Schuberts Sprechstunde: „Unser Chefarzt hat keine Zeit – was kann ich tun?“

14 Mai, 2024 - 07:58
Dipl.-Psych. Petra Schubert
Schuberts Sprechstunde: Petra Schubert

Dipl.-Psych. Petra Schubert berät seit vielen Jahren Unternehmen aus der Gesundheitswirtschaft zu Themen rund ums Personalmanagement. An dieser Stelle beantwortet sie die interessantesten Fragen, die Ärztinnen und Ärzte aus der Klinik ihr in Coachings stellen.

Unser Chefarzt hat keine Zeit – was kann ich tun?

„Wir sind eine Abteilung der Inneren Medizin; alle haben ihre Aufgaben und Verantwortungsbereiche. Wenn es um kritische Patienten oder ungewöhnliche Therapieansätze geht, ist es jedoch aus meiner Facharztsicht wichtig, mit unserem Chefarzt Rücksprache zu halten. Dieser ist die Koryphäe auf unserem Gebiet. Genau deshalb ist er sehr gefragt und häufig auf Kongressen oder in Verbänden unterwegs. Oft können wir nicht direkt oder kurzfristig Rücksprache mit ihm halten. Auch bei wichtigen Fragen, die wir mit ihm besprechen wollen, ist es oft unmöglich, innerhalb von zwei bis drei Tagen Rückmeldung zu erhalten. Das wirkt sich auf die Führung in der Abteilung aus und macht es schwierig, auch wenn wir uns im Kollegenkreis abstimmen können; meine Oberarztkollegen sind offen und hilfsbereit. Die Situation ist für die ganze Abteilung unbefriedigend. Was kann ich tun, damit sie für uns besser wird?“

Petra Schubert: „Das ist eine schwierige Situation. Einerseits ist es wichtig, dass Ihre Abteilung nach außen gut repräsentiert wird – insofern hilft das Renommee Ihres Chefarztes im weitesten Sinne auch dem Team. Andererseits ist es nötig, dass der Entscheidungsträger greifbar ist und zumindest per Telefon und oder E-Mail in abgesprochenen Zeiträumen zur Verfügung steht. Aus meiner Sicht wäre es wichtig, dass Sie sich mit diesen Anliegen an Ihren Chefarzt wenden. Vielleicht ist es möglich, auf ihn zuzugehen, wenn er das nächste Mal in der Abteilung vor Ort ist. Ich würde ihn im Vorfeld kontaktieren und ihm mitteilen, dass Sie sich mit ihm abstimmen wollen. Dabei sollten Sie benennen, dass es darum geht, wie Sie in der Abteilung künftig mit Entscheidungen und Führungsthemen umgehen wollen.

Vielleicht gibt es auf der Basis die Möglichkeit, mit ihm feste Zeiten zu vereinbaren, zu denen er erreichbar ist, so dass Sie patientennahe und notwendige Entscheidungen mit ihm besprechen können. Meine Empfehlung wäre festzulegen, wann und für welche Inhalte er wie schnell erreichbar sein muss. Wichtig wäre, dass er das Ganze nicht als Angriff versteht, sondern Sie deutlich machen, dass Sie seine Expertise schätzen und diese in der Abteilung benötigen. Falls Ihr Chef auch für eine derartige Abstimmung keine Zeit hat, sollten Sie zusammen mit Ihren Oberarzt- und Facharztkollegen überlegen, bei welchen Entscheidungen sie Ihren Chefarzt benötigen. Diese Liste sollten Sie ihm schicken und ihn bitten, Stellung zu nehmen. Viel Erfolg!“

28.03.2025, VAMED Rehaklinik Ahrenshoop GmbH
Ahrenshoop
28.03.2025, VAMED Rehaklinik Ahrenshoop GmbH
Ahrenshoop

Wie kommen wir wieder zu einem engagierten und verständnisvollen Arbeitsklima?

„In unserer großen Abteilung ist es wichtig, dass alle ihre Schwerpunkte beherrschen und voll umfänglich umsetzen. Nun haben wir einen Facharztkollegen, der zwar in seiner Aufgabe gut ist, doch diese sehr eng sieht. Für die Rand- oder Schnittstellenbereiche fühlt er sich nicht verantwortlich. Er kümmert sich nicht darum, wie die Prozesse vor oder nach seinem Aufgabenbereich laufen. Zudem drängt er darauf, keine Überstunden zu machen. Er schreibt strikt jede zusätzliche Minute auf und will diese abrechnen. Insbesondere die Assistenzärzte gucken sich das schon ab. So langsam kehrt eine Dienst-nach-Vorschrift-Mentalität ein. Ich habe das Gefühl, die Patienten werden weniger gut versorgt und alle achten nur noch auf sich. Ich verstehe, dass es nicht mehr üblich ist, regelmäßig über die normale Arbeitszeit hinaus zu arbeiten. Doch diese strenge Art der Abgrenzung verstehe ich nicht. Wie kommen wir wieder zu einem verständnisvollen und engagierten Arbeitsklima?“

Petra Schubert: „Aus meiner Sicht ist es nötig, mit Ihrem Kollegen direkt zu sprechen, zunächst in einem Vieraugengespräch, in welchem Sie Ihrer beider Sichtweisen darlegen. Das heißt, Sie sollten ihm deutlich machen, wie sein Verhalten auf Sie wirkt, was das in der Abteilung bewirkt und dass Sie kein Interesse mehr haben, ihn zu unterstützen. Sie sollten ihn bitten, sein Verhalten zu ändern und gemeinsam mit dem Team darüber zu reflektieren, wo er sie unterstützen kann.

Falls er sein Verhalten beibehält und weiterhin „Dienst nach Vorschrift“ durchzieht, empfehle ich, ihn in einem zweiten Gespräch darauf hinzuweisen, dass Sie sehen, dass sich nichts geändert hat und daher nun Ihren Chef hinzuziehen. Wenn Sie auf Ihren Chefarzt zugehen, sollten Sie ihm auch die Befürchtung darlegen, dass dieses Verhalten sich schon negativ auf das Klima und das Engagement in der Abteilung auswirkt.

Bestmöglich könnte der Chefarzt in der nächsten Frühbesprechung ansprechen, wie künftig im Team vorgegangen wird, ohne Namen oder Ursachen zu nennen, und was er als Engagement von allen Teammitgliedern erwartet. Gemeinsam mit allen Beteiligten kann er festlegen, wie die Zusammenarbeit gestaltet wird und in welchem Umfang es nötig ist, sich gegenseitig zu unterstützen. Ich hoffe, dass sich das Verhalten des Kollegen damit ändert, alle wieder in die gleiche Richtung schauen und sich gegenseitig unterstützen. Ich drücke Ihnen die Daumen!“

27.03.2025, Klinik Höhenried gGmbH
Tutzing
26.03.2025, Heiligenfeld GmbH
Bad Wörishofen

Meine Kollegin erledigt ihre Aufgaben nur teilweise – was raten Sie mir?

„Wir unterstützen uns in unserem kleinen Team gegenseitig und übernehmen auch mal eine Aufgabe, die nicht per direkter Delegation an uns Assistenzärzte herangetragen wird. Nun habe ich eine Kollegin, die die zusätzlichen Aufgaben nicht sieht und auch an sie übertragene teils nicht erledigt. Sie geht beispielsweise den Pflegekräften nicht zur Hand, wenn es sein müsste oder unterstützt den Facharzt nur, nachdem sie mehrmals aufgefordert wurde. Meist bleiben die nicht gemachten Aufgaben an jenen Assistenzärzten hängen, die sich mehr engagieren. Doch verschlechtert es deren Laune deutlich. Andererseits will ich nicht so viel meckern. Der Chefarzt wäre sicher nicht begeistert, wenn wir Assistenzärzte uns gegenseitig schlecht machen. Ich bin unsicher, was ich tun kann, damit meine Kollegin zumindest die Aufgaben wahrnimmt, die ihr zugewiesen sind. Welchen Rat geben Sie mir?“

Petra Schubert: „Bitte sprechen Sie Ihre Kollegin an und erläutern Sie, dass Ihnen auffällt, dass sie ihre Aufgaben nicht voll umfänglich wahrnimmt und sogar die an sie delegierten nicht komplett erledigt. Sie könnten darlegen, dass die Kolleginnen und Kollegen die unerledigten Aufgaben bisher für sie fertiggestellt haben, diese und Sie aber keine Lust mehr dazu haben. Weisen Sie sie auch darauf hin, dass Sie mit dem leitenden Oberarzt sprechen, wenn sie Aufgaben wieder nur teilweise erledigt und ein Gespräch mit diesem stattfinden wird, falls sich ihr Verhalten nicht ändert.

Sofern ein Gespräch mit dem leitenden Oberarzt nötig wird, sollte er darlegen, was unter einer zugewiesenen Aufgabe zu verstehen ist. Wichtig ist, dass Ihre Kollegin ganz deutlich gesagt bekommt, dass sie zumindest die ihr zugewiesenen Aufgaben zu erledigen hat und gern auch darüber hinaus das Team unterstützen kann. Der leitende Oberarzt könnte Beispiele nennen, in welchen Situationen sie Aufgaben nicht fertiggestellt hat.

Falls ihre Kollegin ihr Verhalten weiterhin nicht ändert, empfehle ich, die Personalabteilung hinzuzuziehen. In diesem Fall geht es um Arbeitsverweigerung. Das kann ein Fall für eine arbeitsrechtliche Abmahnung werden. Aber dies ist Aufgabe und Entscheidung ihres Chefarztes oder des leitenden Oberarztes. Ich hoffe, dass sich alles zum Guten wendet. Viel Erfolg!“

Dtsch Arztebl 2024; 121(10): [2]

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