Knapp 10 Prozent der Erwerbstätigen in Deutschland arbeiten „suchthaft“, weitere 33 Prozent „exzessiv“. Gelassen arbeiten hingegen 55 Prozent der Erwerbstätigen. Führungskräfte und Selbstständige sind überdurchschnittlich oft von suchthaftem Arbeiten betroffen. Das jedenfalls ergab eine Studie von Forschenden des Bundesinstituts für Berufsbildung und der TU Braunschweig.
Für die von der Hans-Böckler-Stiftung geförderte Untersuchung befragten Beatrice van Berk, Prof. Dr. Christian Ebner und Dr. Daniela Rohrbach-Schmidt in den Jahren 2017 und 2018 insgesamt 8.000 Erwerbstätige. Die Forschenden bestimmten suchthaftes Arbeiten anhand zweier Dimensionen: Betroffene mussten exzessiv arbeiten, also lange, schnell und an verschiedenen Aufgaben parallel. Zudem mussten sie „getrieben“ sein. Will heißen: Sie können nur mit schlechtem Gewissen freinehmen oder sind unfähig, am Feierabend abzuschalten oder zu entspannen.
Wichtigste Ergebnisse: Am häufigsten neigen Menschen in Land-, Forst-, Tierwirtschaft und Gartenbau zu suchthaftem Arbeiten (19 Prozent). Am wenigsten betroffen sind Erwerbstätige in Informatik, Naturwissenschaft und Geografie (6 Prozent). Im Mittelfeld finden sich Erwerbstätige aus den Wirtschaftsbereichen Gesundheit, Soziales, Erziehung (11 Prozent). Soziodemografische Merkmale spielen keine große Rolle. So gab es keinen Zusammenhang zwischen suchthaftem Arbeiten und Schulabschluss oder Familienstatus. Mit 11 Prozent waren Frauen etwas öfter von suchthaftem Arbeiten betroffen als Männer mit 9 Prozent.
Darüber hinaus fanden die Forschenden einen Zusammenhang zwischen suchthaftem Arbeiten und Führungsverantwortung. Zudem ist suchthaftes Arbeiten unter den Führungskräften offenbar umso stärker ausgeprägt, je höher deren Position ist. In vielen Betriebskulturen, vermuten die Studienautoren, würden an Führungskräfte Anforderungen gestellt, die Anreize für ein arbeitssüchtiges Verhalten setzen, beispielsweise die Erwartung, als Erste zu kommen und als Letzte zu gehen.
Dtsch Arztebl 2022; 119(37): [4]