MB-Monitor 2024: Gewalt an Krankenhäusern nimmt zu

10 Februar, 2025 - 11:46
Stefanie Hanke
Junger Arzt, Abwehrhaltung

Ärztinnen und Ärzte sind in ihrem Arbeitsalltag immer häufiger mit Gewalt konfrontiert. Das geht aus dem aktuellen MB-Monitor 2024 hervor, für den der Marburger Bund bundesweit 9.649 angestellte Ärztinnen und Ärzte aus allen Bereichen des Gesundheitswesens befragt hat.

Beschimpfungen, Beleidigungen, Drohungen: Vor allem verbale Gewalt kommt im ärztlichen Arbeitsalltag regelmäßig vor. 12 Prozent der Befragten gaben an, "häufig" verbale Gewalt gegen sich oder andere Kolleginnen und Kollegen im beruflichen Kontext zu erleben, 33 Prozent beantworteten diese Frage mit "manchmal". Und auch körperliche Gewalt, beispielsweise Schläge oder Tritte, erleben Ärztinnen und Ärzte gegen sich oder andere: 2 Prozent "häufig", 10 Prozent "manchmal".

Mehr Gewalt als vor fünf Jahren

Insgesamt sagten 41 Prozent der Befragten, dass Gewalt im ärztlichen Arbeitsalltag heute häufiger vorkomme als noch vor fünf Jahren. Dabei geht die Bedrohung in drei Viertel der Fälle von Patientinnen und Patienten aus, bei etwas mehr als der Hälfte (52 Prozent) von deren Angehörigen. Und in 14 Prozent der Fälle wurden andere Mitarbeitende im Gesundheitswesen gewalttätig.

„Die Umfrage-Ergebnisse zu den Gewalterfahrungen von Ärztinnen und Ärzten sind ein Alarmsignal", sagte Dr. Susanne Johna, 1. Vorsitzende des Marburger Bundes, bei der Vorstellung der Ergebnisse. „Uns ist klar, dass bei manchen Patienten Aggressionen Teil des medizinischen Problems sind. Diese Fälle sind aber deutlich zu unterscheiden von einer Vielzahl von inakzeptablen Anfeindungen und Übergriffen, beispielsweise durch Angehörige." Vor allem in den Notaufnahmen und Rettungsstellen kommt es häufig zu Gewalt, so das Ergebnis der Studie: 38 Prozent der Befragten gaben an, die Gewalterfahrungen hauptsächlich dort erlebt zu haben. Ähnlich sieht es mit 37 Prozent im sonstigen stationären Bereich der Kliniken aus. Arztpraxen (7 Prozent) und Rettungsdiensteinsätze (6 Prozent) werden dagegen seltener zum Schauplatz von Gewalt gegen medizinisches Personal.

Die Ursachen der Gewalt sind vielfältig. Am häufigsten nannten die Befragten Probleme, die im körperlichen und geistigen Zustand der Patientinnen und Patienten begründet sind, wie Drogen- und Alkoholmissbrauch und psychiatrische Erkrankungen. Aber auch überzogene Anspruchs- und Erwartungshaltungen, eine „allgemeine Verrohung und Enthemmung in der Gesellschaft“ und strukturelle Probleme wie lange Wartezeiten, personelle Engpässe, Ressourcenverknappung und Kommunikationsprobleme werden als Ursachen genannt.

In der Pressekonferenz zur Präsentation des neuen MB-Monitors zitierte Johna dazu eine anonyme Stimme aus den Studienergebnissen: „Trotz eigentlich guter Organisation kommt es wegen des Personalmangels doch zu Wartezeiten. Das führt immer wieder zu Aggressionen, da viele Patienten und Angehörige der Meinung sind, dass nur sie und einzig sie mit ihrem Problem wichtig sind und Vorrang vor allen anderen haben.“

Umgang mit Gewalt: Schutzmaßnahmen und Nachsorge

Viele Arbeitgeber haben das Problem bereits erkannt und versuchen beispielsweise mit Sicherheitspersonal oder Gewaltpräventions- und Deeskalationstrainings, die Ärztinnen und Ärzte vor Gewalt zu schützen: 41 Prozent der Befragten gaben an, in ihrer Einrichtung gebe es entsprechende Maßnahmen. Ebenfalls 41 Prozent sagten, so etwas gebe es an ihrem Arbeitsplatz nicht, 18 Prozent wussten es nicht.

Nur relativ selten werden Beschäftigte, die im Beruf Gewalterfahrungen machen mussten, direkt am Arbeitsplatz professionell unterstützt und betreut: Nur 17 Prozent der Befragten beantworteten die Frage danach mit „ja", 35 Prozent mit „nein". Fast die Hälfte (48 Prozent) wusste es nicht. „Schutzmaßnahmen und ein gesellschaftliches Umdenken sind dringend erforderlich", forderte Johna. Es könne nicht sein, dass diejenigen, die anderen helfen, bei ihrer Arbeit traumatisiert werden.

Johna hob in ihrem Statement vor allem die Arbeit des bayrischen Vereins PSU-Akut e. V. hervor, bei dem Ärztinnen und Ärzte nach schwerwiegenden Erfahrungen niederschwellige psychosoziale Unterstützung bekommen – beispielsweise über die bundesweite Telefon-Helpline unter der Nummer 0800 0 911 912.

Um das Problem generell in den Griff zu bekommen, forderte Johna Aufklärung durch breit angelegte Kampagnen, ausreichend Personal in der direkten Patientenversorgung und adäquate Schutzmaßnahmen für die behandelnden Ärztinnen und Ärzte und das Pflegepersonal: „Das ist nicht nur eine Aufgabe der Krankenhäuser – hier ist auch die Politik gefordert, die Rahmenbedingungen der Versorgung besser zu gestalten“, so erklärte sie abschließend.

Die Umfrage MB-Monitor 2024

An der vom Institut für Qualitätsmessung und Evaluation (IQME) durchgeführten Online-Befragung beteiligten sich in der Zeit vom 27. September bis 27. Oktober 2024 bundesweit 9.649 angestellte Ärztinnen und Ärzte aus allen Bereichen des Gesundheitswesens. Etwa 90 Prozent von ihnen arbeiten in Akutkrankenhäusern und Reha-Kliniken, acht Prozent in ambulanten Einrichtungen. Der MB-Monitor ist die größte Ärzte-Befragung in Deutschland.

Quelle: Marburger Bund, MB-Monitor 2024, Online-Pressekonferenz am 6. Februar 2025

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