In zahlreichen Krankenhäuser steht ein Generationswechsel und damit ein Nachwuchsproblem auf der Führungsebene an: Die altgediente Chefarztriege geht in Rente und die nachkommenden Ärztinnen und Ärzte sind nicht mehr bereit, sich die Arbeitsbelastung und die mit dem Job verbundene Verantwortung anzutun. Die Folge: Krankenhäuser können frei werdende Posten nicht einfach neu besetzen. Eine Lösung scheint zu sein, die Positionen im Jobsharing anzubieten.
Chefärztin oder Chefarzt? Nein danke!
Früher war die Chefarztposition die Krönung der Karriere einer Ärztin oder eines Arztes im Krankenhaus – war sie doch auch Ausdruck eines langen und manchmal steinigen Berufswegs. Immerhin lagen dann in der Regel ein langes Medizinstudium, je nach Fachrichtung, eine fünf bis sechs Jahre währende Weiterbildung und eine Phase des „Sich-die-Sporen-Verdienens“ über die Arbeit als Stationsärztin und -arzt und später als Oberärztin und -arzt hinter den Medizinerinnen und Medizinern.
Doch der vormals begehrte Posten hat an Attraktivität verloren. Bereits im Jahr 2020 zeigte eine Umfrage von Rochus Mummert unter Universitätsärztinnen und -ärzten, dass nur noch 14 Prozent der befragten Oberärztinnen und Oberärzte noch die klassische Chefarztkarriere anstreben. Lediglich 22 Prozent wollten in der aktuell leitenden Position verbleiben.
Warum wird die Chefarztposition unattraktiver? Dafür gibt es verschiedene Gründe. Auf der einen Seite sind die finanziellen Anreize nicht mehr so hoch wie früher. Heutzutage verdienen Ärztinnen und Ärzte mehr und der Gehaltssprung von der Oberarzt- zur Chefarztposition ist geschrumpft. Hinzu kommt, dass die junge Generation stärker auf eine Work-Life-Balance achtet und die mit der Führungsposition verbundene Verantwortung nicht mehr übernehmen möchte. Nicht zuletzt ist die medizinische Tätigkeit inzwischen weiblich dominiert. Und obwohl sich in den letzten Jahren viel getan hat, sind es in der Mehrzahl immer noch die Frauen, die sich um die Betreuung der Kinder kümmern und daher ihren Beruf mit der Familie in Einklang bringen müssen.
Jobsharing wird immer beliebter
Dass sich auch in den Führungspositionen durchsetzt, ist nur logisch, immerhin gibt es seit Jahren einen starken Trend zu mehr Teilzeitarbeit bei Medizinerinnen und Medizinern. Laut Angaben der Kassenärztlichen Bundesvereinigung ist die Anzahl der in Teilzeit tätigen Ärztinnen, Ärzte, Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten im Jahr 2020 im Vergleich zum Vorjahr von 44.370 auf 48.728 gestiegen (+ 4.358; + 9,8 Prozent). Seit dem Jahr 2010 hat sich dieser Wert von damals noch 8.445 mehr als verfünffacht. Damit ist heute bereits mehr als jede vierte Ärztin bzw. jeder vierte Arzt oder Psychotherapeutin /-therapeut in Teilzeit beschäftigt.
Früher wären Teilzeit-Modelle in Führungspositionen undenkbar gewesen. Doch inzwischen setzen sie sich immer mehr durch – und das nicht nur zum Vorteil der Frauen, auch Männer teilen sich Chefarztpositionen.
Beispiele für Jobsharing in der Chefarztposition
Evangelische Elisabeth Klinik in Berlin
In der Evangelischen Elisabeth Klinik in Berlin teilen sich die Ärztinnen Dr. Angelika Behrens und Dr. Vera Stiehr den Chefarztsessel für Innere Medizin. Beworben hatten sich die beiden Oberärztinnen im Jahr 2017 gemeinsam um die Position.
Sana-Krankenhaus Templin
Das Sana-Krankenhaus Templin hat kürzlich das erste Mal hat das erste Mal zwei Chefärzte als Doppelspitze für seine Innere Medizin berufen. Dr. Jan Kreutzkamp und Ole Gebbensleben werden sich die Position teilen und setzen auf eine Führung im Kollegialsystem.
Asklepios Klinik Wandsbek
Die Asklepios Klinik Wandsbek hat gleich drei Chefärztinnen, die sich die Führung der Gynäkologie teilen. Anna Jacob, Setareh Huschi und Dr. Simone Klüber hatten sich 2021 als Dreierteam beworben und die Stelle bekommen. Jede der Ärztinnen bringt eine eigene Expertise mit: Jacob in der Onkologie, Huschi in der Urogynäkologie und Klüber in der Dysplasie.
Viele Vorteile für alle
Das Jobsharing hat viele Vorteile: Die Führungskräfte können ihre Familie mit der Karriere besser vereinbaren. Zudem ist die geteilte Verantwortung weniger belastend. Müssen einmal andere Termine wahrgenommen werden, hält die Kollegin oder der Kollege den Rücken frei. Auch im Krankheitsfall und bei Urlauben kann man füreinander einspringen. Für das Krankenhaus und die anderen Mitarbeitenden ist immer jemand verfügbar. Gleichzeitig kann das Modell auch als eine Art Qualitätskontrolle wirken, denn die Führungskräfte tauschen sich aus, können gegenseitig Rat einholen und müssen Entscheidungen auch auf gewisse Weise voreinander rechtfertigen.
Nicht zuletzt kann das Krankenhaus mit dem Jobsharing-Modell als Vorbild dienen und bei jungen Ärztinnen und Ärzten punkten. Denn Kliniken, die moderne Arbeitsmodelle möglich machen, können sich so als moderne Arbeitgeber präsentieren und zeigen, dass Jobsharing auch auf der Führungsebene möglich ist.