Facharzt-Weiterbildung Allgemeinchirurgie: Dauer, Inhalte, Berufsperspektiven

10 Mai, 2024 - 07:39
Stefanie Hanke
Junge Chirurgin im OP
Fachärztinnen und Fachärzte für Allgemeinchirurgie sind für eine große Bandbreite chirurgischer Eingriffe zuständig.

Fachärzte und Fachärztinnen für Allgemeinchirurgie sind Generalisten: Sie sind für die chirurgische Grundversorgung in der Klinik zuständig. Aber wie läuft die Facharzt-Weiterbildung in der Allgemeinchirurgie genau ab? Wie lange dauert sie und wie viele Allgemeinchirurgen gibt es in Deutschland? Das erfahren Sie im Beitrag.

Auf einen Blick: Weiterbildung (Facharztausbildung) Allgemeinchirurgie

  • Definition: Fachärztinnen und Fachärzte für Allgemeinchirurgie bringen ein breites chirurgisches Wissen mit und sind in der Klinik erste Anlaufstelle für Operationen. Sie verfügen über breite Kenntnisse in der Unfall-, Viszeral- und Gefäßchirurgie und sind ein Bindeglied zu Chirurgen anderer Fachrichtungen.
  • Dauer: Die Facharzt-Weiterbildung in der Allgemeinchirurgie dauert 72 Monate. Davon müssen jeweils 18 Monate in der Orthopädie / Unfallchirurgie und in der Viszeralchirurgie abgeleistet werden. Jeweils 6 Monate müssen in der Notaufnahme und der Intensivmedizin erfolgen.
  • Anzahl der Fachärzte: In Deutschland gibt es 2.108 Fachärztinnen und Fachärzte für Allgemeinchirurgie bzw. Allgemeine Chirurgie. Davon sind 1.963 berufstätig. 265 arbeiten ambulant, 1.524 stationär in einer Klinik, 93 in Behörden, Körperschaften und ähnlichen Einrichtungen.

In Krankenhäusern gibt es häufig eine gemeinsame Abteilung für Allgemein- und Viszeralchirurgie. Schon daran sieht man: Die Übergänge zwischen der Arbeit in der Allgemeinchirurgie und in anderen chirurgischen Fachrichtungen sind fließend. Anders als Chirurgen anderer Facharztrichtungen sind Allgemeinchirurgen allerdings nicht nur für einen bestimmten Bereich des menschlichen Körpers zuständig, sondern kommen bei ganz verschiedenen Operationen zum Einsatz.

Bei dieser unklaren Abgrenzung stellt sich die Frage: Braucht es in der Medizin überhaupt eine klare Trennung zwischen Viszeral- und Allgemeinchirurgie? Schon 2017 forderten die Deutsche Gesellschaft für Chirurgie (DGCH) und der Berufsverband der Deutschen Chirurgen (BDC), die Facharzt-Weiterbildung in der Allgemeinchirurgie abzuschaffen. Sie warnten in einem offenen Brief an die Bundes- und Landesärztekammern davor, dass in Zeiten immer stärkerer Spezialisierung in der Medizin eine "Allgemeine Chirurgie" nicht mehr zeitgenmäß sei und etablierte Qualitätsstandards und die Patientensicherheit gefährde. Doch die Bundesärztekammer folgte dieser Forderung nicht: Auch in der Novelle der (Muster-)Weiterbildungsordnung von 2018 ist die Allgemeinchirurgie weiterhin vertreten.

Ein Vorteil der Allgemeinchirurgie: Wer eine Facharzt-Weiterbildung in diesem Bereich abgeschlossen hat, kann in einem verkürzten Verfahren eine zweite chirurgische Facharztqualifikation erwerben. Das bedeutet: Viele Ärzte streben neben der Allgemeinchirurgie noch einen weiteren Facharzttitel an. Da sie über die breiteste Ausbildung aller chirurgischen Fachrichtungen verfügen, können Fachärzte für Allgemeinchirurgie auch in Spezialkliniken eingesetzt werden.

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Allgemeinchirurg werden: Die Weiterbildung (Facharztausbildung) im Überblick

Die Dauer der Weiterbildung

Die Weiterbildungszeit in der Allgemeinchirurgie beträgt 72 Monate bei einem Weiterbildungsbefugten an einer Weiterbildungsstätte, davon

  • müssen 18 Monate in Orthopädie und Unfallchirurgie abgeleistet werden
  • müssen 18 Monate in Viszeralchirurgie abgeleistet werden
  • müssen 6 Monate in der Notfallaufnahme abgeleistet werden
  • müssen 6 Monate in der Intensivmedizin abgeleistet werden

Die Inhalte der Weiterbildung

Übergreifende Inhalte im Gebiet Chirurgie

  • Wesentliche Gesetze, Verordnungen und Richtlinien
  • Chirurgische Techniken und Instrumentengebrauch, insbesondere Inzision, Präparation, Retraktion, Naht- und Knotentechniken einschließlich Laseranwendung unter Berücksichtigung der verschiedenen Gewebestrukturen
  • Chirurgische perioperative Behandlung einschließlich Vorbereitung, Lagerungstechniken, Nachsorge und Komplikationsmanagement sowie Indikationsstellung zu weiterführenden Maßnahmen
  • Techniken der temporären Ruhigstellung und Fixationsverbände
  • Prophylaxe, Diagnostik und Therapie von Thrombosen
  • Wundheilung und Narbenbildung
  • Wundmanagement und stadiengerechte Wundtherapie sowie Verbandslehre einschließlich verschiedene Wundauflagen, Unterdruck- und Kompressionstherapie
  • Defektdeckung bei akuten und chronischen Wunden
  • Grundlagen der medikamentösen Tumortherapie
  • Basisbehandlung palliativmedizinisch zu versorgender Patienten
  • Scoresysteme und Risikoeinschätzung

Lokalanästhesie und Schmerztherapie

  • Lokal- und Regionalanästhesien
  • Abklärung peri- und postoperativer Schmerzzustände
  • Diagnostik und Therapie nach dokumentierten Schmerztherapieplänen
  • Behandlung von Patienten mit komplexen Schmerzzuständen
  • Injektionen und Punktionen

Notfall- und Intensivmedizin

  • Erkennung und Behandlung akuter Notfälle einschließlich lebensrettender Maßnahmen
  • Kardiopulmonale Reanimation
  • Pathophysiologie von schweren Verletzungen, des Polytraumas und deren Folgen
  • Indikationsstellung zur Notfall-Laparotomie und Thorakotomie
  • Überwachung, Monitoring, Dokumentation und Betreuung von intensivmedizinischen Patienten
  • Differenzierte Beatmungstechniken
  • Atemunterstützende Maßnahmen bei intubierten und nicht-intubierten Patienten
  • Beatmungsentwöhnung bei langzeitbeatmeten Patienten
  • Mitbehandlung bei septischen Krankheitsbildern
  • Pharmakologie der Herz-Kreislauf-Unterstützung
  • Infusions-, Transfusions- und Blutersatztherapie, enterale und parenterale Ernährung
  • Zentralvenöse Zugänge (Richtwert: 20)
  • Arterielle Kanülierung und Punktionen
  • Thorax-Drainage
  • Legen eines transurethralen und/oder suprapubischen Katheters

Spezifische Inhalte der Facharzt-Weiterbildung Allgemeinchirurgie

Übergreifende Inhalte der Facharzt-Weiterbildung Allgemeinchirurgie

  • Berufsgenossenschaftliche Heilverfahren einschließlich Durchgangsarztverfahren
  • Grundlagen der Verwendung alloplastischer Materialien

Notfalleingriffe

  • Erkennung, Diagnostik, Therapie und interdisziplinäres Management für den Schwer- und Mehrfachverletzten (Richtwert: 10)
  • Zugang zum Thorax
  • Notfalleingriffe im Bauchraum, z. B. bei Ileus, Blutung, Peritonitis, Milzruptur, Hohlorganperforationen (Richtwert: 20)

Diagnostische Verfahren

  • Sonographische Untersuchungen des Abdomens und Retroperitoneums Sonographische Untersuchungen des Abdomens und Retroperitoneums  (Richtwert: 400)
  • Sonographische Untersuchungen der Urogenitalorgane  (Richtwert: 200)
  • Notfallsonographien (eFAST)  (Richtwert: 50)
  • Sonographie des Bewegungsapparats
  • Rektosigmoidoskopie
  • Proktoskopie
  • Indikation, Durchführung und Befunderstellung von konventioneller Röntgendiagnostik, davon
  1. Notfalldiagnostik: Röntgendiagnostik ohne CT im Rahmen der Erstversorgung bei Erwachsenen und Kindern
  2. Skelett, Schädel, Stamm- und Extremitätenskelett in angemessener Gewichtung
  3. intraoperative radiologische Befundkontrolle
  • Indikationsstellung und Befundinterpretation weiterer bildgebender Verfahren

Weichteilverletzungen, Wunden und Verbrennungen

  • Weichteileingriffe, z. B. an Sehnen, Bändern, Muskeln, Haut und bei Infektionen
  • Prävention, Diagnostik und Therapie des zentralen und peripheren Kompartmentsyndroms
  • Diagnostik und Therapie unkomplizierter Weichteilverletzungen
  • Erkennung und Erstversorgung von komplexen Weichteilverletzungen und Verbrennungen
  • Resektion gutartiger oberflächlicher und peripherer Weichteiltumore (Richtwert: 20)
  • Inzision und Exzision von Hautabszessen (Richtwert: 20)

Konservative Therapiemaßnahmen

  • Konservative Behandlung einschließlich schmerztherapeutischer Maßnahmen bei Luxationen, Frakturen, Distorsionen (Richtwert: 100)

Verletzungen, Erkrankungen und Funktionsstörungen der Hand

  • Häufigste Verletzungen und Funktionsstörungen der Hand
  • Erkennung und Erstversorgung von komplexen Verletzungen, Erkrankungen und Funktionsstörungen der Hand
  • Diagnostik, konservative und operative Therapie von nicht-komplexen Verletzungen und Funktionsstörungen der Hand

Verletzungen, Erkrankungen und Funktionsstörungen der viszeralen Organe und Gefäße

  • Implantation und Explantation von zentralvenösen Verweilkathetern, z. B. Portkatheter, Herzschrittmacher (Richtwert: 20)
  • Inzision von Perianalabszessen
  • Exzision von Perianalvenenthrombosen
  • Hämorrhoidenoperation einschließlich Therapie einer Fissur (Richtwert: 20)
  • Operative Therapie von Hernien, davon
  1. Leistenhernie (Richtwert: 40)
  2. Bauchwandhernie (Richtwert: 10)
  3. Narbenhernie (Richtwert: 10)
  • Methoden der Gefäßfreilegung, Embolektomie und Thrombektomie
  • Methoden der Varizenoperation
  • Laparotomien und deren Verschluss, auch minimal invasiv (Richtzahl: 50)
  • Resektionen, Übernähungen, Exstirpationen, konventionelle, endoskopische und interventionelle Techniken (Richtzahl: 150), davon
  1. Appendektomie (Richtzahl: 25)
  2. Cholecystektomie (Richtzahl: 35)
  3. explorative Laparotomie und/oder Laparoskopie (Richtzahl: 30)
  4. Magenübernähung
  5. Dünndarmresektion (Richtzahl: 10)
  6. Stomaanlage und Stomarückverlagerung (Richtzahl: 10)
  7. Eingriffe am Kolon (Richtzahl: 20)

Verletzungen, Erkrankungen und Funktionsstörungen des Kopf- und Halsbereichs

  • Anomalien der anatomischen Strukturen des Halses
  • Zervikale Eingriffe, z. B. an der Schilddrüse, Tracheotomie, Lymphknoten-Probeexzision

Verletzungen, Erkrankungen und Funktionsstörungen der Bewegungsorgane

  • Operationsschritte bei Erkrankungen und Verletzungen an Extremitäten, Wirbelsäule, Becken und Thorax
  • Weichteileingriffe, z. B. an Sehnen, Bändern, Muskeln, Haut, Weichteiltumoren (Richtzahl: 30)
  • Osteosynthesen bei Typ A- und B-Frakturen (Richtzahl: 120), davon
  1. an langen Röhrenknochen (Richtzahl: 10)
  2. am distalen Radius (Richtzahl: 20)
  3. am oberen Sprunggelenk (Richtzahl: 10)
  4. bei subcapitaler Humerusfraktur (Richtzahl: 10)
  5. am Ellenbogengelenk (Richtzahl: 10)
  6. Fixateur externe-Anlagen (Richtzahl: 10)
  7. Versorgung von Frakturen an der Hüfte mit Duokopfprothesen und Osteosynthesen (Richtzahl: 30)
  8. Operative Therapie bei Infektionen an Weichteilen, Knochen oder Gelenken (Richtzahl: 10)
  9. Implantatentfernungen (Richtzahl: 50)

Strahlenschutz

  • Grundlagen der Strahlenbiologie und Strahlenphysik bei der Anwendung ionisierender Strahlen am Menschen
  • Grundlagen des Strahlenschutzes beim Patienten und Personal einschließlich der Personalüberwachung und des baulichen und apparativen Strahlenschutzes
  • Voraussetzungen zur Erlangung der erforderlichen Fachkunden im gesetzlich geregelten Strahlenschutz

Quellen: Berufsverband der Deutschen Chirurgen e.V. (BDC), www.chirurg-werden.de, Musterweiterbildungsordnung der Bundesärztekammer (2018), Ärztestatistik der Bundesärztekammer (2023)
 


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