
Wie stehen Sie und Ihr Team der fortschreitenden Digitalisierung in der Medizin und Pflege gegenüber? Haben Sie ein Konzept zur Verbesserung der Digitalkompetenz und kennen Sie sich mit der Cybersicherheit in Ihrem Arbeitsumfeld aus? Lesen Sie in diesem Artikel, wie wir Ärztinnen und Ärzte in Führung die Digitalisierung besser begleiten, sowie uns selbst, als auch unser Team diesbezüglich kompetent(er) aufstellen können.
Auch in der Medizin und Pflege hat die Digitalisierung Einzug gehalten. Es eröffnen sich für unsere Gesundheitsversorgung und vor allem für unseren Berufsalltag neue Chancen. Endlich weg von Faxnachrichten und Papierformularen, hin zu digitalen Patientendaten und schnellerer Kommunikation – sowohl innerhalb der eigenen Klinik oder Praxis, als auch im Austausch mit externen Kolleginnen und Kollegen.
Das Gute ist, dass der Großteil der Ärzteschaft der Digitalisierung offen gegenübersteht. In einer Studie der Bitkom zusammen mit dem Hartmannbund zeigte sich Mitte 2022, dass 76 Prozent der befragten 535 Ärztinnen und Ärzte in der Digitalisierung eine Chance sehen – 2020 waren es noch 67 Prozent (Rohleder B. Digitalisierung in Praxis und Klinik. Bitkom Research, 13. Oktober 2022). Und von den insgesamt 336 Medizinerinnen und Medizinern, die Mitte 2023 vom Deutschen Innovationsinstitut für Nachhaltigkeit und Digitalisierung online befragt wurden, nutzen bereits 89 Prozent digitale Kommunikation und Tools wie Messenger-Dienste, elektronische Terminvergabe oder moderne Diagnosegeräte bei der alltäglichen Arbeit.
Digitalisierung im Team positiv belegen
Leider gibt es immer wieder negative Erfahrungen, die auch Skepsis nach sich ziehen. Denn die Einführung von Digitalisierung kann auch erstmal mehr Zeit in Anspruch nehmen. Bei der elektronischen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung (eAU) konnte im Vergleich zu der AU auf Muster 1 im Jahr 2022 eine zeitliche Steigerung von 1,25 Minuten auf 2,08 Minuten pro Fall festgestellt werden. Gründe dafür sind vor allem der verlängerte digitale Signiervorgang und die mögliche Fehlerbehebung (Kassenärztliche Bundesvereinigung. Der Bürokratieindex für die vertragsärztliche Versorgung, BIX 2022). Wie schafft man es, das Team trotzdem offen für die Digitalisierung zu halten?
Besprechen Sie im Team, dass sich technisch noch einiges optimieren lässt. Auch die eigenen Prozesse müssen sich erst einspielen, immer wieder verbessert werden und es braucht einen spielerischen Ansatz. Nutzen Sie deshalb technikbegeisterte Mitarbeitende, die Freude daran haben, etwas Neues auszuprobieren. Vielleicht auch junge Kolleginnen und Kollegen der Generation Z, die sich als sogenannte „Digital Natives“ leicht(er) mit der Digitalisierung tun. Schicken Sie diese Mitarbeitende auf entsprechende Fortbildungen und Kongresse. Lassen Sie diese Kolleginnen und Kollegen dann durch kleine Runden des Wissensaustauschs nach den Fortbildungen und Kongressen ihre Begeisterung weitergeben .
Oder wie wäre es mit kleinen Gruppen-Challenges unter Nutzung von Künstlicher Intelligenz (KI), um den Zugang zu vereinfachen? Da KI auf der Basis von Mustererkennung arbeitet, wird sie uns zunehmend vor allem im Bereich Datenerkennung und Datenauswertung bei der Qualitätsverbesserung unterstützen und mittelfristig zur Arbeitserleichterung beitragen.
Tipp
Beispiel für eine Gruppen-Challenge mit Künstlicher Intelligenz (KI):
Wenn Sie ein spannendes Krankheitsbild in der Klinik, Praxis oder Ambulanz haben, lassen Sie doch Ihr Team mal recherchieren. Zum Beispiel können Sie auf YouTube von Expertinnen und Experten (z. B. durch Google Health zertifiziert) Beiträge suchen und sich mit KI eine Zusammenfassung von diesem Beitrag machen lassen. Wie das geht? Einfach vor den YouTube Link oben im Browser „study.new/“ schreiben, also „study.new/https://www.youtube.com/...“. Danach wird auf „Unstuck AI“ ein Chat mit dem Video kreiert. Klickt man „Summarize this“ an, so wird eine Zusammenfassung generiert. Natürlich kann man hier dann auch „prompten“, also die Anweisung geben, dass die KI die erstellte Zusammenfassung ins Deutsche übersetzen möge.
Sammeln Sie auch bewusst die positiven Erfahrungen. Wo konnte z. B. Arbeitszeit eingespart werden? Die große Hoffnung der Digitalisierung ist schließlich, dass sich auch der hohe Anteil an bestehender Bürokratie in der Medizin verringern lässt. Schließlich verbringen nach aktueller Studie in 225 teilnehmenden Allgemeinkrankenhäusern ärztliche Mitarbeitende 2,9 Stunden und pflegerische 2,7 Stunden mit Dokumentationsaufgaben (Blum K. und Löffert S. Aktuelle Bürokratiebelastung in den Krankenhäusern. Deutsches Krankenhausinstitut e. V., Blitzumfrage Juli 2024). Die Bürokratiebelastung für niedergelassene Ärzte und Psychotherapeuten wurde zuletzt von der Kassenärztlichen Bundesvereinigung mit durchschnittlich 61 Tagen im Jahr pro Praxis angegeben, die allein durch Informationspflichten der gemeinsamen Selbstverwaltung auf Bundesebene begründet sind (Kassenärztliche Bundesvereinigung. Der Bürokratieindex für die vertragsärztliche Versorgung, BIX 2020). Außerdem fehlt immer noch das längst angekündigte Bürokratieentlastungsgesetz für den Gesundheitsbereich (Kurz Ch. Drei Stunden Bürokratie täglich. Deutsches Ärzteblatt 2024; 121(17): A 1096). Suchen Sie mit Ihren Kolleginnen und Kollegen aktiv Chancen, durch digitale Prozesse und die aktive Einbindung von Patientinnen und Patienten die administrative Zeit für ärztliches und pflegerisches Personal zu reduzieren.
Digitalkompetenz bei Ärztinnen, Ärzten und der Pflege verbessern
In ihren Thesen zur Weiterentwicklung der ärztlichen Patientenversorgung durch Digitalisierung fordert die Bundesärztekammer, dass Digitale Kompetenz verstärkt in die ärztliche Aus-, Weiter- und Fortbildung zu integrieren sei (Bericht aus den Werkstattgesprächen mit Entscheidungsträgern von Spitzenorganisationen im Gesundheitswesen sowie Chancen, Risiken, Anforderungen aus Sicht der Bundesärztekammer Berlin, 15.01.2021; siehe auch "Ärztinnen und Ärzte in Führung: Mit MBA leichter führen?").
Ist bei Ihnen in der Klinik, Praxis oder Ambulanz bereits ein eigenes Konzept zur Stärkung der Digitalen Kompetenz vorhanden? In der Toolbox Führung sind ein paar Punkte aufgeführt, die Sie bei der Erarbeitung eines solchen Konzeptes unterstützen könnten.
Beziehen Sie die Kolleginnen und Kollegen in die Gestaltung des Konzeptes mit ein. Denken Sie dabei auch an die Jüngeren als „Digital Natives“. Bestimmen Sie eine digitalisierungsbeauftragte Person.
Toolbox Führung
Sorgen Sie als Ärztin oder Arzt in Führung für ein Konzept für die ärztliche (und pflegerische) Aus-, Weiter- und Fortbildung zur Stärkung der Digitalkompetenz. Nachfolgende Punkte können Ihnen hierfür eine Anregung geben:
1. Analyse zum Stand der Digitalkompetenz in der Klinik, Praxis oder Ambulanz:
- Interviews / Umfragen (z. B. anonymisiert mit Microsoft Forms): Erfassen Sie die Selbstwahrnehmung der Ärztinnen und Ärzte bezüglich ihrer digitalen Kompetenzen und identifizieren Sie spezifische Herausforderungen und Wissenslücken. Führen Sie auch Gespräche mit Schlüsselpersonen (leitende Ärztinnen und Ärzte, IT-Spezialistinnen und IT-Spezialisten, Verwaltung) zur Ermittlung spezifischer Bedürfnisse und Erwartungen.
- Technische Infrastruktur und Anwendungen: Analysieren Sie die vorhandenen digitalen Werkzeuge und Anwendungen, die im Klinik- oder Praxisalltag genutzt werden, und lassen Sie deren Einsatz und Akzeptanz bewerten.
2. Entwicklung eines Schulungsprogramms auf der Basis der Analyse
- Grundlagen der digitalen Medizin: Einführung in die wichtigsten digitalen Werkzeuge und Plattformen (z. B. elektronische Patientenakte, Telemedizin, Datenanalyse).
- Spezialisierte Fortbildungen: Schulungen zu spezifischen Anwendungen und Technologien, die in der jeweiligen Fachrichtung besonders relevant sind (z. B. KI-gestützte Diagnostik, digitale Bildgebung, Nutzung digitaler Plattformen zur Patientenaufklärung und -einbindung).
- Datenschutz und Datensicherheit: Vermittlung grundlegender Kenntnisse über den Umgang mit sensiblen Patientendaten und den Schutz der Privatsphäre.
3. Nutzen von interaktiven und praxisnahen Lernformaten
- Workshops und Simulationen: Nutzen Sie praxisorientierte Workshops und Simulationen, um den Einsatz digitaler Technologien in realistischen Szenarien zu üben.
- Blended Learning: Kombinieren Sie Präsenzveranstaltungen mit E-Learning-Modulen, um eine flexible und kontinuierliche Weiterbildung zu ermöglichen.
- Mentoring und Peer-Learning: Etablieren Sie ein Mentoring-Programm, in dem erfahrene Nutzer digitaler Technologien ihr Wissen an weniger erfahrene Kolleginnen und Kollegen weitergeben.
4. Rolle der Führungskräfte
- Vorbildfunktion einnehmen: Führungskräfte sollten sich selbst aktiv in digitalen Fortbildungen engagieren und die Bedeutung der Digitalisierung für die medizinische Praxis hervorheben.
- Unterstützung und Motivation bieten: Sie sollten Ihre Mitarbeitenden ermutigen, neue digitale Werkzeuge zu nutzen, und ihnen die notwendigen Ressourcen und Unterstützung bereitstellen.
- Offene Kommunikation fördern: Schaffen Sie eine offene Kommunikationskultur, in der Fragen und Unsicherheiten zum Thema Digitalisierung besprochen und adressiert werden können.
- Feedback-Kultur etablieren: Regelmäßiges Feedback zu den Fortschritten in der Nutzung digitaler Technologien ist essentiell, um kontinuierliche Verbesserungen zu fördern und Lernbedarfe zu identifizieren.
5. Evaluation und kontinuierliche Verbesserung
- Feedback von Teilnehmenden: Sammeln Sie Rückmeldungen der Kolleginnen und Kollegen zu den Schulungen und passen Sie das Programm entsprechend an.
- Überprüfung der Lernfortschritte: Nutzen Sie Tests und praktische Übungen, um den Fortschritt der Teilnehmenden zu bewerten.
- Anpassung an technologische Entwicklungen: Halten Sie das Schulungsprogramm auf dem neuesten Stand der Technik und passen Sie es regelmäßig an neue digitale Entwicklungen und Anforderungen an.
Cybersicherheit im Gesundheitswesen stärken
Mittlerweile ist uns allen bewusst, dass durch die Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) der Umgang mit personenbezogenen Daten geregelt ist. Weniger bekannt sind die Rahmenbedingungen, die bezüglich der Cybersicherheit im Gesundheitswesen gelten. Und schließlich gab es auch in Deutschland bereits Cyberangriffe auf Unikliniken und kleinere Krankenhäuser.
In der Studie von Bitkom mit dem Hartmannbund (Rohleder B. Digitalisierung in Praxis und Klinik. Bitkom Research, 13. Oktober 2022), gaben von den 166 im Krankenhaus arbeitenden Ärztinnen und Ärzten 74 Prozent an, dass Krankenhäuser in Deutschland häufig nicht ausreichend vor Cyberangriffen geschützt seien, 69 Prozent waren der Meinung, dass sich Ärztinnen und Ärzte stärker mit der IT-Sicherheit beschäftigen sollten, und 68 Prozent wünschten sich mehr Informationen zum Umgang mit dem Thema IT-Sicherheit. Bei den 269 Ärztinnen und Ärzten aus der Praxis sah es ähnlich aus. Von diesen gaben 82 Prozent an, dass Arztpraxen häufig nicht ausreichend vor Cyberangriffen geschützt seien, 68 Prozent stimmten zu, dass Ärztinnen und Ärzte sich stärker mit der IT-Sicherheit beschäftigen sollten und 61 Prozent wünschten sich mehr Informationen zum Thema.
Die 2016 eingeführten Cybersicherheitsvorschriften der Europäischen Union (EU) wurden durch die Richtlinie über Maßnahmen für ein hohes gemeinsames Cybersicherheitsniveau in der gesamten EU, der zweiten EU-Richtlinie zur Netzwerk- und Informationssicherheit (NIS-2-Richtlinie) aktualisiert (siehe Amtsblatt L333 der Europäischen Union). Die NIS-2-Richtlinie muss bis Oktober 2024 ins Deutsche Recht umgesetzt werden. Das Besonders ist, dass nun auch Gesundheitsdienstleister mit mehr als 50 Mitarbeitenden oder einem Jahresumsatz von über 10 Millionen Euro verpflichtet sind, entsprechende Standards zur Sicherstellung der Cybersicherheit umzusetzen (vergleiche Stachel K. und Eltzholtz L. Informationssicherheit im Krankenhaus. HealthCareBrain Podcast 28, 11. August 2024).
Merke:
Mit der neuen EU-Richtlinie zur Netzwerk- und Informationssicherheit (NIS-2-Richtlinie) sind nun auch kleinere Krankenhäuser, Medizinische Versorgungszentren, Großpraxen und Radiologische Zentren mit mindestens 50 Mitarbeitenden oder einem Jahresumsatz von 10 Millionen Euro in der Pflicht, die Cybersicherheit der Einrichtung zu gewährleisten. Leitende Führungskräfte werden hierfür persönlich in die Haftung genommen. Daher ist es Ihre Aufgabe als Arzt oder Ärztin in Führung, sich mit der Umsetzung der Cybersicherheit in Ihrem Zuständigkeitsbereich zu beschäftigen und diese sicherzustellen.
Ein erster Schritt kann es sein, entsprechende externe Expertise einzuholen, um die eigenen Schwachstellen aufzudecken und geeignete Maßnahmen zu erarbeiten. Achten Sie darauf, dass es sich um durch das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI)-qualifizierte IT-Dienstleister handelt.
Eine der größten Schwachstellen ist der Mensch. Stehen bei Ihnen im Arztzimmer auch die Computer-Passwörter auf der Tastatur?
Die Autorin:
Prof. Dr. med. Sonja Güthoff, MBA ist Ärztin, Führungskräfte-Trainerin, Professorin für Gesundheitsmanagement, Medical Leadership und Digital Health an der AKAD Hochschule Stuttgart sowie Stress- und Burnout-Coach. Auf ärztestellen.de gibt sie regelmäßig Tipps zu Führungs-Themen. Als Leiterin des Instituts für ein gesundes Arbeitsleben im Gesundheitswesen (INSTGAG) begleitet sie Ärztinnen und Ärzte, Pflegefachkräfte und andere Zusammenarbeitende im Gesundheitswesen dabei, sich und andere besser zu führen. Kontaktieren Sie Sonja Güthoff gerne unter info@sonjaguethoff.de.
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