Prozessmanagement: Der Weg zum optimalen Krankenhaus

28 September, 2021 - 07:43
Kathleen Aliaga
Besprechung im Team

Ärzte und Pflege sollten gemeinsam ein Zielbild erarbeiten, für ihr Krankenhaus, für ihre Station – und für sich selbst. So erhalten sie die Möglichkeit, ihren Arbeitsplatz selbst zu gestalten. Aufgabe von Führungskräften ist es, das Veränderungspotenzial ihrer Mitarbeitenden zu fördern.

"Schwester, Tupfer“ – für viele Menschen sind diese beiden Worte seit Zeiten der Schwarzwaldklinik der Klassiker der interdisziplinären Zusammenarbeit im Krankenhaus. Wer weiß, was es heißt, im Krankenhaus zu arbeiten und welche Herausforderungen es dort zu bewältigen gibt, wird den Kopf schütteln und müde lächeln.

Ärzte und Pflegekräfte dürfen keine Fehler machen, häufig geht es um Leben und Tod. Ärzte und Pflegekräfte müssen jedem Patienten die beste medizinische Versorgung zukommen lassen. Zugleich müssen sie effizient sein, da sich Krankenhäuser in einem schwierigen finanziellen Umfeld befinden. Viele sehen nicht, in welchem Spannungsverhältnis sich Ärzte und Pflegekräfte befinden, welcher Druck tagtäglich auf ihnen lastet. Die Folge ist häufig eine Negativspirale: Stationsleitung und Oberarzt treffen sich planmäßig einmal pro Monat für 30 Minuten. Alle Probleme kommen komprimiert auf den Tisch. Doch so lassen sie sich schwierig beheben. Die Erwartung, Geschäftsführer, Pflegedirektion und Chefarzt sollen alles lösen, führt nicht aus der Spirale von Misserfolg und Frustration.

Komplexe Aufgabe mit großen Chancen

Wo eine wertschätzende Grundhaltung in der Zusammenarbeit zwischen Ärzten und Pflegekräften herrscht, lassen sich messbar bessere medizinische Ergebnisse erzielen. Zugleich fehlen oft die finanziellen Mittel, um den Ressourceneinsatz zu erhöhen. Pflegekräfte sind weltweit ein knappes Gut. Und Krankenhäuser müssen eigene Effizienzreserven heben, Prozesse neu ordnen und vor allem für ein gutes Miteinander aller Professionen sorgen.

Tief in die Prozesse einzutauchen und das Miteinander zu verbessern, ist eine komplexe Aufgabe mit großen Chancen. In Beratungsprozessen ist zu erleben, dass Ärzte und Pflegekräfte zeitnah über konkrete Verbesserungen in den täglichen Abläufen berichten, zum Beispiel über echte Kommunikation auf Augenhöhe. Das ist der erste Schritt. Ein sinnvoller Weg ist, Ärzte und Pflegekräfte eine „beste Version ihrer selbst“ entwickeln zu lassen. Soll heißen: Was müssen sie nun weiter ändern, um unter den gegebenen Voraussetzungen zur optimalen Station, zum optimalen Krankenhaus zu werden? Ärzte und Pflege sollten ein Zielbild erarbeiten, für ihr Krankenhaus, vor allem aber für sich selbst. Sie erhalten so die Möglichkeit, ihren Arbeitsplatz selbst zu gestalten. Entfaltungsfreiheit, Freude an der Arbeit und Partizipation sollen helfen, die psychische Gesundheit zu fördern, Effizienzreserven zu heben und Qualität sowie Wirtschaftlichkeit zu steigern.

Besonderes Konstrukt Krankenhaus

Krankenhäuser sind organisatorisch besondere Konstruktionen. In keinem anderen Unternehmenssektor gibt es zwei disziplinarisch komplett getrennte Berufsgruppen, die miteinander im Team am Patienten arbeiten. Ein Hierarchiestrang setzt sich aus der Pflegedirektion, Pflegedienstleitung, Stationsleitung, Pflegekraft zusammen. Dem gegenüber steht der Ärztliche Direktor, Chefarzt, Oberarzt und Assistenzarzt. Dazu kommen vielfältige Schnittstellen zum Fallmanagement, zur Physiotherapie, zum Sozialdienst, der Diätassistenz und natürlich auch zu den tertiären Bereichen wie Verwaltung oder IT. Eine einfache Matrixorganisation ist das nicht, schon gar keine Linienstruktur.

Damit eine solche Organisation erfolgreich sein kann, hilft es, von einer Metaebene aus zu analysieren, welche Veränderungen notwendig sind. Die Chance dabei: Mitarbeitende erhalten die Möglichkeit, ihren Arbeitsplatz selbst zu gestalten. Aufgabe von Führungskräften ist es, die schlummernden Veränderungspotenziale in den Menschen zu fördern.

Gemeinsames Team am Bett des Patienten

Zunächst muss sich dabei jede Berufsgruppe erst einmal selbst klarmachen, wie es um ihre Prozesse steht, ihre Kommunikation und ihren Umgang miteinander. Vor allem aber: Gibt es eine Identifikation mit dem Arbeitgeber, den Willen und die Bereitschaft, den eigenen Workflow aktiv mitzugestalten? Wenn die gruppenindividuellen Probleme benannt sind und bearbeitet werden, folgt der nächste Schritt: die Teambildung von Ärzten und Pflege. Am Ende soll ein gemeinsames Team am Bett den Patienten versorgen. Beispiel: Damit der Bettenwechsel künftig glatt funktioniert und neu aufgenommene Patienten nicht in Betten auf den Gängen liegen müssen, können Pflege und Ärzte gemeinsam eine Uhrzeit definieren, wann die Entlassungen stattfinden. Das Ärzteteam stellt sicher, dass die zeitlichen Vorgaben auch bei erwartbaren unerwarteten Störungen wie Notfällen eingehalten werden. Möglicherweise müssen Verantwortliche das stations- und klinikübergreifend denken, damit der Personaleinsatz flexibel wird.

Wie sich all das umsetzen lässt, muss das ärztliche und pflegerische Stationsteam auf Augenhöhe in definierten Prozessen gemeinsam klären. Gemeinsame definierte Kommunikations-, aber auch Eskalationsprozesse sind im Alltag nötig. Wenn Arzt und Pflegekraft unterschiedlicher Meinung sind, welche Behandlung ein Patient benötigt, müssen Konfliktlösungsmechanismen verankert sein, beispielsweise indem klar ist, dass in solchen Fällen Oberarzt und Stationsleitung gemeinsam mit dem Chefarzt sprechen. In einem zweiten Schritt muss das Schnittstellenmanagement in den Blick genommen werden. Eine bettenführende Station muss gut zusammenarbeiten mit der Zentralen Notaufnahme oder der Radiologie. Wie lässt sich das erreichen? Auch dort ist ein Top-down-Ansatz oder eine reine Prozessberatung wenig hilfreich, um wirklich dauerhaft Strukturen zu verbessern. Stattdessen gilt, dass die größten Chancen in einem strukturierten Veränderungsprozess zwischen allen Beteiligten liegen.

Zehn-Punkte-Manifest guter Zusammenarbeit

Krankenhäuser, die diesen Weg einschlagen wollen und auch prüfen wollen, ob sie erfolgreich damit sind, finden gute Möglichkeiten für eine Evaluation. Insbesondere bietet sich dafür das Zehn-Punkte-Manifest guter Zusammenarbeit im Krankenhaus an, das der Deutsche Berufsverband für Pflegeberufe (DBfK) und der Hartmannbund entwickelt haben.

Dtsch Arztebl 2021; 118(39): [2] 

Die Autorin:

Kathleen Aliaga
Produktmanagerin
consus healthcare akademie
48155 Münster

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