Den Arbeitsalltag in einer Klinik zu organisieren, ist herausfordernd. Es bedarf einer familienbewussten Personalpolitik und einem Verständnis für die Bedürfnisse der Mitarbeitenden. Zugleich muss die Patientenversorgung auch bei kurzfristigen Personalausfällen leitliniengerecht sichergestellt sein.
Gerade in Zeiten knapper wirtschaftlicher Ressourcen, des Wandels in der Krankenhausplanung und -finanzierung sowie des derzeitigen Wertewandels der Gesellschaft gilt es, die Belange der Beschäftigten besonders zu berücksichtigen. Die Perspektiven und Anforderungen der Beschäftigten rücken immer mehr in den Mittelpunkt der Klinikausrichtung. Nur so kann es gelingen, die aus unternehmerischer Perspektive leitliniengerechte Behandlung während der Arbeitsphase von den Beschäftigten auch zu erhalten. Falls dies kurzfristig familienbedingt mal nicht möglich sein sollte, hilft nur ein fachärztliches Kollegenteam, das sich soweit wie möglich gegenseitig stützt.
Eine relevante Determinante ist der immer weiter wachsende Frauenanteil im ärztlichen Dienst, der im Klinikum Leverkusen derzeit 56 Prozent beträgt. Nachfolgende Maßnahmen des Maximalversorgers mit seinen rund 2.450 Beschäftigten inklusive der Tochterunternehmen zeigen, was konkret bereits umgesetzt wurde, um eine optimale Work-Life-Balance zu ermöglichen, sowie noch anzugehende geplante Maßnahmen.
Bewusstsein für die Bedürfnisse junger Familien
Das Klinikum hat das Bewusstsein für die Bedürfnisse junger Familien bereits bei grundsätzlichen Entscheidungen in den Fokus gestellt, indem es Frauen mit kleinen Kindern auf der Geschäftsführungs- und Klinikdirektorenebene etabliert hat. Der Frauenanteil beträgt im oberärztlichen Bereich 34 Prozent. Beim Gestalten der Arbeitszeiten wird immer mehr dem Wunsch nach einer Teilzeitregelung Rechnung getragen. Der Anteil Teilzeitbeschäftigter beträgt 28 Prozent und verteilt sich auf 54 Prozent Frauen und 46 Prozent Männer.
Um mit diesen vereinbarten Arbeitszeiten den Anforderungen an den Krankenhausbetrieb gerecht zu werden, müssen die Dienstplaner die besonderen oberärztlichen Qualifikationen über die etablierten Arbeitszeitmodelle im Rahmen der Teilzeitbeschäftigung berücksichtigen. Da es auch auf der Ebene der Fachärzte und Fachärztinnen immer mehr Teilzeitarbeit gibt, bieten sich für diese Mitarbeitenden Beschäftigungen in Sprechstunden und ambulanten Strukturen mit fest geplanten Terminen entsprechend der Arbeitszeitverfügbarkeit an.
Attraktives Arbeiten in ambulanten Strukturen
Im Klinikum Leverkusen arbeiten neben den bereits beschrieben Oberärztinnen und Oberärzten weitere 45 Fachärztinnen und Fachärzte mit einem Teilzeitanteil von 75 Prozent. Auch in den klinikeigenen MVZ sind weitere 16 Fachärztinnen und Fachärzte mit einem Teilzeitanteil von 69 Prozent beschäftigt. Ein großer Teil der Fachärztinnen wechselte aus der Klinik in die MVZ. Daraus lässt sich ableiten, dass sich bei dem Prozess der weiteren Ambulantisierung der Behandlungsformen attraktive Arbeitsbedingungen für teilzeitbeschäftigte Fachärztinnen und Fachärzte in ambulanten Strukturen ergeben werden.
Die Praxis während der Coronapandemie, Ärztinnen mit Meldung ihrer Schwangerschaft sofort ein Beschäftigungsverbot auszusprechen, ist vorbei. Um die Facharztweiterbildung auch in dieser Zeit weiterzuverfolgen, setzt die Klinik schwangere Ärztinnen weiterhin in ihrem angestammten Tätigkeitsfeld ein oder betraut sie mit Aufgaben, die sie auch unter Rückgriff auf schützende Maßnahmen nicht gefährden.
Familienbewusste Personalpolitik
Bereits während der Elternzeit oder zum Wiedereinstieg danach kann man durch einen engen Kontakt schon frühzeitig Beschäftigungsangebote entsprechend der gewünschten Arbeitszeit besprechen und finden. Dies erfordert natürlich manchmal auch Kompromisse, die in einem offenen Dialog unter Abwägung der Interessen der Ärztinnen und der Anforderungen an die Patientenversorgung zu Lösungen führen sollten. Dafür ist eine familienbewusste Personalpolitik relevant, die die Bereitschaft mitbringt, Prozesse anzupassen.
Im ärztlichen Dienst des Klinikums Leverkusen gibt es derzeit 16 verschiedene Arbeitszeitregelungen, die von wöchentlich zwei Stunden (ein Arbeitstag/Monat) bis zur Vollzeit reichen. Häufig werden diese Regelungen auf Wunsch der Ärztinnen und Ärzte befristet, um sie dann sukzessive auch in kurzen Intervallen anzupassen. Beim Wunsch nach länger andauernden Beurlaubungen führt die Klinikdirektion mit den Ärztinnen und Ärzten Abstimmungsgespräche, um eine optimale Work-Life-Balance zu finden.
Arbeiten im Homeoffice und Kinderbetreuung
Seit der Coronapandemie hat sich auch das mobile Arbeiten (Homeoffice) in den Arbeitsbereichen etabliert, die dies aufgrund des Digitalisierungsgrads für den jeweiligen Arbeitsprozess ermöglichen. Im ärztlichen Dienst wird dieses Angebot zur Codierung oder der Befund- und Arztbrieffertigung angenommen. Angebote zur Kinderbetreuung wie Kindertagesstätte oder Ferienfreizeiten konnte das Klinikum Leverkusen bisher noch nicht realisieren. Dies steht jedoch als Projekt an. Die Betreuung und Versorgung von Kindern ist als weiterer Baustein unabdingbar, um die Work-Life-Balance der Mitarbeitenden zu fördern und zu verbessern.
Die jährlichen Fortbildungs- und Weiterbildungsangebote im ärztlichen Dienst, ohne die Kosten der Facharztweiterbildung, betragen im Klinikum Leverkusen rund 100 000 Euro für Seminar- und Reisekosten sowie rund 300 000 Euro für Freistellung von der Arbeit.
Auch in einem Krankenhaus mit seinen komplexen Anforderungen an die Präsenz von Beschäftigten mit besonderen Qualifikationen, teilweise 24/7, ist eine Work-Life-Balance realisierbar. Natürlich sind die Arbeitszeiten im ärztlichen Dienst nicht so flexibel wie beispielsweise für Beschäftigte im Controlling oder der IT, die ihre Aufgaben losgelöst von Ort und Zeit bis zu einem festgesetzten Termin ausüben. Aber wenn man sich auf den Weg macht, ergeben sich durch Abstimmungsgespräche weitere Möglichkeiten.
Dtsch Arztebl 2023; 120(41): [2]
Der Autor
Detlef Odendahl
Prokurist
Geschäftsbereichsleiter Recht & Personal, Klinische Funktionen
Klinikum Leverkusen gGmbH
51375 Leverkusen
Mitglied im Initiativkreis neue Personalarbeit in Krankenhäusern (InPaK)