Gerade auch in Stresszeiten: So erhöhen Vorgesetzte die Motivation in der Klinik

15 September, 2022 - 07:53
Gerti Keller
Arzt und Ärztin im Krankenhaus, fröhlich und motiviert

Vom einfachen Danke über regelmäßige Infos zu Arbeitsspitzen bis hin zu gemeinsamen Events: Ober- und Chefärzte können viel tun, um die Motivation ihrer Teams zu fördern. Doch leider gehen Lob & Co. in der Hektik oft unter, obwohl dies gerade angesichts dünner Personaldecken immer wichtiger wird. Dr. Thomas Meis und die Klinikberaterin Andrea Lehwald nennen Alarmzeichen und konkrete Verbesserungsvorschläge.  

„Wo immer nur Gas gegeben werden muss, ist vordergründig auch weniger Zeit für Anerkennung da. Das wird häufig einfach vergessen, kann aber eine Negativspirale in Gang setzen“, warnt Andrea Lehwald. Die ersten Anzeichen für nachlassende Motivation der Mannschaft sind: „Mitarbeitende in der Pflege, aber auch in der Ärzteschaft sind dann häufig nicht mehr so engagiert. Sie machen nicht mehr so viel von sich aus, übernehmen keine Zusatzaufgaben mehr, sondern versuchen eher Dienst nach Vorschrift zu leisten“, schildert Lehwald.

Darunter kann als Folge die Zusammenarbeit zwischen Abteilungen, Ärzten und Pflegepersonal leiden. Kein kleines Problem, denn: „Gerade bei Untersuchungen, Eingriffen und allen Tätigkeiten, die im Teamwork von Arzt und Pflege am Patienten vorgenommen werden, ist es enorm wichtig, dass die Arbeitsabläufe Hand in Hand funktionieren“, beschreibt die Klinikfachberaterin.

Zudem wird im Stress schnell auch mal ein unfreundliches Wort gesagt. Und ist der Unmut erst einmal da, wirkt er hochansteckend: „Schlechte Stimmung schlägt Wellen. Das verbreitet sich enorm schnell im Team, sodass dann bald alle der Meinung sind, dass das hier nicht so toll läuft“, betont Lehwald. Neben nachlassendem Engagement kommt es als nächste Stufe zu häufigeren Krankmeldungen, ein echtes Alarmzeichen. Am Ende drohen regelrechte Kündigungswellen. „Das kann man wirklich beobachten, gerade auch im ärztlichen Bereich. Wenn die ersten Kündigungen eingehen, zieht das oft noch mehr hinterher“, so die ehemalige Fachkrankenschwester.

Seismograph für schlechte Stimmung

Doch auch angesichts straffer Arbeitszeiten mit hohem Patientenaufkommen muss eine solche Unzufriedenheit nicht automatisch hochkochen. Um „Sand im Getriebe“ schnell zu erkennen und gegenzusteuern, empfiehlt sich, regelmäßige Gespräche mit einem kleineren Kreis zu führen und frühzeitig Lösungsansätze zu erarbeiten. Bei Arbeitsspitzen gilt generell: „Es ist wichtig, die Situation offen anzusprechen, am besten sogar im Vorfeld, indem man als Vorgesetzter sagt ‚ich weiß, es ist gerade sehr viel zu tun und wir haben Lücken‘“, erläutert Dr. Meis, der als langjährig erfahrener Oberarzt die Problematik aus eigener Erfahrung gut kennt.

Er schildert: „Meist passiert aber genau das Gegenteil. Oft muss ein Arzt zehn bis zwölf Bereitschaftsdienste im Monat übernehmen – und schläft dann im Grunde im Krankenhaus. Das wird einfach als Selbstverständlichkeit vorausgesetzt, schlichtweg weil niemand anders da ist.“ Gerade in solchen Phasen sei es aber enorm wichtig, der Belegschaft zu zeigen, dass sie gesehen wird. Meis: „Vorgesetzte müssen erkennen, was ihre Mitarbeitenden zu leisten bereit sind und dies auch kommunizieren. Heißt: Man muss als Chef auch mal sagen, ‚ich weiß, dass du schon wieder einspringst‘.“
Genauso essenziell ist aber auch die Mannschaft auf dem Laufenden zu halten, wie es weiter gehen soll.

„Kommunizieren Sie, dass das kein Dauerzustand werden soll und dass mit Hochdruck daran gearbeitet wird, die Kollegen möglichst bald wieder zu entlasten“, rät Meis. Natürlich nur, falls das so ist. Darüber, wie das geschehen soll, ob und wann Überstunden wieder reduziert werden können, müsse ebenfalls informiert werden. 

Kommunikation auf allen Ebenen

Simpel, aber sehr effektiv ist außerdem: Vorgesetzte sollten Interesse für ihre Mitarbeitenden zeigen. „Erfragen Sie im Mitarbeitergespräch nicht nur, wo Ihre Leute karrieremäßig hinmöchten, sondern berücksichtigen Sie aktiv Fort- und Weiterbildungsmöglichkeiten“, rät Lehwald und ergänzt: „Mindestens genauso hilfreich ist: Wechseln Sie hin und wieder ein persönliches Wort miteinander, erkundigen Sie sich nach dem persönlichen Befinden Ihrer Leute.“ Oft reicht es für eine bessere Stimmung schon, wenn Vorgesetzte ein kurzes freundliches Gespräch mit den Mitarbeitenden führen.

Ein weiterer entscheidender Punkt ist eine gute Kommunikation zwischen der medizinischen Abteilung und der Geschäftsführung. Denn oft werden Entscheidungen von oben allein getroffen und Ärzteteams und Pflegepersonal dann vor vollendete Tatsachen gestellt, was gleichfalls frustriert. Ebenso sind regelmäßige Gespräche zwischen Chef- und Oberärztinnen und -ärzten mit den jeweiligen Stationsleitungen der Pflege unerlässlich.

Keine leeren Versprechungen

Zu einer positiven Arbeitsplatzkultur gehören natürlich auch gute Rahmenbedingungen wie flexible, familienfreundliche Arbeitszeitmodelle, mehr Teilzeitstellen sowie die Kostenübernahme von Facharztqualifikationen. „Schauen Sie, was darüber hinaus noch machbar ist. Neben Feedbackgesprächen und Weiterbildungen gibt es auch Krankenhäuser, die Sommerfeste, Sportevents oder Abteilungsessen veranstalten“, sagt Lehwald.

All dies lohnt sich, denn Mitarbeiterbindung ist heutzutage genauso wichtig wie deren Gewinnung. „Es hilft Ihnen nicht, neue Mitarbeiter reinzuholen, wenn die alten durch die Hintertür hinauslaufen“, erklärt die Fachfrau. Für beides müssen Kliniken allerdings aktiv etwas tun, denn leere Versprechen machen in Zeiten von Bewertungsportalen schnell die Runde. Und Dr. Meis fügt hinzu: „Motivierte Ärztinnen und Ärzte sind nicht zuletzt fürs Patientengespräch unerlässlich. Die meisten Menschen sind im Krankenhaus ängstlich und unsicher. Wer krank ist, setzt auf Vertrauen und legt unter Umständen sein Leben in die Hand eines Arztes. Daher ist es sehr wichtig, dass dieser dafür auch die nötige Motivation ausstrahlt.“

Und das Wichtigste, um ein gutes Betriebsklima zu schaffen und Fluktuation zu vermeiden, gibt’s dabei fast umsonst: „Hin und wieder mal ein anerkennendes Wort, gerade auch in Stresszeiten, ist Gold wert. Das reicht zwar längst nicht aus, ist aber wenigstens ein guter Anfang in Richtung mehr Wertschätzung“, so Lehwald.

Die Expertin

Andrea Lehwald

Andrea Lehwald ist gelernte Fachkrankenschwester für Anästhesie und Intensivpflege. Heute berät und unterstützt sie Krankenhäuser, Pflegeeinrichtungen und andere Organisationen des Gesundheitswesens im Bereich Mitarbeitergewinnung und -bindung. Mehr Infos: www.andrea-lehwald.de

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Der Experte

Dr. Thomas Meis

Dr. Thomas Meis ist Facharzt für Anästhesie, Notfallmediziner, Palliativmediziner und Schmerztherapeut. Er arbeitete 17 Jahre als Oberarzt in einem Krankenhaus im Ruhrgebiet.

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