er Stelle im Öffentlichen Dienst, eine Übernahme ins Beamtenverhältnis ist möglich. Denn die Zivil- und Katastrophenschutzorganisation ist eine Bundesbehörde. Für offizielle Termine, zum Beispiel bei Forschungsinstituten oder Ministerien, ist Dienstkleidung Pflicht. Zudem bekommt man einen Einsatzanzug. Es gibt Gleitzeit, die Rahmenarbeitszeit liegt zwischen 6 und 20 Uhr. Derzeit wird Homeoffice erprobt, sodass bei einer Vollzeitstelle bis zu drei Tage pro Woche im Homeoffice oder mobil gearbeitet werden können.

Während Großschadenslagen sollte man sich selbstverständlich für Dienste außerhalb der üblichen Arbeitszeiten bereithalten. Und ab und an wird auch ein Wochenenddienst fällig. So trifft sich die Facharbeitsgemeinschaft „Tauchen“ – Beratungsgremium Ehrenamt – alle sechs Monate. Generell empfiehlt es sich, eine „gewisse Geselligkeit“ mitzubringen. Denn bei THW-Sitzungen kommt es vor, dass lange Arbeitstreffen bei einem gemütlichen Beisammensein ausklingen. Überhaupt ist eine Affinität zu den ehrenamtlichen Helfenden gefordert, denen man „auf Augenhöhe“ begegnen sollte. Schließlich lebt das THW vom freiwilligen Engagement. Bundesweit sind mehr als 80.000 Ehrenamtler aktiv, neben rund 2.500 hauptamtlich Beschäftigten. „Wir haben überall Einheiten mit denen der neue Kollege/die neue Kollegin zusammenkommt. Das ist wie eine große Familie“, beschreibt Tavernier.

12.04.2024, Landkreis Passau Gesundheitseinrichtungen - Krankenhaus VILSHOFEN
Vilshofen an der Donau
12.04.2024, Bayerische Bereitschaftspolizei
München

Möglich sind zudem weitere Aufgaben. So kann er oder sie das THW auch mit Vorträgen vertreten oder die rund 5.000 THW-Jugendlichen beim 14-tägigen Bundesjugendlager, das regulär alle drei Jahre stattfindet, medizinisch betreuen. „Das ist aber kein Muss, manche Dienstleistungen können wir auch einkaufen“, betont Tavernier. Auf jeden Fall sollte der Blick „über den Tellerrand“ reichen: Die THW-Taucher und -Taucherinnen sind im In- und Ausland unterwegs, ebenso wie ehrenamtliche Ärzte und Ärztinnen. „Wir haben die sogenannten ‚Schnellen Einsatzeinheiten Ausland‘ für die Bereiche Bergung und Trinkwasser. Die sitzen innerhalb von wenigen Stunden im Flugzeug und können weltweit eingesetzt werden“, informiert der Bonner. Diese Kollegen würde man ebenfalls mitbetreuen – und könne sie gegebenenfalls auch begleiten. „Man muss nicht mit nach Mosambik, aber wenn unser neuer Taucharzt/Tauchärztin sagt ‚ich möchte gerne in die Auslandseinheit aufgenommen werden‘, wird das gefördert.“ Mitfliegen funktioniert nur nicht ad hoc, zuvor müssen unter anderem bestimmte Lehrgänge absolviert werden.

Anpackende gesucht

„Das Thema Tauchmedizin muss vor allem strategisch vorangebracht werden“, so Tavernier und fasst zusammen: „Da die Stelle ganz neu ist, braucht es Eigeninitiative, dafür gibts aber viel Spielraum. Die neue medizinische Verstärkung muss etwas voranbringen wollen, Verwaltung mögen, gern diskutieren und Konzepte auch gegenüber Gremien verteidigen können. Er oder sie sollte auch eine gewisse Verbundenheit zum Ehrenamt mitbringen und Spaß am Einsatzgeschehen haben. Es geht nicht ums Tauchen auf den Malediven. Wir brauchen jemanden, der anpacken kann, bildlich ausgedrückt: Man muss THW-Blut lecken.“

Weitere Infos: www.thw.de   

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