Schuberts Sprechstunde: „Was können wir Ärzte gegen den Pflegemangel tun?“

21 November, 2023 - 07:45
Dipl.-Psych. Petra Schubert
Schuberts Sprechstunde: Petra Schubert

Dipl.-Psych. Petra Schubert berät seit vielen Jahren Unternehmen aus der Gesundheitswirtschaft zu Themen rund ums Personalmanagement. An dieser Stelle beantwortet sie die interessantesten Fragen, die Ärztinnen und Ärzte aus der Klinik ihr in Coachings stellen.

Was können wir Ärzte gegen den Pflegemangel tun?

„Ich bin Assistenzarzt und arbeite in der Inneren Medizin. In der uns zugeordneten Pflegemannschaft gibt es viele Ausfälle. Zudem sind einige Stellen nicht besetzt. Unsere Patienten bekommen durch den Pflegemangel viel zu wenig Betreuung und Versorgung. Die Pflegekräfte tun ihr Bestes, um allem gerecht zu werden. Doch der Druck und die Zeitnot, aber auch die Erwartungen der Patienten sind enorm. Dadurch kommt es immer wieder zu physischen Ausfällen oder psychischen Belastungen. Insofern würde ich gern etwas unternehmen, um die Pflegekräfte zu unterstützen. Ich sehe, dass die Patientenversorgung leidet und wir als gesamtes Team bei besserer Besetzung Besseres leisten können. Was kann ich tun?“

Petra Schubert: „Der Fachkräftemangel in der Pflege ist ein wirklich relevantes und viele Häuser betreffendes Thema. Die Erwartungen der Pflegedirektion, der Geschäftsleitung und der Patienten sind nicht auf die Umstände angepasst, sondern zielen eher auf den Fall einer guten Besetzung. Dies macht es den Pflegekräften schwer, sich abzugrenzen und mit gutem Gewissen ihre Arbeit zu verrichten. Ich kann Ihr Ansinnen, die Pflege zu unterstützen, gut verstehen. Sicherlich bezieht sich die aus dem Mangel resultierende Versorgungslücke auch auf Ihre Arbeit. Manche Ärzte berichten sogar, dass sie schon dazu übergehen, die Pflege aktiv in ihren Aufgaben zu unterstützen. Dies kann natürlich nicht das Ziel sein, da die Besetzungsquote des ärztlichen Dienstes nach deren Aufgaben berechnet ist. Sie könnten der Pflege vor Ort direkt Ihre Wertschätzung und Ihren Respekt für deren Einsatz ausdrücken. Das hilft zumindest schon mal fürs Teamklima und dafür, dass die Pflegekräfte sich wertgeschätzt fühlen.

Aus meiner Sicht wäre es gut, wenn Sie Ihren Chefarzt ansprechen und mit ihm Ihre Beobachtungen und die von Ihnen antizipierten negativen Folgen besprechen. Gemeinsam könnten Sie andenken, was Sie tun können, um die Pflege zu unterstützen und wieweit es sinnvoll wäre, sich an die Pflegedirektion oder die Geschäftsführung zu wenden. Leider gibt es wenige direkte Möglichkeiten für den ärztlichen Dienst, außer die Probleme beim Namen zu nennen und an der richtigen Stelle zu adressieren. Ich drücke Ihnen die Daumen, dass die Situation sich entspannt.“

Ich habe eine Chefarztposition angeboten bekommen – soll ich Kollegen mitnehmen?

„Ich bin Leitender Oberarzt und habe in einem anderen Haus, vermittelt durch meinen aktuellen Chefarzt, eine Chefarztposition angeboten bekommen. Diese Position interessiert mich sehr, weswegen ich mich ernsthaft mit dem Gedanken beschäftige, sie anzunehmen. Hauptthema aber ist, dass die Frage im Raum steht, ob ich weitere Kollegen mitnehmen kann, da in der neuen Abteilung aktuell weitere Positionen, zwei Assistenzarzt- und eine Facharztposition, unbesetzt sind. Natürlich trage ich mich mit dem Gedanken, meine Kollegen zu fragen, ob sie Interesse haben, mit mir gemeinsam die Abteilung auszurichten und aufzubauen. Andererseits habe ich Skrupel, da ich meine aktuelle Abteilung deutlich schwächen und mein aktueller Chefarzt, der mir die Stelle vermittelt hat, darunter leiden würde. Insofern hadere ich, was ich tun soll und diskutiere quasi mit mir selbst. Was können Sie mir raten?“

Petra Schubert: „Es freut mich für Sie, dass Sie die Möglichkeit haben, eine Chefarztposition anzunehmen und auch die Unterstützung dabei von Ihrem Chefarzt erhalten.

Ich kann gut verstehen, dass Sie Skrupel haben, einige Kollegen aus Ihrer aktuellen Abteilung mitzunehmen, da dies die positive Unterstützung ihres Chefarztes konterkarieren würde. Aus meiner persönlichen Sicht ist es immer wichtig, fair und transparent zu bleiben, damit man selbst noch in den Spiegel schauen kann. Dies würde bedeuten, mit Ihrem Chefarzt zu sprechen und ihm von der Anfrage hinsichtlich der Mitnahme von Kollegen zu berichten. Vielleicht können Sie gemeinsam mit ihm überlegen, was eine vertretbare Vorgehensweise wäre. Vielleicht können Sie auch insofern einen Kompromiss schließen, dass sie einen der Kollegen mitnehmen. Ich kann jedoch im Moment nicht absehen, wie Ihr Chefarzt reagieren würde. Dennoch finde ich das Spiel mit offenen Karten wichtig, da er Sie unterstützt und als potenziellen Kandidaten für die Position ins Spiel gebracht hat.

Notfalls, falls Ihr Chefarzt sich weigert, weitere Kollegen ziehen zu lassen, empfehle ich, aus Fairness keine der Kollegen anzusprechen, sondern erst mal die Chefarztposition anzunehmen und sich dann nach neuen Mitarbeitenden umzusehen. Ich wünsche Ihnen viel Erfolg in der neuen Aufgabe.“

Ein älterer Mitarbeitender will keine neuen Methoden mehr lernen – wie motiviere ich ihn?

„Wir haben in meiner chirurgischen Abteilung einen Mitarbeitenden, der gerade 62 Jahre alt geworden ist. Er ist ein Experte in der Handchirurgie. Aktuell gibt es neue Methoden, die ich gern in unserer Abteilung anwenden würde. Nun weigert er sich leider, diese neuen Methoden zu lernen. Er sagt, er habe bisher mit seinen Methoden gute Erfolge erzielt und müsse daher in seinem Alter nichts Neues mehr lernen, sondern könne die nächsten Jahre mit dem bisherigen routinierten Vorgehen weitermachen. Ich sehe das anders. Wir sollten unsere Abteilung regelmäßig an neuen Verfahren ausrichten, damit wir die bestmögliche Patientenversorgung erzielen. Wie soll ich vorgehen, damit mein älterer Mitarbeitender sich gegenüber den neuen Methoden öffnet?“

Petra Schubert: „Ich kann Ihre Sicht, die neuesten wissenschaftlichen Erkenntnisse in die Abteilung zu tragen und umzusetzen, gut verstehen. Wichtig ist natürlich, dass die Patientenversorgung auf dem höchsten machbaren Niveau bereitgestellt wird. Insofern ist es schwierig zu verstehen, dass weiterhin Routineaufgaben auf dem herkömmlichen Niveau durchgeführt werden sollen. Dennoch kann ich andererseits auch die Sichtweise des Mitarbeitenden verstehen, da er wahrscheinlich Angst und Befürchtungen hat, die neuen Methoden nicht so schnell lernen zu können und Fehler zu machen. Momentan ist er gut angesehen, wie ich Ihren Worten entnehme, er befürchtet wahrscheinlich, dass er dieses Ansehen verlieren könnte, wenn er neue Methoden lernt und diese nicht so schnell umsetzen kann oder nicht die gleiche Qualität liefert, wie er sie aktuell liefert.

Vielleicht ist es möglich, mit ihm direkt darüber zu sprechen und zu versichern, dass die Wertschätzung und Anerkennung in keiner Weise darunter leiden werden, sondern er weiterhin der Fachexperte für die Handchirurgie in Ihrer Abteilung bleibt. Vielleicht wäre eine Kooperation mit einem anderen Haus sinnvoll, in welchem er sich die neuen Methoden anschauen kann, aber auch den jüngeren Kollegen seine Erfolge darlegen und damit glänzen kann. Ich habe immer gute Erfahrung gemacht, wenn beide Seiten voneinander lernen. Wichtig ist, dass Sie ihn bei seinen Befürchtungen abholen und er weiterhin das Gefühl hat, Wertschätzung zu bekommen, aber auch gute Qualität liefern zu können. Dies könnte helfen. Ich drücke Ihnen die Daumen!“

Dtsch Arztebl 2023; 120(47): [2]

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