Zusatz-Weiterbildung Rehabilitationswesen: Dauer, Inhalte, Voraussetzungen

10 Mai, 2024 - 07:28
Stefanie Hanke
Älterer Mann im Rollstuhl mit Ärztin

Das Thema Rehabilitation wird in der Medizin immer wichtiger: Grund dafür sind neben dem demographischen Wandel auch die großen Fortschritte, die die Medizin gemacht hat. Doch neben den eigentlichen medizinischen Rehabilitationsmaßnahmen sind auch sozialmedizinische, organisatorische und rechtliche Fragen wichtig. Diese Aspekte stehen im MIttelpunkt der Zusatz-Weiterbildung Rehabilitationswesen. In diesem Beitrag erfahren Sie, wie die Zusatz-Weiterbildung abläuft und welche Voraussetzungen es dafür gibt.

Auf einen Blick: Zusatz-Weiterbildung Rehabilitationswesen

  • Definition: Die Zusatz-Weiterbildung Rehabilitationswesen fokussiert sich weniger auf die Durchführung der Rehabilitationsmaßnahmen selbst. Im Mittelpunkt stehen vielmehr die sozialmedizinischen Grundlagen, die inhaltlichen und rechtlichen Rahmenbedingungen der Rehabilitation sowie die Abläufe im Antragsverfahren.
  • Voraussetzungen: Facharztanerkennung in einem Gebiet der unmittelbaren Patientenversorgung
  • Dauer: 320 Stunden Kurs-Weiterbildung, davon 160 Stunden Rehabilitationswesen/Sozialmedizin und 160 Stunden Rehabilitationswesen. Zusätzlich Rehabilitationswesen gemäß Weiterbildungsinhalten unter Befugnis.
  • Anzahl: In Deutschland sind 2.789 Ärztinnen und Ärzte mit der Zusatzbezeichnung „Rehabilitationswesen“ bei den Kammern registriert. Davon sind 1.662 berufstätig.

Egal, ob nach einer schweren Krankheit, einer Operation oder einem Unfall: Die Rehabilitation soll Patientinnen und Patienten dabei helfen, ihre psychischen und physischen Fähigkeiten zurückzugewinnen. Ziel kann dabei beispielsweise eine Rückkehr ins Arbeitsleben und eine bessere soziale Teilhabe sein.

Das bio-psycho-soziale Modell von Gesundheit und Krankheit

Wichtig für die moderne Rehabilitationsmedizin ist dabei das sogenannte bio-psycho-soziale Modell von Gesundheit und Krankheit, das im Jahr 2001 von der Weltgesundheitsorganisation (WHO) veröffenticht wurde. Es ist die Grundlage der „International Classification of Functioning, Disability and Health" (ICF). Bei dem bio-psycho-sozialen Modell handelt es sich um eine ganzheitliche Herangehensweise an Fragen von Gesundheit und Krankheit und damit auch an die Rehabilitation. Das Modell berücksichtigt nicht nur die körperlichen Aspekte einer Verletzung oder Erkrankung, sondern auch die psychischen und sozialen Auswirkungen auf die Betroffenen. Das bedeutet: Eine erfolgreiche Rehabilitation hängt nicht nur von der medizinischen Behandlung ab, sondern auch von der Unterstützung des sozialen Umfelds und der psychischen Verarbeitung der Erkrankung oder Verletzung.

Durch eine umfassende Betrachtung des bio-psycho-sozialen Modells können medizinische Fachkräfte eine individuelle und ganzheitliche Rehabilitation planen und durchführen, die den Bedürfnissen und Zielen des Patienten oder der Patientin entspricht. Ärztinnen und Ärzte, die sich für diese Aufgabe interessieren, können sich mit der Zusatz-Weiterbildung Rehabilitationswesen dafür qualifizieren.

Ärztinnen und Ärzte mit dieser Zusatz-Bezeichnung können in verschiedenen Bereichen tätig sein:

  • Rehabilitationseinrichtungen: Ärztinnen und Ärzte mit der Zusatzbezeichnung Rehabilitationswesen können in Rehabilitationseinrichtungen wie Rehabilitationskliniken, Rehabilitationszentren oder Rehabilitationsabteilungen von Krankenhäusern arbeiten. Hier betreuen sie Menschen, die eine Rehabilitation benötigen, um ihre körperlichen, psychischen oder sozialen Funktionen zu verbessern.
  • Praxen: Möglich ist auch eine selbstständige oder angestellte Tätigkeit im ambulanten Bereich. Neben der Betreuung von Patientinnen und Patienten können die Ärztinnen und Ärzte auch als Gutachter für Versicherungen oder Gerichte tätig sein.
  • Forschung und Lehre: Ärztinnen und Ärzte mit der Zusatzbezeichnung Rehabilitationswesen können auch in der Forschung und Lehre tätig sein, um die Rehabilitation zu verbessern und neue Behandlungsmethoden zu entwickeln.
  • Versicherungsträger, Krankenkassen etc.: Außerdem können Ärztinnen und Ärzte mit der Zusatz-Bezeichnung Rehabilitationswesen als Sachverständige bei Versicherungsträgern arbeiten, z.B. der Deutschen Rentenversicherung Bund.

Rehabilitationswesen und Sozialmedizin

Ein enger Zusammenhang besteht zwischen den Zusatz-Weiterbildungen Rehabilitationswesen und Sozialmedizin: So sind einige der Inhalte in beiden Weiterbildungen identisch. In beiden Bereichen kommt es darauf an, bei der Behandlung von Patientinnen und Patienten auch die sozialen Aspekte und das Umfeld mit einzubeziehen.

Allerdings konzentriert sich das Rehabilitationswesen auf Patientinnen und Patienten, die bereits eine Erkrankung haben, während bei der Sozialmedizin auch präventive Fragen im Fokus stehen.

In beiden Bereichen ist interdisziplinäres Arbeiten wichtig. So erstellen Ärztinnen und Ärzte mit dem Schwerpunkt Rehabilitationswesen Konzepte, die später von Ärztinnen und Ärzten anderer Fachrichtungen sowie von Fachkräften aus verschiedenen therapeutischen Berufen umgesetzt werden.
 


Rehabilitationswesen: Die Zusatz-Weiterbildung im Überblick

Dauer der Weiterbildung

  • 320 Stunden Kurs-Weiterbildung gemäß § 4 Abs. 8 in Rehabilitationswesen, davon
    • 160 Stunden Kurs-Weiterbildung in Rehabilitationswesen/Sozialmedizin
    • 160 Stunden Kurs-Weiterbildung in Rehabilitationswesen

und zusätzlich

  • Rehabilitationswesen gemäß Weiterbildungsinhalten unter Befugnis

Inhalte der Weiterbildung

Gemeinsame Inhalte für die Zusatz-Weiterbildungen Rehabilitationswesen und Sozialmedizin

Übergreifende Inhalte der Zusatz-Weiterbildung Rehabilitationswesen

  • Ethische und juristische Aspekte für die Tätigkeit als Sachverständiger
  • Anwendung des biopsychosozialen Modells der WHO bei der Beurteilung von Funktionsfähigkeit unter Berücksichtigung von Kontextfaktoren sowie Erstellung von Funktionsdiagnosen
  • Begriffsbestimmung und Konzepte der Sozial- und Rehabilitationsmedizin einschließlich der Behindertenrechtskonvention der UN
  • Begriffsdefinitionen und Abgrenzung der Gesundheitsstrategien Prävention, Kuration, Rehabilitation und Pflege
  • Soziale Sicherungssysteme und Versorgungsstrukturen
  • Prinzipien des Gesundheits- und Sozialsystems und deren Interaktion
  • Anwendung des trägerübergreifenden Teilhabebegriffs und Steuerung von trägerspezifischen und trägerübergreifenden Teilhabeleistungen
  • Epidemiologie, Dokumentation, Statistik und Gesundheitsberichterstattung
  • Sozialleistungsträger und ihre Aufgaben und Schnittstellen gemäß Sozialgesetzbuch
  • Anwendung der gesetzlichen Vorschriften und leistungsrechtlichen Begriffe im gegliederten System der sozialen Sicherung
  • Strukturen und Aufgaben privater Versicherungen zur sozialen Absicherung

Gesundheitsförderung, Prävention und Rehabilitation

  • Leistungsarten und Leistungsformen einschließlich Modellen der Prävention und Gesundheitsförderung
  • Organisationen und Institutionen in der Rehabilitation einschließlich Einrichtungen der medizinischen, beruflichen und sozialen Rehabilitation
  • Theoriemodelle der Rehabilitation und Grundlagen der internationalen Richtlinien und Empfehlungen zu Behinderung und Rehabilitation
  • Begehung von Einrichtungen (Richtzahl: 6), davon:
    • Betriebe
    • Rehabilitationseinrichtungen (Richtzahl: 2)
    • Berufsförderungswerke
    • Einrichtungen der sozialen Rehabilitation

Spezifische Inhalte der Zusatz-Weiterbildung Rehabilitationswesen

Begutachtung und Steuerung von Leistungen zur Rehabilitation

  • Leistungsformenübergreifende Rehabilitationsplanung, Koordination der Leistungen, interdisziplinäre und intersektorale Zusammenarbeit
  • Wesentliche Gesetze und Richtlinien, insbesondere Sozialgesetzbuch, Heil- und Hilfsmittelrichtlinien
  • Institutionen der rechtlichen Auseinandersetzung, z. B. Schlichtungsstellen, Gerichte sowie deren Arbeitsweise
  • Gutachtenerstellung in Gerichts- und Schlichtungsverfahren (Richtzahl: 2)
  • Gutachtenerstellung nach den Anforderungen der Leistungsträger (Richtzahl: 3)
  • Indikationsstellung und Beratung zu rehabilitativen Leistungen bei Personen mit unterschiedlichen Krankheitsbildern
  • Erstellung und kontinuierliche Anpassung von Rehabilitationsplänen einschließlich Case Management
  • Schnittstellenmanagement im Versorgungssystem
  • Aufgaben und Interaktion der Berufsgruppen im Rehabilitationsteam
  • Leitung und Koordination eines interprofessionellen und patientenzentrierten Rehabilitationsteams einschließlich der Angehörigenarbeit (Richtzahl: 30)

Medizinische Rehabilitation

  • Versorgungsformen und Phasenmodelle der Rehabilitation einschließlich der Frührehabilitation, stationärer oder ganztags ambulanter Anschlussrehabilitation sowie Heilverfahren
  • Planung, Koordination und Beurteilung von stationären oder ganztags ambulanten Anschlussrehabilitationen und/oder Heilverfahren in Rehabilitationseinrichtungen (Richtzahl: 50), insbesondere
    • patientenorientierte Rehabilitationsdiagnostik einschließlich indikationsbezogener Auswertung von Assessmentinstrumenten zur Selbst- und Fremdeinschätzung
    • Indikationsstellung, Einleitung und Verlaufsbeurteilung von Therapien
  • Formen und Inhalte der rehabilitativen Langzeitversorgung und Nachsorge
  • Planung, Koordination und Beurteilung von Leistungen zur Teilhabe in der Langzeitversorgung von Menschen mit chronischen Krankheiten und langfristigen Behinderungen (Richtzahl: 25), insbesondere
    • Verordnung von Nachsorgemaßnahmen wie Funktionstraining bzw. Rehabilitationssport
    • Beurteilung des Leistungsvermögens, der Arbeitsunfähigkeit sowie der Pflegebedürftigkeit

Schulisch-pädagogische, berufliche und soziale Rehabilitation

  • Versorgungsformen und Zugangskriterien der schulisch-pädagogischen Rehabilitation
  • Koordination von Leistungen zur Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft in verschiedenen Einrichtungen der sozialen Rehabilitation
  • Grundlagen des betrieblichen Eingliederungsmanagements sowie der Schnittstellen zu anderen präventiven und rehabilitativen Maßnahmen
  • Indikationsstellung und Einleitung beruflicher und/oder arbeitsplatzorientierter Rehabilitationsleistungen (Richtzahl: 20)

Technische Hilfen

  • Technische Hilfen und Hilfsmittel für die Teilhabe am Arbeitsleben sowie für Aktivitäten des täglichen Lebens und der Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft
  • Erarbeitung von individuellen Empfehlungen für technische Hilfen und Adaptationen am Arbeitsplatz und/oder in der Wohnung (Richtzahl: 5)
  • Wirkungen und Verordnung körpernaher Hilfsmittel (Orthesen) sowie Grundlagen der Funktionsweise von Prothesen
  • Grundlagen der Kommunikationstechnologien und assistierter Technologien

Quellen: Musterweiterbildungsordnung 2018 der Bundesärztekammer, Ärztestatistik der Bundesärztekammer 2023

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