Facharzt-Weiterbildung Gefäßchirurgie: Dauer, Inhalte, Berufsperspektiven

24 Mai, 2023 - 07:49
Lukas Hoffmann / Stefanie Hanke
Chirurg operiert Beine eines Patienten, Gefäßchirurgie

Fachärztinnen und Fachärzte für Gefäßchirurgie sind zuständig für Operationen an den Blutgefäßen. Aber wie läuft die Facharzt-Weiterbildung in der Gefäßchirurgie genau ab? Wie lange dauert sie und wie viele Gefäßchirurgen gibt es in Deutschland? Das erfahren Sie im Beitrag.

Auf einen Blick: Weiterbildung (Facharztausbildung) Gefäßchirurgie:

  • Definition: Die Gefäßchirurgie ist ein Teilgebiet der Chirurgie, das sich mit den den Arterien, Venen und Lymphgefäßen beschäftigt. Dazu gehören die Diagnose, operative Behandlung und Nachsorge von Gefäßkrankheiten und -verletzungen.
  • Dauer: Die Facharzt-Weiterbildung in der Gefäßchirurgie dauert 72 Monate. Davon müssen jeweils 6 Monate in der Notfallaufnahme und in der Intensivmedizin abgeleistet werden. Bis zu 12 Monate können in anderen Fachgebieten erfolgen.
  • Anzahl der Fachärzte: In Deutschland gibt es 1.722 Fachärzte für Gefäßchirurgie. Davon sind 1.670 berufstätig. 226 davon arbeiten ambulant in einer Praxis, 1.410 stationär in einer Klinik.

Ohne die Blutgefäße läuft nichts im menschlichen Körper: Mit jedem Herzschlag wird sauerstoffreiches Blut durch die Arterien zu den Organen gepumpt, das sauerstoffarme Blut fließt durch die Venen wieder zurück in den Lungenkreislauf. Ist dieses System gestört, kommen häufig Fachärzte und Fachärztinnen für Gefäßchirurgie zum Einsatz. Sie diagnostizieren und behandeln Krankheitsbilder wie Krampfadern, Thrombosen oder eine Verengung der Halsschlagader.

Fachärztinnen und Fachärzte für Gefäßchirurgie bekommen es dabei sowohl mit großen Rohrprothesen für die Hauptschlagadern in Brust und Bauch, als auch mit kleinsten Bypässen am Fuß zu tun. Speziell für die feinen Blutgefäße ist eine präzise Nahttechnik wichtig. Eine wichtige Rolle spielt außerdem die endovaskuläre Chirurgie: Wenn sich Gefäße nur in einem kleinen Bereich verengt haben, können sie minimalinvasiv mit einem Katheter aufgedehnt werden.

Gefäßchirurgie gewinnt in einer alternden Gesellschaft immer mehr an Bedeutung

Die Gefäßchirurgie ist ein Fachgebiet, das in der alternden Gesellschaft immer wichtiger wird. Denn mit steigendem Alter werden beispielsweise die Arterienwände immer steifer. Außerdem bilden bilden sich Ablagerungen, die zu einer Gefäßverengung oder einem Gefäßverschluss führen können. Folgen können Durchblutungsstörungen in verschiedenen Organen oder sogar ein Schlaganfall sein.

Doch auch Venen können sich im Laufe der Zeit verändern. Weiten sie sich auf, wird der Rückfluss des Blutes zum Herzen gestört. Dadurch können beispielsweise Krampfadern entstehen. Und auch chronische Wunden, die trotz angemessener Versorgung nach sechs Wochen oder mehr immer noch nicht verheilt sind, fallen in das Aufgabengebiet der Gefäßchirurgen. Eine Ausnahme gibt es allerdings: Die Chirurgie der Herzkranzgefäße gehört traditionell in den Bereich der Herzchirurgie.

Enge Zusammenarbeit mit Kardiolgen und Internisten

Als Gefäßchirurg oder -chirurgin arbeitet man in der Klinik besonders eng mit Kolleginnen und Kollegen aus den Bereichen Innere Medizin und Kardiologie und Herzchirurgie zusammen. Da auch viele Diabetes-Patienten Gefäßerkrankungen wie beispielsweise das diabetische Fuß-Syndrom entwickeln, gibt es außerdem einen regen Austausch mit der Abteilung Innere Medizin und Endokrinologie / Diabetologie sowie mit Allgemeinmedizinern, die ebenfalls Diabetes-Patienten betreuen. In der Niederlassung arbeiten dabei nur wenige Gefäßchirurgen und -chirurginnen. Die meisten bleiben ihr gesamtes Arbeitsleben in der Klinik.

Weiterbildung startet mit "Common Trunk"

Wer Facharzt oder Fachärztin im Bereich Gefäßchirurgie werden möchte, startet zunächst mit dem so genannte "Common Trunk". Dabei handelt es sich um die zweijährige Basis-Weiterbildung in der Klinik, die für alle chirurgischen Fachrichtungen gleich ist. Erst danach werden die fachspezifischen Inhalte aus dem Gebiet der Gefäßchirurgie vermittelt.

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Gefäßchirurg werden: Die Weiterbildung (Facharztausbildung) im Überblick

Die Dauer der Weiterbildung

Die Weiterbildung in der Gefäßchirurgie dauert 72 Monate bei einem Weiterbildungsbefugten an einer Weiterbildungsstätte, davon

  • müssen 48 Monate in Gefäßchirurgie abgeleistet werden
  • müssen 6 Monate in der Notfallaufnahme abgeleistet werden
  • müssen 6 Monate in der Intensivmedizin abgeleistet werden
  • können zum Kompetenzerwerb bis zu 12 Monate Weiterbildung in anderen Gebieten erfolgen

Die Inhalte der Weiterbildung

Übergreifende Inhalte im Gebiet Chirurgie

  • Wesentliche Gesetze, Verordnungen und Richtlinien
  • Chirurgische Techniken und Instrumentengebrauch, insbesondere Inzision, Präparation, Retraktion, Naht- und Knotentechniken einschließlich Laseranwendung unter Berücksichtigung der verschiedenen Gewebestrukturen
  • Chirurgische perioperative Behandlung einschließlich Vorbereitung, Lagerungstechniken, Nachsorge und Komplikationsmanagement sowie Indikationsstellung zu weiterführenden Maßnahmen
  • Techniken der temporären Ruhigstellung und Fixationsverbände
  • Prophylaxe, Diagnostik und Therapie von Thrombosen
  • Wundheilung und Narbenbildung
  • Wundmanagement und stadiengerechte Wundtherapie sowie Verbandslehre einschließlich verschiedene Wundauflagen, Unterdruck- und Kompressionstherapie
  • Defektdeckung bei akuten und chronischen Wunden
  • Grundlagen der medikamentösen Tumortherapie
  • Basisbehandlung palliativmedizinisch zu versorgender Patienten
  • Scoresysteme und Risikoeinschätzung

Lokalanästhesie und Schmerztherapie

  • Lokal- und Regionalanästhesien
  • Abklärung peri- und postoperativer Schmerzzustände
  • Diagnostik und Therapie nach dokumentierten Schmerztherapieplänen
  • Behandlung von Patienten mit komplexen Schmerzzuständen
  • Injektionen und Punktionen

Notfall- und Intensivmedizin

  • Erkennung und Behandlung akuter Notfälle einschließlich lebensrettender Maßnahmen
  • Kardiopulmonale Reanimation
  • Pathophysiologie von schweren Verletzungen, des Polytraumas und deren Folgen
  • Indikationsstellung zur Notfall-Laparotomie und Thorakotomie
  • Überwachung, Monitoring, Dokumentation und Betreuung von intensivmedizinischen Patienten
  • Differenzierte Beatmungstechniken
  • Atemunterstützende Maßnahmen bei intubierten und nicht-intubierten Patienten
  • Beatmungsentwöhnung bei langzeitbeatmeten Patienten
  • Mitbehandlung bei septischen Krankheitsbildern
  • Pharmakologie der Herz-Kreislauf-Unterstützung
  • Infusions-, Transfusions- und Blutersatztherapie, enterale und parenterale Ernährung
  • Zentralvenöse Zugänge (Richtzahl: 20)
  • Arterielle Kanülierung und Punktionen
  • Thorax-Drainage
  • Legen eines transurethralen und/oder suprapubischen Katheters

Spezifische Inhalte der Facharzt-Weiterbildung Gefäßchirurgie

Übergreifende Inhalte der Facharzt-Weiterbildung Gefäßchirurgie

  • Erkrankungen, Verletzungen, Infektionen und Fehlbildungen bei Arterien, Venen und Lymphgefäßen
  • Periinterventionelle Behandlung
  • Indikationsstellung zur fachbezogenen humangenetischen Beratung
  • Wissenschaftlich begründete Gutachtenerstellung

Gefäßchirurgische Notfälle

  • Diagnostik und Erstmaßnahmen bei akutem Verschluss von peripheren/zentralen Arterien, Venen und nach Gefäßeingriffen (Richtzahl: 50), insbesondere
  1. bei akutem arteriellem Verschluss bei peripherer Thrombose/Embolie
  2. bei akutem arteriellem Verschluss bei Tourniquet-Syndrom
  3. bei akutem arteriellem Verschluss bei Kompartmentsyndrom
  4. bei akutem Leriche Syndrom
  5. bei akuter viszeraler Ischämie
  • Operative und endovaskuläre Therapie gefäßchirurgischer Notfälle (Richtzahl: 20), insbesondere
  1. peripherer oder zentraler Gefäßverletzung
  2. akuter schwerer Blutung aus zentralen und peripheren Gefäßen
  3. Aortendissektion, Ruptur eines Aortenaneurysma
  4. Gefäßdissektion
  5. an Viszeralarterien
  6. akuter zentralneurologischer vaskulärer Notfall

Diagnostische Verfahren

  • Klinische und apparative Gefäßuntersuchungen
  • Gerinnungsphysiologische, immunologische und hämostaseologische Testverfahren und Labordiagnostik
  • B-Modus-Sonographie der peripheren Arterien und Venen (Richtzahl: 100)
  • CW-Doppler-Sonographie der peripheren Arterien und Venen (Richtzahl: 100)
  • CW-Doppler-Sonographie der extrakraniellen hirnversorgenden Arterien (Richtzahl: 100)
  • Duplex-Sonographie der peripheren Arterien (Richtzahl: 100)
  • Duplex-Sonographie der peripheren Venen (Richtzahl: 100)
  • Duplex-Sonographie der abdominellen, retroperitonealen und mediastinalen Gefäße (Richtzahl: 100)
  • Duplex-Sonographie der extrakraniellen hirnversorgenden Arterien (Richtzahl: 100)
  • Indikation, Durchführung und Befunderstellung der intraoperativen und intraprozeduralen radiologischen Befundkontrolle
  • Indikationsstellung und Befundinterpretation weiterer bildgebender Verfahren, insbesondere
    • Angiographien einschließlich interventioneller Verfahren, davon
  1. Digitale Subtraktionsangiographie (DSA)
  2. CT-Angiographie
  3. MR-Angiographie
  • Planung von endovaskulären Eingriffen einschließlich Beurteilung und Ausmessung von Schnittbilddiagnostik (Richtzahl: 25)
     

Offen-operative und endovaskulär-therapeutische Verfahren

  • Punktions- und Katheterisierungstechniken einschließlich der Gewinnung von Untersuchungsmaterial
  • Weichteil-Drainagen
  • Anlage und Korrektur von getunnelten zentralvenösen Kathetern und Portsystemen (Richtzahl: 30)
  • Anlage und Korrektur von Dialyse-Shunts (Richtzahl: 30)
  • Gliedmaßen- und Grenzzonenamputation, operative Behandlung des diabetischen Fußsyndroms und operative Ulkusbehandlung einschließlich Defektdeckung (Richtzahl: 50)
  • Thrombolytische Verfahren in Arterien und Venen
  • Revaskularisierende und rekonstruierende Eingriffe an supraaortalen Arterien (Richtzahl: 25), davon
    • offene Eingriffe (Richtzahl: 20)
  • Revaskularisierende und rekonstruierende Eingriffe im brachialen, femoro-poplitealen und cruro-pedalen Gefäßabschnitt (Richtzahl: 100)
  • Revaskularisierende und rekonstruierende Eingriffe an thorakalen, aortalen, viszeralen und iliakalen Gefäßen (Richtzahl: 50)
  • Endovaskuläre Eingriffe, auch in interdisziplinärer Kooperation (Richtzahl: 60), davon
  1. an peripheren Arterien (Richtzahl: 10)
  2. an der Aorta (Richtzahl: 10)
  • Neurovaskuläre Kompressionssyndrome
  • Methoden und Techniken der endovaskulären Embolisation und Okklusion bei Gefäßerkrankungen
  • Erste Assistenz bei operativen Eingriffen höherer Schwierigkeitsgrade, z. B. komplexe intrathorakale und intraabdominale Rekonstruktionen

Phlebologische Therapie

  • Eingriffe am Venensystem (Richtzahl: 60), davon
  1. offen chirurgisch, z. B. Varizen-Stripping, Perforatorligaturen, Seitenastexhairese (Richtzahl: 50)
  2. endovenös, Sklerosierungsverfahren
  3. Periprozedurale und operative Therapie des postthrombotischen Syndroms
  4. Periprozedurale Behandlung von sekundären venösen und lymphatischen Ödemen
  5. Primäre venöse und lymphatische Ödeme

Perioperative Gefäßmedizin

  • Perioperative Therapie gefäßmedizinischer Erkrankungen einschließlich Infusionstherapie mit vasoaktiven Substanzen
  • Maßnahmen der Primärprävention von Gefäßerkrankungen
  • Beratung einschließlich Basismaßnahmen der Sekundär- und Tertiärprävention von Gefäßerkrankungen
  • Strukturierte Raucherentwöhnung

Vaskuläre Malformationen

  • Klinische und sonographische Diagnostik von vaskulären Malformationen einschließlich Gefäßtumoren
  • Therapieoptionen bei Gefäßmalformationen und von gebietsbezogenen Tumoren, z. B. konservativ, endovaskulär, lasergestützt und operativ

Septische Gefäßchirurgie

  • Septische Gefäßerkrankungen und deren Komplikationen
  • Einsatz autologer, allogener und xenogener Gefäßersatzmaterialien

Wundmanagement bei vaskulärer Ursache

  • Chirurgisches Wunddébridement (Richtzahl: 50)
  • Spalthauttransplantationen (Richtzahl: 20)
  • Indikationsstellung zur kausalen und lokalen Therapie sowie Management vaskulär verursachter Wunden einschließlich des diabetischen Fußsyndroms (Richtzahl: 100)

Strahlenschutz

  • Grundlagen der Strahlenbiologie und Strahlenphysik bei der Anwendung ionisierender Strahlen am Menschen
  • Grundlagen des Strahlenschutzes beim Patienten und Personal einschließlich der Personalüberwachung und des baulichen und apparativen Strahlenschutzes
  • Voraussetzungen zur Erlangung der erforderlichen Fachkunden im gesetzlich geregelten Strahlenschutz

Quellen: Berufsverband der Deutschen Chirurgen e.V. (BDC), Deutsche Gesellschaft für Gefäßchirurgie und Gefäßmedizin, Musterweiterbildungsordnung 2018 der Bundesärztekammer, Ärztestatistik der Bundesärztekammer 2022
 


Aktuelle Stellenangebote in diesem Fachgebiet:

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