
Die ersten 100 Tage als Führungskraft im Krankenhaus sind eine Zeit der Orientierung, des Aufbaus von Vertrauen und der Weichenstellung für langfristigen Erfolg. Ein gelungener Start erfordert nicht nur Geschick und Fingerspitzengefühl, sondern auch eine gründliche Vorbereitung, bevor der Job beginnt.
Die Übernahme einer Führungsposition im Krankenhaus ist herausfordernd. Neben der Verantwortung für Patienten und deren Versorgung steht die Leitung eines Teams im Mittelpunkt, das oft aus unterschiedlichen Berufsgruppen besteht.
Vorbereitung auf die Führungsrolle
Bevor der erste Arbeitstag beginnt, sollten angehende Führungskräfte sich auf ihre neue Rolle vorbereiten.
- Verstehen der Organisationskultur: Ratsam ist, sich über die Kultur und Werte des Krankenhauses zu informieren. Jedes Krankenhaus hat eigene Arbeitsweisen, Traditionen und Strukturen. Ein gutes Verständnis dieser Faktoren hilft, die Erwartungen besser einzuschätzen und sich nahtlos in die Struktur einzufügen.
- Analyse der Prozesse und Herausforderungen: Falls möglich, sollten sich angehende Führungskräfte vor ihrem Start einen Überblick über die organisatorischen Abläufe und die größten Herausforderungen verschaffen. Sie sollten nach Berichten, Analysen oder internen Meetings fragen, um sich mit zentralen Themen vertraut zu machen. Gibt es bestimmte Projekte, die im Fokus stehen? Gibt es finanzielle oder personelle Engpässe, auf die sie vorbereitet sein sollten?
- Selbstreflexion: Hilfreich ist, sich zu überlegen, welche Führungsphilosophie man verfolgen will. Welche Erfahrungen und Fähigkeiten bringt man selbst mit, die einem in der neuen Rolle zugutekommen werden? Eine klare Vorstellung von eigenen Stärken und Zielen hilft, fokussiert in die ersten 100 Tage zu gehen.
- Mentoren finden: Ratsam ist, sich vor dem Jobstart Mentoren im Krankenhaus oder im Netzwerk zu suchen. Ein erfahrener Kollege, der die Strukturen des Hauses kennt, kann wertvolle Einblicke geben und potenzielle Stolpersteine aufzeigen.
Der erste Eindruck
Die ersten 100 Tage bieten die einmalige Chance, sich als authentische und verlässliche Führungskraft zu präsentieren. Transparenz und Offenheit sind entscheidend. Eine bewährte Strategie ist, das Team mit einer kurzen Ansprache offiziell in die neue Zusammenarbeit einzuführen. Ärztliche Führungskräfte können auf ihre Motivation, Erwartungen und Ziele eingehen und klarstellen, dass sie offen für Feedback und Anregungen sind. Diese Ansprache ist eine gute Gelegenheit, Kommunikationsbereitschaft und Führungsphilosophie zu verdeutlichen und den Mitarbeitenden das Gefühl zu geben, dass ihre Arbeit wertgeschätzt wird.
Analyse der aktuellen Situation
Bevor ärztliche Führungskräfte große Veränderungen einleiten, sollten sie sich ein umfassendes Bild von der aktuellen Situation machen. Dies gilt für organisatorische Abläufe und die Teamdynamik. Ratsam ist, Einzelgespräche mit den wichtigsten Mitarbeitenden und Entscheidungsträgern zu führen, um deren Perspektiven zu verstehen. Welche Herausforderungen gibt es in der Versorgung, bei Abläufen oder in der Kommunikation? Diese Informationen sind entscheidend, um die Dynamik im Team zu verstehen. Hilfreich ist zudem, die wichtigsten Abläufe und Arbeitsprozesse zu analysieren. Welche Prozesse laufen reibungslos, und wo gibt es Optimierungsbedarf? Dies kann sich auf die interne Organisation der Stationen beziehen oder die interdisziplinäre Zusammenarbeit mit anderen Abteilungen.
Beziehungen zu Fachgruppen und Abteilungen
Eine gute Beziehung zu den Fachgruppen, insbesondere zu anderen ärztlichen Abteilungen und zur Verwaltung, ist entscheidend für langfristigen Erfolg. Der enge Austausch mit anderen ärztlichen Abteilungen sollte von Anfang an gefördert werden. Es geht nicht nur um fachlichen Austausch, sondern auch darum, eine gemeinsame Vision zu schaffen. Führungskräfte sollten Brücken zwischen den Abteilungen bauen, um die Zusammenarbeit zu fördern. Auch ein gutes Verhältnis zur Verwaltung kann helfen, bürokratische Hürden zu meistern und Ressourcen wie Budget oder Personal zu sichern. Regelmäßige Abstimmungen und ein offener Dialog können dabei helfen.
Ziele setzen
Wichtig ist, sich klare und realistische Ziele zu setzen. Führungskräfte sollten auf konkrete, kurzfristige Ziele setzen, die schnell sichtbare Verbesserungen bringen. Diese „Quick Wins“ motivieren das Team und schaffen Vertrauen. Gleichzeitig sollte man langfristige Ziele im Auge behalten, die die Qualität der Versorgung und die Zufriedenheit der Mitarbeitenden erhöhen. Es ist wichtig, diese Ziele nicht nur für sich selbst zu definieren, sondern auch an das Team zu kommunizieren. Klare Zielvorgaben geben Orientierung und schaffen ein gemeinsames Verständnis für die Prioritäten.
Kommunikation und Teamentwicklung
Eine klare und transparente Kommunikation ist das Rückgrat guter Führung. Im Krankenhaus, wo Missverständnisse schwerwiegende Folgen haben können, ist dies besonders wichtig. Führungskräfte sollten von Anfang an einen offenen Kommunikationsstil etablieren. Regelmäßige Meetings oder Feedbackrunden bieten die Möglichkeit, Anregungen zu geben und Sichtweisen darzulegen. Gerade in den ersten 100 Tagen werden ärztliche Führungskräfte wertvolles Feedback erhalten. Sie sollten diese Rückmeldungen nutzen, um ihren Führungsstil und die Abläufe zu optimieren.
Krankenhäuser sind Orte, an denen Menschen mit unterschiedlichen Hintergründen und Erfahrungen zusammenarbeiten. Führungskräfte sollten individuelle Stärken des Teams erkennen und fördern, entweder durch gezielte Schulungen oder die Vergabe von Verantwortung.
Austausch mit den eigenen Vorgesetzten
Ärztliche Führungskräfte sollten nicht vergessen, dass auch sie in eine Führungsstruktur eingebettet sind. Der regelmäßige Austausch mit Vorgesetzten ist entscheidend, um Erwartungen zu klären und sicherzustellen, dass die eigenen Ziele im Einklang mit der strategischen Ausrichtung des Krankenhauses stehen.
Dtsch Arztebl 2024; 121(22): [2]
Der Autor:
Dr. med. Matthias Weniger
Ärztlicher Leiter
Institut für Stressmedizin Rhein Ruhr
45525 Hattingen