Zusatz-Weiterbildung Intensivmedizin: Dauer, Inhalte, Voraussetzungen

24 Mai, 2023 - 08:11
Stefanie Hanke
Ärztin auf der Intensivstation

Seit Beginn der Corona-Pandemie ist die Belegung der Intensivstationen häufig Thema in den Nachrichten. Hier arbeiten unter anderem Ärztinnen und Ärzte mit der Zusatz-Bezeichnung Intensivmedizin. Wie lange die Zusatz-Weiterbildung dauert und wie sie abläuft, erfahren Sie im Beitrag.

Auf einen Blick: Zusatz-Weiterbildung Intensivmedizin

  • Definition: Die Intensivmedizin beschäftigt sich mit der Diagnostik, Behandlung und Beobachtung von akut lebensbedrohlichen Zuständen und Erkrankungen. Dies geschieht in der Regel auf speziell ausgestatteten Intensivstationen im Krankenhaus.
  • Voraussetzungen: Facharztanerkennung in den Gebieten Anästhesiologie, Chirurgie, Innere Medizin, Kinder- und Jugendmedizin, Neurochirurgie oder Neurologie
  • Dauer: 18 Monate Intensivmedizin unter Befugnis an Weiterbildungsstätten
  • Anzahl der Ärzte: In Deutschland sind 12.434 Ärztinnen und Ärzte mit der Zusatzbezeichnung "Intensivmedizin" bei den Kammern registriert (2022).

Wie ausgelastet sind die Intensivstationen in den Krankenhäusern? Neben den Inzidenzzahlen gehört diese Information zu den Richtwerten im Umgang mit der Corona-Pandemie. Denn die Zahl der Intensivbetten ist begrenzt: Grund dafür ist in den meisten Fällen das fehlende Fachpersonal. Neben speziell ausgebildeten Intensiv-Pflegekräften arbeiten auf den Intensivstationen Ärztinnen und Ärzte verschiedener Fachgebiete (Anästhesie, Innere Medizin, Chirurgie, Neurologie, Pädiatrie), die sich mit der Zusatz-Weiterbildung "Intensivmedizin" für dieses Gebiet qualifiziert haben.

Patientinnen und Patienten in lebensbedrohlichen Situationen

Auf den Intensivstationen werden Patientinnen und Patienten behandelt, deren Zustand akut lebensbedrohlich ist. Grund hierfür können beispielsweise schwere Unfälle, Erkrankungen oder eine frisch überstandene Operation sein. Um schnell auf eine Veränderung reagieren zu können, werden die Patientinnen und Patienten auf der Intensivstation besonders gründlich überwacht. Hierzu dienen unter anderem Vitaldatenmonitore, die ständig Parameter wie EKG, Körpertemperatur, Sauerstoffsättigung und Blutdruck erfassen und bei kritischen Veränderungen Alarm schlagen.

Andere Geräte unterstützen die Vitalfunktionen der Patientinnen und Patienten: So kommen in der Intensivmedizin beispielsweise ECMO-Geräte (Extrakorporale Membranoxygenierung) zum Einsatz, die das Blut (vereinfacht gesagt) außerhalb des Körpers mit Sauerstoff anreichern. Außerdem werden in der Intensivmedizin beispielsweise Infusionen, Dialysegeräte und Magensonden zur künstlichen Ernährung verwendet. Diese Apparate ermöglichen es den Ärztinnen und Ärzten, Patientinnen und Patienten am Leben zu erhalten, auch wenn Organe vorübergehend ausfallen.

Engmaschige Betreuung im interdisziplinären Team

Dabei wäre es falsch, die Intensivmedizin mit einer reine Apparate-Medizin gleichzusetzen. Durch einen wesentlich günstigeren Personalschlüssel können die Pflegekräfte, Ärztinnen und Ärzte ihre Patientinnen und Patienten auf den Intensivstationen deutlich engmaschiger betreuen als auf einer Normalstation. Dafür arbeitet ein interdisziplinäres Team aus verschiedenen ärztlichen Fachbereichen, Pflegekräften und therapeutischen Berufsgruppen eng zusammen. Ziel ist es, den Patientinnen und Patienten eine möglichst schnelle Verbesserung ihres Zustandes und möglichst wenig Schmerzen zu ermöglichen. Mit Hilfe der intensiven Betreuung  können sich die geschwächten Körper häufig besser erholen, als es auf einer Normalstation möglich wäre.

Unter anderem werden Menschen intensivmedizinisch behandelt, die unter folgenden Krankheitsbildern leiden:

  • überwachungspflichtige postoperative Zustände (z. B. nach Herzoperationen)
  • akutes Nierenversagen
  • schwere Herzerkrankungen und lebensbedrohliche Herzrhythmusstörungen
  • schwere neurologische Erkrankungen (Schlaganfall, cerebrale Blutungen,...)
  • schweres Schädel-Hirn-Trauma, Polytrauma und andere lebensbedrohliche Verletzungen
  • schwere Infektionen
  • schwere Vergiftungen
  • Sepsis
  • Störungen der Atmung (Lungenembolie, akutes Lungenversagen, Lungenödem,...)

Neue Behandlungsmöglichkeiten seit den 1950er Jahren

Die Entstehung der Intensivmedizin gehört zu den wichtigsten medizinischen Entwicklungen im 20. Jahrhundert. Durch die neuen Überwachungs- und Behandlungsmethoden konnten seit den 1950er Jahren viele Menschen gerettet werden, die sonst keine Überlebenschance gehabt hätten. Die Wurzel der Intensivmedizin liegt dabei in der Anästhesiologie – auch heute noch sind beide Fachgebiete eng miteinander verbunden. Die erste Intensivstation der Welt wurde 1954 in Kopenhagen gegründet, um Patienten nach einer Polio-Epidemie längerfristig beatmen zu können.

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Intensivmediziner werden: Die Zusatz-Weiterbildung im Überblick

Dauer der Weiterbildung

  • 18 Monate Intensivmedizin unter Befugnis an Weiterbildungsstätten

Inhalte der Weiterbildung

Übergreifende Inhalte der Zusatz-Weiterbildung Intensivmedizin

  • Differentialdiagnostik und Therapieoptionen der Funktionsstörungen lebenswichtiger Organsysteme
  • Leitung und Koordination der interdisziplinären und interprofessionellen Behandlung in der Intensivmedizin
  • Anwendung von allgemeinen und gebietsbezogenen Skalen und Scoringsystemen in der Intensivmedizin
  • Intensivmedizinische Dokumentation
  • Behandlungspriorisierung, Aufnahme-, Verlegungs- und Entlassmanagement
  • Palliative Behandlung von Intensivpatienten einschließlich Therapiezielfindung bzw. Therapiezieländerung auf Basis des (mutmaßlichen) Patientenwillens
  • Patientensicherheit, Zwischenfalls- und Fehlermanagement in der Intensivmedizin
  • Einschätzung, Prävention und Therapie von Schmerzen bei Intensivpatienten
  • Einschätzung, Prävention und Therapie des Delirs bei Intensivpatienten
  • Frührehabilitative Therapie in der Intensivmedizin
  • Sedierung und Muskelrelaxation in der Intensivmedizin
  • Intensivmedizinische Ernährungs- und Infusionstherapie
  • Intensivmedizinische Pharmakotherapie einschließlich Drug monitoring
  • Allgemeine und spezielle Detoxikationsmaßnahmen
  • Transport des kritisch Kranken

Diagnostik und Überwachung

  • Bildgebende und endoskopische Diagnostik einschließlich invasiver Verfahren und therapeutischer Optionen in der Intensivmedizin
  • Richtungsweisende sonographische Untersuchungen in der Intensivmedizin
  • Intensivmedizinische Patientenüberwachung

Invasive Maßnahmen

  • Atemwegsmanagement bei Intensivpatienten
  • Punktions-, Drainage- bzw. Katheterverfahren
  • Pleurapunktion/Pleuradrainage
  • Thoraxdrainage
  • Indikationsstellung zur Tracheostomie sowie Umgang mit Tracheostomata und Trachealkanülen
  • Transkutane Elektrotherapie des Herzens
  • Grundlagen und Methodik der externen Schrittmachertherapie
  • Arterielle und zentralvenöse Kanülierung beim Intensivpatienten, auch ultraschallgestützt

Notfälle

  • Notfallmanagement auf der Intensivstation
  • Herz-Lungen-Wiederbelebung mit erweiterten Maßnahmen und Modifikationen sowie intensivmedizinische Behandlung eines Patienten nach Wiederbelebung
  • (Poly-)Trauma
  • Erkennung, Akutversorgung und intensivmedizinische Erstbehandlung bei Notfällen im Rahmen der (intensiv-)stationären Therapie, auch in interdisziplinärer Zusammenarbeit

Homöostase

  • Altersbedingte Unterschiede/Veränderungen und deren Implikationen für Krankheitsverlauf/Krankheitsmanifestation sowie die intensivmedizinische Behandlung
  • Intensivmedizinische Behandlung von Störungen der Homöostase, insbesondere des Flüssigkeits-, Elektrolyt-, Säure-Basen- und Glukosehaushalts
  • Therapie mit Blut und Blutprodukten sowie Gerinnungstherapie
  • Antikoagulatorische und antithrombozytäre Therapie in der Intensivmedizin
  • Anwendung und Durchführung von intensivmedizinischen Therapieverfahren zur Regulation der Körpertemperatur

Nervensystem

  • Erkennung und Behandlung der Auswirkungen von kritischer Krankheit und Intensivtherapie auf das Nervensystem
  • Messung, Überwachung und Therapie von intrakraniellem Druck, zerebraler Perfusion und zerebralem Metabolismus
  • Prüfung der klinischen Symptome des irreversiblen Hirnfunktionsausfalls

Respiratorisches System

  • Nicht-invasive und invasive Beatmung einschließlich der Beatmungsentwöhnung und Prävention sekundärer Lungenschäden
  • Supportive intensivmedizinische Therapie des respiratorischen Systems und des beatmeten Patienten
  • Prinzipien und Möglichkeiten extrakorporaler Lungenersatzverfahren

Kardiovaskuläres System

  • Fokussierte echokardiographische Diagnostik bei hämodynamischer Instabilität sowie bei Links- bzw. Rechtsherzbelastung im Rahmen der Intensivmedizin
  • Prinzipien und Möglichkeiten mechanischer Kreislaufunterstützungssysteme

Niere und Urogenitaltrakt

  • Durchführung der Nierenersatztherapie im Rahmen der Intensivmedizin, auch in interdisziplinärer Zusammenarbeit

Infektiologie und Hygiene

  • Hygienemaßnahmen und Infektionsprophylaxe einschließlich Isolationsmaßnahmen und ihren Besonderheiten in der Intensivmedizin
  • Inflammation und Sepsis sowie Wirtsantwort und Immundefizienz
  • Grundlagen zu Resistenzmechanismen und Multiresistenzen
  • Antiinfektive Pharmakotherapie einschließlich Drug monitoring

Organspende/Transplantation

  • Organprotektive Behandlung von Patienten mit irreversiblem Funktionsausfall des Gehirns

Schwangerschaft

  • Besonderheiten der intensivmedizinischen Behandlung schwangerer Patientinnen

Behandlung spezieller Krankheitsbilder

  • Intensivmedizinische Behandlung, auch in interdisziplinärer Zusammenarbeit, von Patienten mit
    • neurologischen Beeinträchtigungen bzw. Erkrankungen
    • respiratorischer Insuffizienz einschließlich ARDS (ohne Lungenersatzverfahren)
    • Infektionen des oberen und unteren Respirationstraktes
    • schwerer kardialer Insuffizienz myogener, mechanischer und elektrischer Genese
    • Schockformen unterschiedlicher Genese
    • schweren Gefäßerkrankungen
    • schweren gastrointestinalen Erkrankungen
    • Einschränkungen der Nierenfunktion und bei Nierenversagen
    • Sepsis und septischem Schock
    • Immunkompromittierung

Spezifische Inhalte für die Facharzt-Weiterbildung Anästhesiologie

Anästhesiologische Inhalte für die Zusatz-Weiterbildung Intensivmedizin

  • Perioperative Intensivbehandlung in Zusammenarbeit mit den das Grundleiden behandelnden Ärzten
  • Behandlung intensivmedizinischer Krankheitsbilder in Zusammenarbeit mit den das Grundleiden behandelnden Ärzten
  • Komplexes Atemwegsmanagement und schwieriger Atemweg beim Intensivpatienten
  • Perkutane Tracheostomie (Richtzahl: 10)
  • Besonderheiten der intensivmedizinischen Behandlung von Patienten nach Transplantation solider Organe

Spezifische Inhalte für die Facharzt-Weiterbildungen im Gebiet Chirurgie

Chirurgische Inhalte für die Zusatz-Weiterbildung Intensivmedizin

  • Intensivmedizinische Behandlung bei vital bedrohlichen chirurgischen Erkrankungen
  • Intensivmedizinische Behandlung gebietsbezogener Krankheitsbilder, insbesondere bei oder nach Operationen und Verletzungen
  • Perkutane Tracheostomie (Richtzahl: 10)
  • Besonderheiten der intensivmedizinischen Behandlung von Patienten nach Transplantation solider Organe

Spezifische Inhalte für die Facharzt-Weiterbildungen im Gebiet Innere Medizin

Internistische Inhalte für die Zusatz-Weiterbildung Intensivmedizin

  • Intensivmedizinische Behandlung bei vital bedrohlichen internistischen Erkrankungen
  • Intensivmedizinische Behandlung gebietsbezogener Krankheitsbilder
  • Perkutane Tracheostomie (Richtzahl: 10)
  • Transvenöse Schrittmachertherapie (Richtzahl: 3)
  • Intensivmedizinische Behandlung von Patienten mit schweren Nierenerkrankungen und (drohendem) Nierenversagen, auch in interdisziplinärer Zusammenarbeit
  • Besonderheiten der intensivmedizinischen Behandlung von Patienten nach Transplantation solider Organe

Spezifische Inhalte für die Facharzt-Weiterbildung Neurochirurgie

Neurochirurgische Inhalte für die Zusatz-Weiterbildung Intensivmedizin

  • Intensivmedizinische Behandlung bei vital bedrohlichen neurochirurgischen Erkrankungen
  • Intensivmedizinische Behandlung gebietsbezogener Krankheitsbilder, insbesondere bei oder nach neurochirurgischen Operationen und Verletzungen
  • Perkutane Tracheostomie (Richtzahl: 10)
  • Messung, Überwachung und Therapie von intrakraniellem Druck, zerebraler Perfusion und zerebralem Metabolismus
  • Neurophysiologisches Monitoring und Langzeitneuromonitoring (Richtzahl: 25)

Spezifische Inhalte für die Facharzt-Weiterbildung Neurologie

Neurologische Inhalte für die Zusatz-Weiterbildung Intensivmedizin

  • Intensivmedizinische Behandlung bei vital bedrohlichen neurologischen Erkrankungen
  • Intensivmedizinische Behandlung von Störungen und Erkrankungen des zentralen Nervensystems, des Rückenmarkes, des peripheren Nervensystems, der neuromuskulären Übertragung und der Muskeln sowie der intensivmedizinisch relevanten neuropsychiatrischen Erkrankungen
  • Perkutane Tracheostomie (Richtzahl: 10)
  • Messung, Überwachung und Therapie von intrakraniellem Druck, zerebraler Perfusion und zerebralem Metabolismus mittels liegendem Messsystem
  • Neurophysiologisches Monitoring und Langzeitneuromonitoring (Richtzahl: 25)

Spezifische Inhalte für die Facharzt-Weiterbildung Kinder- und Jugendmedizin

Kinder- und Jugendmedizinische Inhalte für die Zusatz-Weiterbildung Intensivmedizin

  • Intensivmedizinische Behandlung gebietsbezogener Krankheitsbilder
  • Perioperative Intensivbehandlung von Kindern und Jugendlichen
  • Erkennung von Misshandlung oder Missbrauch beim akut kritisch kranken oder verletzten Kind einschließlich der Einleitung von weiterführenden Maßnahmen
  • Besonderheiten der intensivmedizinischen Behandlung von Patienten nach Transplantation solider Organe
  • Intensivmedizinische Behandlung von pädiatrischen Patienten nach Knochenmarkstransplantation, auch in interdisziplinärer Zusammenarbeit

Quellen: Musterweiterbildungsordnung 2018 der Bundesärztekammer, Ärztestatistik der Bundesärztekammer 2022, Deutsche Interdisziplinäre Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin (DIVI)

 


Aktuelle Stellenangebote in diesem Fachgebiet:

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