Gewalt gegen Ärztinnen und Ärzte

28 April, 2022 - 07:44
Miriam Mirza
Patient schlägt Ärztin

Wenn Patientinnen und Patienten gewalttätig werden und Medizinerinnen und Mediziner bedrohen, angreifen und verletzen, wird damit eine rote Linie überschritten. Diese Grenzüberschreitungen gab es zwar schon in der Vergangenheit, aber in den letzten Jahren haben sie zugenommen – zum Teil getrieben durch Corona, beispielsweise von Impfgegnerinnen und -gegnern.

Angriffe auf Ärztinnen und Ärzte hat es schon immer gegeben, doch seit Beginn der Pandemie sind sie mehr geworden. Es gibt Bedrohungen über das Internet, über das Handy, in Briefform oder ganz direkt. Jeder Arzt oder jede Ärztin, der bzw. die sich öffentlich für Impfungen einsetzt, macht sich zur Zielscheibe. Das Bundeskriminalamt (BKA) redet im Zusammenhang mit Impfgegnerinnen und -gegnern sowie Coronaleugnerinnen und -leugnern inzwischen von einem relevanten Risiko im Rahmen tätlicher und verbaler Angriffe auf Impfzentren und andere Einrichtungen des Gesundheitswesens. Für das „dort tätige Personal besteht die Gefahr, zumindest verbalen Anfeindungen bis hin zu Straftaten wie etwa Körperverletzung ausgesetzt zu sein“, heißt es in einer BKA-Erklärung. In den meisten Fällen verzeichne man überwiegend verbale Anfeindungen, in wenigen Fällen jedoch auch körperliche Übergriffe. Das Problem: Bisher fehlen genaue Zahlen.

Fehlende belastbare Zahlen

Auch die Bundesärztekammer (BÄK) führt keine Statistik über Gewalt und Aggressionen gegenüber Medizinerinnen und Medizinern. „Wir verzeichnen aber ein zunehmendes Interesse bei Ärztinnen und Ärzten für Fortbildungsveranstaltungen der Ärztekammern, die Gewaltprävention zum Inhalt haben“, heißt es auf Nachfragen von „Ärztestellen“ vonseiten der BÄK.

Zwar gibt es keine belastbaren Zahlen, jedoch registriert die Ärztevertretung, dass impfende Ärztinnen und Ärzte sowie anderes medizinisches Personal im Zuge der Corona-Impfkampagne bedroht, beschimpft oder sogar tätlich angegriffen werden. Häufig passieren solche Zwischenfälle, wenn die Betroffenen Patientinnen und Patienten darauf hinweisen, die Coronaregeln einzuhalten, oder nach dem Impfstatus fragen. Mitunter sei sogar Polizeischutz für Praxisteams erforderlich und auch in den Notfallambulanzen komme es immer wieder zu Übergriffen auf das Personal, beklagt man bei der BÄK.

Um endlich aussagefähige Zahlen und Informationen über die Formen der ausgeübten Gewalt zu erhalten, versuchen einzelne Ärztekammern, Meldesysteme aufzubauen. Die Landesärztekammer Hessen entwickelte beispielsweise im Frühjahr 2019 den Meldebogen „Gewalt gegen Ärztinnen und Ärzte und Team“. Ärztinnen und Ärzte können darüber Vorfälle melden, die im Zuge ihrer ärztlichen Tätigkeit passiert sind. Die erhobenen Informationen werden anonymisiert und statistisch ausgewertet.

Gesellschaft muss Gewalt ächten

Die Entwicklung hat besorgniserregende Folgen: Die zunehmende verbale und körperliche Gewalt führt bei Betroffenen zu Unsicherheit und Angst. Das wiederum wirkt sich negativ auf eine vertrauensvolle Arzt-Patient-Beziehung aus. Auch die Medizinerinnen und Mediziner selbst bemerken Veränderungen im eigenen Verhalten. Das zeigt eine Untersuchung der Hochschule Fulda (Studie „GINA – Gewalt in der Notaufnahme“ der Hochschule Fulda) schon im Jahr 2018, bei der ein interdisziplinäres Forschungsteam 354 Beschäftigte in 51 hessischen Notaufnahmen zu psychischen, physischen und sexualisierten Gewaltereignissen befragte. Das Ergebnis: Gewalterlebnisse haben langfristige Folgen. Die bei den Befragten am häufigsten genannten Reaktionen waren Gereiztheit (43,7 Prozent), gedrückte Stimmung (36,2 Prozent), Abstumpfung (34,4 Prozent), Verlust der Freude am Beruf (32,1 Prozent) und der Wunsch nach einem Berufswechsel (26,5 Prozent).

12.04.2024, Landkreis Passau Gesundheitseinrichtungen - Krankenhaus VILSHOFEN
Vilshofen an der Donau

Inzwischen haben auch offizielle Stellen reagiert. So wurde das Strafrecht verschärft, sodass Gewalt gegen Ärztinnen und Ärzte sowie Angehörige anderer Gesundheitsberufe wirkungsvoller sanktioniert werden kann. Hinzu kommt, dass die Ärztekammern eine Vielzahl an Beratungs- und Fortbildungsangeboten für Medizinerinnen und Mediziner sowie Medizinische Fachangestellte eingerichtet haben. „Das sind gute Ansätze, der Entwicklung entgegenzuwirken; doch das reicht nicht. Wir brauchen eine klare gesellschaftliche Ächtung von Aggression und Gewalt gegen Menschen, die anderen Hilfe zukommen lassen“, fordern die Verantwortlichen bei der BÄK.

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