
Die Einstellungen zur Arbeitsteilung weichen immer noch stark von der gelebten Wirklichkeit ab. Mütter und Väter sprechen sich zwar für eine gleichberechtigte Aufteilung von Kinderbetreuung, Hausarbeit und Berufstätigkeit aus, doch in der Realität teilen sie die Erwerbs- und Sorgearbeit immer noch ungleich auf. Das zumindest ergab eine Studie des Bundesinstituts für Bevölkerungsforschung (BiB) und des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) auf Basis des familiendemografischen Panels.
Den Ergebnissen zufolge sehen es, je nach Alter des Kindes, im Osten bis 30 Prozent der Befragten als ideal an, wenn Vater und Mutter jeweils 30 Stunden ihrem Beruf nachgehen; im Westen sind es bis 27 Prozent. Doch dieses Modell spielt mit einem Anteil von maximal sechs Prozent an allen Erwerbskonstellationen weder im Osten noch im Westen eine Rolle. Vollzeiterwerbstätigkeit beider Elternteile befürworten die Befragten im Osten häufiger (bis 62 Prozent) als die im Westen (bis 38 Prozent). Umgesetzt wird auch dieses Modell viel seltener; im Osten sind es maximal 43 Prozent, im Westen 16 Prozent.
Als Gründe für die Diskrepanz zwischen Wunsch und Wirklichkeit führen die Autorinnen das deutsche Steuer- und Transfersystem an. Hinzu komme der Verdienstunterschied zwischen Frauen und Männern. All dies mache das Zuverdienermodell, in dem der Mann in Vollzeit arbeitet und die Frau einen Minijob hat, finanziell am attraktivsten.
Aus Sicht der Autorinnen müssten das Ehegattensplitting reformiert und Minijobs weitgehend abgeschafft werden, um eine gerechtere Aufteilung von Erwerbs- und Sorgearbeit zu fördern. Auch gehe es um eine bedarfsgerechte Betreuungsinfrastruktur für Kinder zwischen dem zweiten und zwölften Lebensjahr. „Fehlende Kitaplätze halten trotz Rechtsanspruch bis heute viele Mütter davon ab, in größerem Umfang erwerbstätig zu sein. Zudem muss der Ausbau von Ganztagsgrundschulen deutlich beschleunigt werden“, sagte BiB-Direktorin Prof. Dr. Christa Katharina Spieß.
Dtsch Arztebl 2024; 121(18): [4]