"TikTok kann auch Uniklinik“ – UKSH über ein virales Experiment mit Signalwirkung

13 Oktober, 2025 - 07:18
Miriam Mirza
Person hält ein Smartphone mit geöffnetem TikTok-Logo in der Hand, während sie mit einem Finger auf den Bildschirm zeigt. Casual Kleidung und helle Umgebung.

Ein Tanz im Klinikflur, ironisch inszenierte Alltagsszenen und ein aktueller TikTok-Sound: Mit diesem Video erreichte das Universitätsklinikum Schleswig-Holstein (UKSH) binnen 24 Stunden über 275.000 Aufrufe und fast 18.000 Likes. Bundesweit wurde diskutiert – kann und darf eine Uniklinik so auftreten? Für Anna Dammrich-Warth, kommissarische Leitung der Stabsstelle Integrierte Kommunikation und Bereichsleiterin Digitale Medien am Campus Kiel, war die Antwort klar: Ja, unbedingt.

Das TikTok-Video des UKSH hat bundesweit Schlagzeilen gemacht. Welche Überlegung stand ursprünglich hinter der Idee, diesen Kanal für die Ansprache potenzieller Nachwuchskräfte zu nutzen?

Anna Dammrich-Warth: Das UKSH nutzt TikTok, um mit einem Augenzwinkern auf die besondere Kultur und Arbeitswelt an einem der modernsten Krankenhäuser Europas aufmerksam zu machen. Die Aktion greift einen aktuellen Trend auf und zeigt, dass sich ein Universitätsklinikum wie das UKSH auch mit Selbstironie und Leichtigkeit präsentieren kann. Gerade in der Ansprache jüngerer Zielgruppen ist das eine zeitgemäße Form der Kommunikation, die Offenheit, Teamgeist und Nahbarkeit vermittelt und zugleich unsere Position als moderner Arbeitgeber stärkt.

TikTok gilt als Medium der jüngeren Generation. Welche Zielgruppen möchten Sie mit Ihren Inhalten erreichen und warum gerade dort?

Anna Dammrich-Warth: Wir versuchen mit unseren Inhalten insbesondere sehr junge Menschen zu erreichen, die sich noch in der beruflichen Orientierung befinden. TikTok ist neben Snapchat in dieser Zielgruppe eins der meistgenutzten Medien.

Social Media nicht als Ersatz, sondern eine Ergänzung

Wie unterscheiden sich Ihre Kommunikationsstrategien auf Social Media von klassischen Recruiting-Ansätzen wie Stellenanzeigen oder Karriere-Portalen?

Anna Dammrich-Warth: Klassisches Recruiting wie Stellenanzeigen oder Karriere-Portale ist eher formell, sachlich und transaktional. Es erreicht vor allem aktiv suchende Bewerberinnen und Bewerber, bietet wenig Interaktion und setzt auf standardisierte Textformate. Social Media Recruiting dagegen ist emotionaler, dialogorientierter und visuell vielfältiger. Es spricht auch passive Kandidatinnen und Kandidaten an, baut durch Storytelling und authentische Einblicke die Arbeitgebermarke auf und ermöglicht präzises Targeting sowie direkte Interaktion. Klassische Kanäle sind in Summe kurzfristig und funktional. Social Media hingegen ist langfristig, beziehungsorientiert und stärkt die Brand.

Ihr Beitrag ist viral gegangen. Vielen hat der Humor gefallen. Welche Reaktionen haben sie erhalten? 

Anna Dammrich-Warth: Das Video hat in kürzester Zeit eine große Reichweite erzielt – mit über 275.000 Aufrufen, fast 18.000 Likes und zahlreichen Kommentaren innerhalb eines Tages. Besonders erfreulich ist die Vielzahl positiver Rückmeldungen, etwa von Mitarbeitenden („Ich bin stolz, am UKSH zu arbeiten“) oder zukünftigen Auszubildenden („Ich mache bald meine Ausbildung am UKSH“). Diese Reaktionen zeigen, dass das Format für viele einen authentischen, sympathischen Eindruck vermittelt – und Neugier auf das UKSH weckt.

Das Video wurde aber auch kontrovers diskutiert. Manche lobten die kreative Ansprache, andere empfanden sie als unpassend für eine Uniklinik. Wie gehen Sie mit dieser Kritik um?

Anna Dammrich-Warth: Dass ein virales Video auch kontroverse Reaktionen auslöst, ist Teil der Dynamik sozialer Medien. Einzelne kritische Stimmen thematisieren Aspekte, an denen wir kontinuierlich arbeiten. Humor und Selbstironie schließen Ernsthaftigkeit und Verantwortungsbewusstsein nicht aus – beides hat im UKSH seinen Platz. Entscheidend ist: Das Video unterstützt auf kreative Weise unser Ziel, als Arbeitgeber sichtbar und ansprechbar zu sein.

„Humor und Ernsthaftigkeit schließen sich nicht aus“

Was würden Sie rückblickend anders machen und was sehen Sie als gelungen an diesem Beispiel?

Anna Dammrich-Warth: Wir würden das Video wieder genauso machen. Es ist uns gelungen, eine Uniklinik in einem anderen Bild zu zeigen und mal etwas ironisch auf den Arbeitsalltag zu schauen.

Recruiting im Krankenhausumfeld ist eine enorme Herausforderung. Welche Rolle kann Social Media Ihrer Ansicht nach im Wettbewerb um junge Ärztinnen und Ärzte spielen?

Anna Dammrich-Warth: Social Media ist kein Ersatz für klassische Recruiting-Prozesse, sondern eine strategische Ergänzung, die Reichweite schafft, Vertrauen aufbaut und Einstiegshürden senkt. Gerade im Wettbewerb um junge Ärztinnen und Ärzte kann es den entscheidenden Unterschied machen, ob ein Krankenhaus als moderner, offener und attraktiver Arbeitgeber wahrgenommen wird. Viele Unikliniken bieten ähnliche Arbeitsbedingungen. Social Media macht Unterschiede sichtbar und diese liegen oft in Menschen, Teams und Kultur. Es geht um die deutliche Abgrenzung gegenüber den Mitbewerbenden.

Wie verbinden Sie die Authentizität solcher Kanäle mit der Seriosität, die ein Universitätsklinikum als Arbeitgeber ausstrahlen muss?

Anna Dammrich-Warth: Authentizität bedeutet ja nicht, „locker und beliebig“ zu kommunizieren, sondern echt, nahbar und unverstellt. Seriosität bedeutet nicht „steif und distanziert“, sondern verlässlich, klar und professionell. Wenn beides bewusst zusammengedacht wird – etwa durch die Kombination von Mitarbeiter-Stories mit wissenschaftlichen Inhalten, von Alltagsszenen mit Karriereperspektiven –, entsteht ein glaubwürdiges Bild, das sowohl junge Ärztinnen und Ärzte anspricht als auch der Rolle eines Universitätsklinikums gerecht wird. Und manchmal muss man dann einfach auch ein humorvolles Video posten.

Ausprobieren lohnt sich 

Was haben Sie aus dieser Kampagne für künftige Aktivitäten gelernt?

Anna Dammrich-Warth: Dass wir genauso weitermachen sollten wie bisher.

Wie ist generell Ihre Erfahrung mit Recruiting von Ärztinnen und Ärzten über TikTok?

Anna Dammrich-Warth: TikTok ist im Recruiting von Ärztinnen und Ärzten kein Ersatz für klassische Kanäle, aber eine strategisch wertvolle Ergänzung. Insbesondere, um frühzeitig Kontakt zu Studierenden und jungen Assistenzärztinnen und -ärzten aufzubauen. Der größte Nutzen liegt im Employer Branding: Sichtbarkeit, Sympathie und moderne Außenwirkung. Für konkrete Bewerbungen bleibt eine gute Landingpage oder Karriereseite entscheidend.

Was würden Sie anderen Krankenhäusern raten, die überlegen, TikTok für Recruiting oder Employer Branding zu nutzen?

Anna Dammrich-Warth: Machen, anfangen, sich einfach mal ausprobieren und den Kanal von einer Person betreuen lassen, die den Kanal und die Zielgruppe versteht. Unikliniken sollten TikTok nutzen, um junges Publikum authentisch anzusprechen, Mitarbeitende sichtbar zu machen und ihre Arbeitgebermarke kreativ zu stärken. Entscheidend ist, klein zu starten, Erfahrungen zu sammeln und dabei konsequent authentisch und regelkonform zu bleiben.

FAQ: TikTok im Krankenhaus-Recruiting

Wie erfolgreich war das TikTok-Video des UKSH?
Es erreichte über 275.000 Aufrufe, fast 18.000 Likes und Hunderte Kommentare innerhalb von 24 Stunden.

Eignet sich TikTok für die Gewinnung von Ärztinnen und Ärzten?
TikTok ersetzt keine klassischen Kanäle, ist aber eine wertvolle Ergänzung. Es schafft Reichweite, baut Sympathie auf und senkt Einstiegshürden – besonders bei jungen Zielgruppen.

Wie kann ein Krankenhaus TikTok nutzen, ohne an Seriosität zu verlieren?
Durch Authentizität: Humor und Selbstironie schließen Professionalität nicht aus. Entscheidend ist eine klare Botschaft und die Verbindung von Alltagseinblicken mit Fachinhalten.

Was sollten Kliniken beachten, die TikTok ausprobieren wollen?
Klein starten, den Kanal von Social-Media-affinen Mitarbeitenden betreuen lassen und Erfahrungen sammeln. Social Media ist strategische Ergänzung – keine Ablösung klassischer Recruiting-Prozesse.

Die Expertin:

Anna Dammrich-Warth

Anna Dammrich-Warth: ist kommissarische Leitung der Stabsstelle Integrierte Kommunikation und Bereichsleiterin Digitale Medien am Campus Kiel des Universitätsklinikums Schleswig-Holstein (UKSH).

Bild: © UKSH

 

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