Mitarbeiterführung: So geben ärztliche Führungskräfte wirksam Feedback

16 April, 2024 - 10:09
Thomas Röhrßen
Feedback, Symbolbild

Die meisten ärztlichen Führungskräfte wissen, dass die Qualität ihres Feedbacks das Verhalten, die Leistung und das Ergebnis ihres Teams entscheidend beeinflusst. Doch im Klinikalltag zeigt sich, dass sie dabei den mentalen, emotionalen und motivationalen Zustand der Empfänger zu wenig berücksichtigen.

Ein Feedback ist nur wirksam, wenn es beim Empfänger richtig ankommt. Der Zustand der Empfänger, ihr innerer Modus, spielt dabei eine entscheidende Rolle. Führungskräfte sollten im Verlauf eines Feedbackgesprächs ihre Aufmerksamkeit nicht nur auf die verbale Reaktion der Empfänger richten, sondern auch auf deren Stimmlage (paraverbal), Körperhaltung und Mimik. Viele Führungskräfte sind zwar sensibilisiert auf diese Signale, nutzen sie aber unzureichend.

Vertrauen und Akzeptanz auf Beziehungsebene

Bei mangelndem Vertrauen oder Irritationen in der Beziehung besteht die Gefahr, dass Empfänger das Feedback innerlich ablehnen oder ignorieren. Die Wirksamkeit des Feedbacks hängt stark davon ab, ob Mitarbeitende die Führungskraft persönlich und fachlich akzeptieren und das Feedback als angemessen und fair auf der Beziehungsebene bewerten. Ist dies nicht der Fall, verschiebt sich die Verarbeitung des Feedbacks von der Sach- auf die Beziehungsebene und das Gespräch führt zu keinem angemessenen Ergebnis. In diesem Fall ist es ratsam, die Gesprächsebene zu wechseln und mit Interventionen die Beziehung zu klären und das Vertrauen zu stärken. Beispiele dafür sind:

  • „Ich habe den Eindruck, dass Sie meine Kritik als kleinlich empfinden und sich von mir ungerecht behandelt fühlen. Ich möchte Ihnen aber erklären, warum mir das so wichtig ist.“
  • „Ich möchte betonen, dass ich die Zusammenarbeit mit Ihnen grundsätzlich sehr schätze. Doch gerade habe ich den Eindruck, dass Sie meine Kritik nicht gut annehmen können. Sehe ich das richtig? Wenn ja, dann müssen wir darüber reden.“
  • „Manchmal habe ich den Eindruck, dass Sie meine Kritik als persönliche Ablehnung sehen. Ich habe Kritik an Ihrem konkreten Verhalten, aber das ist keine Ablehnung Ihrer Person.“

Selbstwertstabilisierende Interventionsstrategien

Aufgrund von Sozialisationserfahrungen fällt es manchen Menschen schwer, Kritik ohne eine gewisse Selbstwertgefährdung zu verarbeiten. Vulnerable Mitarbeitende verarbeiten auch konstruktiv vorgebrachtes sachliches Feedback kritisch. Sie entwickeln Protektionsreaktionen zum Selbstwertschutz, zum Beispiel lange Rechtfertigungsschleifen, aggressive Gegenvorwürfe, stille Abwehr- und Blockademaßnahmen, geschickte Ablenkungs-, Ausweich- und Fluchtmanöver oder überzogene Selbstvorwürfe und Selbstbezichtigung.

Auf aggressive Gegenvorwürfe sowie Rechtfertigungs- und Blockadestrategien reagieren einige Führungskräfte eher eskalierend. Gefragt sind allerdings in all diesen Fällen vor allem selbstwertstabilisierende Strategien, die nicht auf die Protektion ausgerichtet sind, sondern auf die dahinter liegende Vulnerabilität. Beispiele dafür sind:

  • „Sie reagieren recht aufgebracht. Ich möchte klarstellen, dass ich Sie mit meinen Aussagen auf keinen Fall angreifen oder verletzen möchte. Das ist nicht meine Absicht und ich hoffe, Sie nehmen mir das ab.“
  • „Sie holen ganz schön aus, um mir die Hintergründe Ihres Verhaltens zu erklären. Ich betone, es geht mir nicht darum, einen Schuldigen zu suchen, sondern um die Frage, wo Ihr Anteil liegt und ob Sie sich nicht anders hätten verhalten können.“
  • „Sie reagieren recht geknickt und machen sich Selbstvorwürfe. Das ist aus meiner Sicht nicht nötig. Ich möchte nur, dass Sie aus dem Gespräch etwas mitnehmen und etwas ändern.“

Stufen eines professionellen Feedbacks

In den meisten Situationen brauchen Führungskräfte nur ein zweistufiges Feedback umzusetzen: Sie weisen darauf hin, was ihnen im Verhalten, in der Leistung oder im Ergebnis aufgefallen ist (Ist) und sie erklären dann, welches konkrete Verhalten, welche Leistung und welches Ergebnis Sie erwarten (Soll). Treten wiederholte, gravierende oder hartnäckige Probleme und Defizite auf, empfiehlt sich neben flankierenden Interventionen eine sechsstufige Feedbackstruktur, die am Fallbeispiel eines Chefarztes und seines Leitenden Oberarztes dargestellt wird:

1. Stufe: Ist-Beschreibung ohne Bewertung: „Herr Grüning, ich wollte kurz mit Ihnen über den Urlaubsplan sprechen. Es sind diesmal in einem Zeitraum vier Assistenz- und zwei Oberärzte gleichzeitig im Urlaub. Und dies sind auch noch die Assistenzärzte mit der längsten klinischen Erfahrung. Habe ich das richtig erfasst?“

2. Stufe: Kritische Folgen oder Risiken des Ist: „Wir hatten im letzten Jahr bei einem ähnlichen Urlaubsplan erhebliche Engpässe, nachdem noch ein weiterer Assistenzarzt krankheitsbedingt ausgefallen war. Die restlichen unerfahreneren Assistenzärzte mussten teils unter Druck zwischen den Einsatzorten hin- und herrennen. Diese Assistenz- und die verbliebenen Oberärzte waren ziemlich frustriert. Oder wie sehen Sie das?“

3. Stufe: Soll-Vorgabe: „Ich hätte mir gewünscht, dass Sie aus der Erfahrung des letzten Jahres heraus und mit Blick auf das damalige Gespräch die Konsequenz gezogen hätten, maximal drei Assistenzärzte parallel in Urlaub gehen zu lassen und dabei die Erfahrung der Assistenzärzte ausgewogener berücksichtigen.“

4. Stufe: Folgen des Solls: „Wenn Sie dies beachten, vermeiden Sie das Risiko von erheblichen Engpässen und Problemen in der Patientenversorgung und einer hohen Unzufriedenheit im Team. Und das trifft am Ende doch dann Sie.“

5. Stufe: Analyse der Ursachen und Hintergründe für das Ist: „Ich habe mir Gedanken darüber gemacht, warum Sie die Planung auch dieses Mal wieder so umgesetzt haben. Könnte es sein, dass Sie Probleme haben, mit einigen fordernd auftretenden Assistenten in Konflikt zu gehen und auch mal ,Nein‘ zu sagen?“

6. Stufe: Förderung motivationaler Treiber für das Soll: „Auch wenn es für Sie nicht einfach ist, mit einem klaren, begründeten ,Nein‘ zeigen Sie, dass Ihnen eine faire Gleichbehandlung im Team wichtig ist. Auch fördert es den Respekt Ihnen gegenüber.“

Der reale Dialog ist natürlich komplexer. In diesem ermuntern ärztliche Führungskräfte über offene Fragen immer wieder zur Selbstreflexion. Dabei hinterfragen sie insbesondere Ursachen und Hintergründe für das Ist. Eine gut vorbereitete und strukturierte Rückmeldung mit Ursachenanalyse und Motivklärung trägt dazu bei, das Problem an der Wurzel zu packen und nachhaltig zu lösen.

Dtsch Arztebl 2024; 121(8): [2]

Der Autor:

Thomas Röhrßen
Diplom- Psychologe
Coach und Unternehmensberater
roehrssen consult GmbH
49074 Osnabrück

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