Prof. Dr. Dr. Neumann: „Die Pathologie hat mich von Anfang an tief beeindruckt“

23 Oktober, 2025 - 07:37
Dr. Sabine Glöser
Köpfe und Karriere: Prof. Dr. med. Dr. med. univ. Jens Neumann
Prof. Dr. med. Dr. med. univ. Jens Neumann ist seit 1. Juni 2025 Direktor des Universitätsinstituts für Pathologie am Klinikum Nürnberg.

Über wichtige Erfahrungen, gewonnene Einsichten und ausgefallene Wünsche spricht aerztestellen.de mit erfolgreichen Ärztinnen und Ärzten. Dieses Mal stellt sich Prof. Dr. med. Dr. med. univ. Jens Neumann unseren Fragen. Er ist seit 1. Juni 2025 Direktor des Universitätsinstituts für Pathologie am Klinikum Nürnberg.

Herr Professor Neumann, warum eigentlich sind Sie Facharzt für Pathologie geworden?

Prof. Dr. Dr. Jens Neumann: Die Pathologie ist ein Fach, das einem erst im Medizinstudium wirklich begegnet – und das mich von Anfang an tief beeindruckt hat. Besonders prägend war für mich der Unterricht bei Professor Denk in Graz und Professor Kirchner in München. Das sind zwei herausragende Persönlichkeiten, die mir nicht nur ihr enormes Fachwissen und ihren wissenschaftlichen Weitblick, sondern auch die ethische und klinische Verantwortung eines Pathologen eindrucksvoll vermittelt haben. Bis heute fasziniert mich die zentrale Rolle der Pathologie in der modernen Medizin, besonders in der Onkologie: Unsere Befunde stehen am Anfang und Ende diagnostischer Prozesse und sind oft entscheidend für die Therapieplanung. Gleichzeitig begeistert mich die Vielschichtigkeit des Fachs – von der Morphologie über molekulare Diagnostik bis hin zur digitalen Transformation. Die enge interdisziplinäre Zusammenarbeit mit verschiedenen klinischen Disziplinen empfinde ich als besonders bereichernd. Die Pathologie ist für mich kein abgeschottetes Laborfach, sondern ein aktiver, verantwortungsvoller Teil des medizinischen Teams.

Was ist für Sie unabdingbar, damit Sie gut arbeiten können?

Prof. Dr. Dr. Jens Neumann: Für mich ist ein ruhiges Arbeitsumfeld unabdingbar, um konzentriert und sorgfältig arbeiten zu können. Ebenso ist es wichtig, ohne übermäßigen Zeitdruck zu arbeiten – nur so lassen sich die erforderliche Präzision und Sorgfalt gewährleisten, die die Diagnostik erfordert. Dabei darf man nie aus dem Blick verlieren, dass hinter jeder Probe ein Mensch steht. An jeder Diagnose hängt ein individuelles Schicksal. Und diesem hohen Anspruch bin ich mir in jeder Phase meiner Arbeit bewusst.

Wie lautet der beste Rat, den Sie auf Ihrem Karriereweg bekommen haben?

Prof. Dr. Dr. Jens Neumann: Der beste Rat war eigentlich ein negativer Kommentar. Man sagte mir, ich sei nicht für die Universität geeignet. Dieser scheinbare Rückschlag wurde für mich zur Triebfeder, meine akademische Karriere mit noch mehr Ehrgeiz und Zielstrebigkeit voranzutreiben – bis hin zu einem eigenen Lehrstuhl. Rückblickend hat mich genau diese Herausforderung geprägt und motiviert.

Was schätzen Sie an anderen Menschen am meisten?

Prof. Dr. Dr. Jens Neumann: Ich schätze an anderen Menschen vor allem einen vertrauensvollen und respektvollen Umgang. Im Arbeitsumfeld ist für mich Professionalität zentral, persönliche Differenzen sollten dort keinen Raum einnehmen. Ein offener, konstruktiver Austausch und gegenseitige Verlässlichkeit sind für eine gute Zusammenarbeit unerlässlich, gerade in einem sensiblen Bereich wie der Medizin.

Was treibt Sie an?

Prof. Dr. Dr. Jens Neumann: Mich treibt der Anspruch an, einen echten Beitrag zur bestmöglichen Versorgung von Patientinnen und Patienten zu leisten. In der Pathologie heißt das: keine Kompromisse bei der Qualität, höchste Präzision in der Diagnostik und die Bereitschaft, Verantwortung zu übernehmen. Unsere Befunde haben direkte und oft weitreichende Konsequenzen. Deshalb braucht es eine Persönlichkeit, die einerseits mit großer Genauigkeit arbeitet und andererseits auch in der Lage ist, klare Entscheidungen zu treffen, selbst wenn sie schwerwiegend sind. Diese Mischung aus analytischer Tiefe und klinischer Relevanz motiviert mich jeden Tag aufs Neue.

Mit wem würden Sie gern einmal einen Abend verbringen?

Prof. Dr. Dr. Jens Neumann: Es gibt viele Persönlichkeiten, mit denen ich gerne einen Abend verbringen würde, darunter bedeutende Pathologen wie Rudolf Virchow oder Carl von Rokitansky, die unser Fach maßgeblich geprägt haben. Auch große Komponisten wie Bach, Mozart, Wagner oder Richard Strauss faszinieren mich zutiefst – ihre Werke begleiten mich seit vielen Jahren. Wenn ich mich jedoch festlegen müsste, würde ich wohl Albert Einstein wählen. Seine Fähigkeit, komplexe Zusammenhänge mit Neugier, Kreativität und einer gewissen Leichtigkeit zu durchdringen, beeindruckt mich bis heute. Ein Abend mit ihm wäre sicherlich inspirierend, überraschend – und voller neuer Perspektiven.

Was raten Sie jungen Ärztinnen und Ärzten?

Prof. Dr. Dr. Jens Neumann: Meinen jungen Kolleginnen und Kollegen rate ich vor allem, so viel wie möglich zu lernen und sich stetig weiterzubilden. Eine Spezialisierung ist besonders wichtig. Denn durch den zunehmenden Einsatz von Künstlicher Intelligenz (KI) werden viele einfache Tätigkeiten in der Medizin künftig automatisiert. Das ist angesichts der demographischen Entwicklung unausweichlich. In diesem Bereich mit der KI zu konkurrieren, wird schwer sein. Entscheidende Kompetenzen, im Arztberuf auch künftig eine unverzichtbare Rolle zu spielen, sind fundiertes Fachwissen, die Fähigkeit, dieses kreativ anzuwenden, um die Ecke zu denken und Querverbindungen herzustellen.

Wie gelingt Ihnen eine gesunde Work-Life-Balance?

Prof. Dr. Dr. Jens Neumann: Eine gesunde Work-Life-Balance gelingt aus meiner Sicht nur, wenn man Arbeit und Privatleben nicht als Gegensätze versteht. Da ich einen großen Teil meiner Zeit im Institut verbringe, ist es wichtig, dass mir die Arbeit Freude macht und ich mich mit meinen Aufgaben identifiziere. Gleichzeitig braucht es bewusst geschaffene Freiräume für Familie, persönliche Interessen und Regeneration. Sie sind kein Luxus, sondern Voraussetzung, um langfristig leistungsfähig und zufrieden zu bleiben.

Woran mangelt es dem deutschen Gesundheitssystem?

Prof. Dr. Dr. Jens Neumann: Dem deutschen Gesundheitssystem mangelt es aus meiner Sicht vor allem an einer stärkeren Verzahnung von ambulantem und stationärem Sektor. Die derzeitige strikte Trennung führt häufig zu ineffizienten Abläufen und vermeidbaren Doppelstrukturen. Eine bessere sektorübergreifende Zusammenarbeit könnte nicht nur Versorgungslücken schließen, sondern auch Synergien nutzen – im Sinne einer besseren Patientenversorgung und der Entlastung der Kostenträger. Hinzu kommt, dass das duale Versicherungssystem zusätzliche Komplexität schafft und eine gerechte, transparente Ressourcenverteilung erschwert.

Wann sind Sie glücklich?

Prof. Dr. Dr. Jens Neumann: Ich bin besonders glücklich, wenn ich Zeit mit meiner Familie und meinen Kindern verbringen kann – diese gemeinsamen Momente geben mir Kraft und Erdung. Ein weiterer wichtiger Bestandteil meines Lebens ist die Musik, insbesondere die Oper. Sie begleitet mich schon lange und bietet mir einen Raum für Emotion, Inspiration und Ausgleich. Diese Verbindung aus familiärer Nähe und kultureller Tiefe ist für mich eine wichtige Quelle für Zufriedenheit und Lebensfreude.

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