
Dipl.-Psych. Petra Schubert berät seit vielen Jahren Unternehmen aus der Gesundheitswirtschaft zu Themen rund ums Personalmanagement. An dieser Stelle beantwortet sie die interessantesten Fragen, die Ärztinnen und Ärzte aus der Klinik ihr in Coachings stellen.
Mein Chef behandelt mich wie einen Assistenzarzt – was kann ich tun?
„Ich habe seit längerer Zeit das Gefühl, dass mein Chefarzt mich nicht ernst nimmt. Jedes Mal, wenn wir uns in der Frühbesprechung treffen und „meine“ Patienten besprechen, grätscht er dazwischen oder korrigiert mich. Auch wenn wir uns unter vier Augen treffen, erzählt er mir, wie ich was zu tun habe. Natürlich hat er mehr Erfahrung und ist versierter. Doch ich bin Facharzt und möchte als solcher anerkannt werden. Das ist besonders schwer, wenn er mich vor Patienten bei der Visite korrigiert. Es kommt oft vor, dass er mir dann über den Mund fährt und seine Meinung darstellt, wenn ich Befunde darstellen und diese mit dem Patienten und den Kollegen besprechen will oder eine Therapie vorschlage. Dies tut er in einem Ton, der nahelegt, dass meine Meinung nichts zählt. Ich überlege schon, mich woanders zu bewerben. Was kann ich tun?“
Petra Schubert: „Diese Situation ist für Sie schwer, da Ihr Chefarzt nicht nur ein Kollege, sondern auch Ihr Vorgesetzter ist. Insofern hat man ständig im Hinterkopf, wie der Chef im nächsten Schritt agieren könnte, auch als Vorgesetzter. Dennoch sollten Sie sich, aus meiner Sicht, dieses Vorgehen nicht gefallen lassen.
Im ersten Schritt wäre es gut, ein Gespräch mit ihm zu suchen und zu schildern, wie es Ihnen geht, wenn er Sie korrigiert. Wichtig ist, dass Sie dies aus Ihrer Perspektive und in der Ich-Form tun, damit er nachvollziehen kann, wie Sie sich fühlen. Sie könnten darlegen, dass Sie ihn als Experten anerkennen, Sie jedoch auch selbst von ihm in Ihrer Fachkompetenz respektiert werden möchten. Wichtig ist, dass bei ihm nicht ankommt, Sie wollten sich in ein Kompetenzgerangel begeben. Falls dieses Gespräch nicht fruchtet, empfehle ich ein zweites Gespräch, in dem Sie ihn darum bitten, Ihre Kompetenz gegenüber den Patienten hervorzuheben und Ihnen den Rücken zu stärken. Auch würde ich andeuten, dass es Ihnen schwerfällt, sich unter diesen Bedingungen wohlzufühlen. Falls er weiterhin sein Verhalten weder reflektiert noch ändert, empfehle ich Ihnen, den Vorgesetzten des Chefarztes hinzuzuziehen. Sie könnten ihm oder ihr erzählen, wie sehr Sie Ihren Chefarzt und dessen Fachkompetenz respektieren, Sie selbst aber auch in Ihrer Fachkompetenz respektiert werden möchten, doch in Gesprächen mit ihm nicht weitergekommen sind. Sie könnten den oder die Vorgesetzte um Unterstützung bitten, bei einem klärenden Gespräch mit dem Chefarzt dabei zu sein. Ich wünsche Ihnen ganz viel Erfolg.“
Eine Kollegin hat vermutlich private Probleme – wie kann ich ihr helfen?
„Wir sind ein fachlich gut funktionierendes Team. Alle kennen ihre Aufgaben und fokussieren sich auf einen reibungslosen Ablauf und eine bestmögliche Patientenversorgung. Wir Assistenzärzte arbeiten Hand in Hand und unterstützen uns gegenseitig. Jedoch haben wir alle einen klaren Fokus auf die fachlichen Inhalte und Abläufe, weniger auf den Austausch von Privatem. Nun ist es so, dass eine meiner Kolleginnen, die bis vor Kurzem noch gute Arbeit geleistet hat, ihre Aufgaben und die Patientenbehandlung nicht mehr so im Griff hat wie drei Monate zuvor. Ich beobachte das schon eine Weile und frage mich, ob das an privaten Problemen liegt. Mir fällt es schwer, das anzusprechen. Ich möchte ihr nicht zu nahe treten oder das Gefühl geben, dass ich sie bloßstellen will. Auf der anderen Seite könnten wir ihr vielleicht helfen, wenn wir die Gründe für ihr Verhalten kennen würden. Was soll ich tun?“
Petra Schubert: „Anscheinend hat ihre Kollegin seit ungefähr drei Monaten einen deutlichen Leistungsrückgang. Wenn zuvor alles gut funktioniert hat und sie schon seit einer Weile gleichmäßig gute Arbeit geleistet hat, ist das erstaunlich und vielleicht auf private Probleme zurückzuführen. Es könnte jedoch auch sein, dass sie andere Probleme hat oder sich mit Abwanderungsgedanken befasst und daher nicht mehr ganz bei der Sache ist. Wichtig ist, dass die Spekulationen nicht Überhand nehmen und es die Möglichkeit gibt, ihre Kollegin zu unterstützen, sofern sie dies zulässt und will.
Um dies herauszufinden, ist es aus meiner Sicht gut und richtig, sie anzusprechen. Dies sollte jedoch in einem geschützten Rahmen geschehen, also unter vier Augen, beispielsweise bei einer Tasse Kaffee. Sie könnten sie darauf ansprechen, was Ihnen aufgefallen ist und ihr sagen, dass Sie sie gerne unterstützen würden. Sie könnten ähnliche Situationen von sich erzählen, damit ihre Kollegin das Gefühl bekommt, nicht allein zu sein und Verständnis zu finden. Vielleicht haben Sie selbst in einer bestimmten Situation Ihre Aufgaben nicht mehr so gut erfüllen können, da Sie mit den Gedanken woanders waren. Oder Sie könnten Sie direkt darauf ansprechen, dass Sie das Gefühl haben, sie habe private Schwierigkeiten und ihr anbieten, Sie und das Team würden ihr gern helfen, sofern sie dies möchte. Ich hoffe, sie öffnet sich und kann die angebotene Hilfe annehmen. Ich drücke die Daumen!“
Mein Kollege reagiert nicht auf wichtige E-Mails – was raten Sie mir?
„Als Oberarzt muss ich eng mit Kollegen aus anderen Fachrichtungen zusammenarbeiten. Es gibt einen Kollegen, der im direkten Kontakt und der Zusammenarbeit zuvorkommend und freundlich, doch bei Absprachen unzuverlässig ist. Er hat ein tiefes Fachwissen; ich kann mich auf seine Meinung und Ideen hinsichtlich der Befunde und Therapieansätze verlassen. Problematisch wird es, wenn ich versuche, ihn per E-Mail über Laborergebnisse oder Therapieansätze zu informieren. Wir hatten die Absprache, dass wir uns kurz E-Mails schicken, sobald Ergebnisse vorliegen, um uns abzustimmen und Patienten so schnell wie möglich unterstützen zu können. Doch wenn ich ihm eine E-Mail schicke, bekomme ich keine Antwort, auch nicht, wenn ich mehrfach nachhake. Dies führt dazu, dass es zu lange dauert, bis wir oder ich Patienten eine gute und gemeinsam abgestimmte Therapie vorschlagen kann. Ich habe meinen Kollegen in der direkten Zusammenarbeit darauf angesprochen. Er meinte, er hätte so viele E-Mails, es wäre ihm durchgerutscht und täte ihm leid. Leider ist das schon mehrfach passiert. Ich weiß nicht, was ich noch tun kann. Haben Sie einen Vorschlag?“
Petra Schubert: „Da Sie ja anscheinend einen guten und freundschaftlichen Kontakt mit dem Kollegen haben, sobald Sie ihn direkt sehen, würde ich ihn in einer ruhigen Minute unter vier Augen darauf ansprechen, dass er nun schon mehrfach nicht auf E-Mails geantwortet habe und Sie warten mussten und daher die Patientenversorgung gelitten habe.
Ich glaube, es wäre sinnvoll, wenn Sie sich gemeinsam abstimmen, nicht über E-Mails zu gehen, sondern sich telefonisch zu erreichen, damit sie sich kurzfristig abstimmen können. Vielleicht ist es möglich, dass sie gemeinsam eine Zeitspanne ausmachen, in der sie sich gut erreichen können, damit sie Patienten schnell Rückmeldung geben können. Ich kann gut verstehen, dass es schwierig ist, dem Kollegen hinterherzurennen, besonders im Hinblick auf eine schnelle und gute Patientenversorgung. Vielleicht funktioniert es über die Absprache einer gemeinsamen Zeitspanne, in der sie telefonieren können. Ich wünsche Ihnen gutes Gelingen!“
Dtsch Arztebl 2024; 121(23): [2]