PD Dr. Linneweber: „Fasziniert bin ich von neuen Errungenschaften in der Medizintechnik!“

18 August, 2022 - 07:04
Dr. Sabine Glöser
Köpfe und Karriere: PD Dr. Jörg Linneweber
Priv.-Doz. Dr. med. Jörg Linneweber ist seit 1. April 2022 Chefarzt der Klinik für Gefäßchirurgie und Endovaskuläre Chirurgie am Helios Klinikum Emil von Behring in Berlin.

Über wichtige Erfahrungen, gewonnene Einsichten und ausgefallene Wünsche spricht aerztestellen.de mit erfolgreichen Ärztinnen und Ärzten. Dieses Mal stellt sich Priv.-Doz. Dr. med. Jörg Linneweber unseren Fragen. Er ist seit 1. April 2022 Chefarzt der Klinik für Gefäßchirurgie und Endovaskuläre Chirurgie am Helios Klinikum Emil von Behring in Berlin.

Herr Dr. Linneweber, warum eigentlich haben Sie sich auf die Gefäßchirurgie spezialisiert?

PD Dr. Jörg Linneweber: Das ist eine gute Frage, schließlich hatte ich mehr als 14 Jahre meinen beruflichen Schwerpunkt in der Herzchirurgie, ein Fachgebiet, das ich nach wie vor hoch interessant und spannend finde. Allerdings liegt die Zukunft der chirurgischen Fächer in der minimalinvasiven Chirurgie und den endovaskulären Verfahren. Wenn ich heute sehe, dass wir eine unkomplizierte, endovaskuläre Ausschaltung eines Aortenaneurysmas innerhalb von 90 Minuten und nahezu ohne Blutverlust vornehmen können, fasziniert mich das jedes Mal aufs Neue!

Was ist für Sie unabdingbar, damit Sie gut arbeiten können?

PD Dr. Jörg Linneweber: Ganz klar: ein gutes Team! Als Einzelspieler klappt es in der Kardio- und vaskulären Chirurgie, in denen es oftmals auch prekäre Situationen gibt, einfach nicht. Schaut man allein auf das Zusammenspiel zwischen Chirurgie, Anästhesie und Intensivmedizin, wird klar, dass man schwierige Situationen in einer Mannschaft besser beherrscht. Wenn die Mitspielenden dann auch noch persönlich gut zusammenpassen und alle am Ende gemeinsam Spaß haben, fühle ich mich am wohlsten.

Wie lautet der beste Rat, den Sie auf Ihrem Karriereweg bekommen haben?

PD Dr. Jörg Linneweber: Ich verbrachte mehrere Jahre am Michael E. DeBakey Department of Cardiovascular Surgery in Houston, Texas. Dr. DeBakey, Ur-Vater der kardiovaskulären Chirurgie, war zu dem Zeitpunkt trotz seines Alters von 80 Jahren formal noch mein Chef. Wir entwickelten damals ein Kunstherz, das auch seinen Namen trug. Einmal präsentierten wir ihm einen komplexen, technischen und medizinischen Lösungsansatz. Seine Reaktion war ein ernüchterndes: „Guys, keep things simple!“ Diesen Satz lernte ich mit der Zeit auch in chirurgischen Situationen zu schätzen. Man kann komplexe, hoch komplizierte und damit auch prestigereiche Verfahren wählen. Was aber am Ende zählt, ist ein zuverlässiges und langlebiges Ergebnis für den Patienten. Dies sollte man nicht aus den Augen verlieren.

Was schätzen Sie an anderen Menschen am meisten?

PD Dr. Jörg Linneweber: Im Berufsleben schätze ich sicherlich Verbindlichkeit und mitunter etwas Bescheidenheit und Demut. Verbindlichkeit ist meines Erachtens die Grundlage für eine gute und langfristige Zusammenarbeit und zwingende Voraussetzung für einen fairen Umgang miteinander. Zugesagtes einzuhalten, auch mal gegen Widerstände, halte ich für eine wichtige Tugend, gerade auch in einer Führungsposition. Und Demut: Manchmal ist es gut, sich in einer Leitungsposition selbst nicht so wichtig zu nehmen und zu erkennen, dass die herausgehobene Position vor allem dem Amt geschuldet ist und nicht zwingend der eigenen Person gebührt. Ich schätze es daher sehr, wenn jemand auch über sich selbst und seine Abteilung lachen kann, insbesondere dann, wenn Dinge noch dümmer gelaufen sind, als man sie sich hat vorstellen können.

Was treibt Sie an?

PD Dr. Jörg Linneweber: Ich muss gestehen, dass ich manchmal gern ein fauler Mensch bin. Mir müssen Dinge schon Spaß machen, damit ich erfolgreich Ziele verfolge und erreiche. Fasziniert bin ich immer wieder von neuen technischen Errungenschaften in der Medizintechnik. Daran mitzuwirken, das macht mir Spaß und treibt mich an.

Mit wem würden Sie gern einmal einen Abend verbringen?

PD Dr. Jörg Linneweber: Ich hätte gern einen Abend mit Loriot verbracht.

Was raten Sie jungen Ärztinnen und Ärzten?

PD Dr. Jörg Linneweber: Die ersten Ausbildungsjahre können bisweilen sehr zäh und langwierig sein. Das gilt ganz sicher für die Kardio- und vaskuläre Chirurgie, aber vermutlich auch für viele andere Fächer. Ich empfehle, mitunter eine längere Frustrationszeit auszuhalten und an seinen Zielen festzuhalten.

Wie gelingt Ihnen eine gesunde Work-Life-Balance?

PD Dr. Jörg Linneweber: Ich habe in meinem Berufsleben viele Menschen getroffen, die ausschließlich für ihren Beruf gelebt haben. Spätestens als sie das Rentenalter erreicht hatten, wurde es für sie sehr, sehr schwierig. Ich empfehle daher jedem, mindestens ein, zwei weitere große Interessen im Leben zu haben, die ablenken, Spaß machen und im Idealfall auch noch etwas Selbstbestätigung oder Wertschätzung bieten. Für mich ist das der Sport.

Woran mangelt es dem deutschen Gesundheitssystem?

PD Dr. Jörg Linneweber: Ich sehe eine große Diskrepanz zwischen Hightech-Medizin auf der einen und der Versorgungsrealität auf der anderen Seite. Die Versorgungsforschung wird sicherlich noch einen großen Stellenwert bekommen. Eine große Herausforderung ist, die Informations- und Versorgungskette zwischen ambulantem und stationärem Sektor aufrecht zu erhalten.

Wann sind Sie glücklich?

PD Dr. Jörg Linneweber: Wenn ich in meinem Schwimmverein draußen eine 50-Meter-Bahn habe und die Sonne scheint.

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