Job-Sharing im Arztberuf: So geht’s

30 Januar, 2025 - 07:57
Bianca Freitag
Dr. Andrea Matranga und Dr. Gunnar Müller
Dr. Andrea Matranga (l.), Chefarzt der Geriatrie am Sana Krankenhaus Templin, und Dr. Gunnar Müller (r.), leitender Oberarzt der Geriatrie am Sana Krankenhaus Templin, teilen sich seit Februar 2022 die Stelle des Ärztlichen Direktors.

Überall fehlen Ärztinnen und Ärzte, dabei ist die Lage in ländlichen Regionen besonders ernst. Da stellt sich die Frage, was man dagegen tun kann. Eine Möglichkeit ist das sogenannte Job-Sharing, bei dem sich Ärztinnen und Ärzte eine Stelle gemeinsam teilen. Wie das sogar bei der ärztlichen Direktion funktionieren kann, erfahren Sie im Beitrag.

Der Zeitgeist auf dem Arbeitsmarkt ändert sich. Weniger arbeiten, weniger Druck bei der Karriere, mehr Freizeit – so scheint der Trend zu sein. Wie wollen junge Ärztinnen und Ärzte arbeiten? Das ist eine zentrale Frage, wenn es darum geht, auch auf dem Land vakante Stellen zu besetzen, erklärten Dr. Andrea Matranga und Dr. Gunnar Müller, Ärztliche Direktion in Doppelspitze am Sana Krankenhaus Templin, auf dem Operation Karriere-Event in Berlin.

12.06.2025, Katholisches Klinikum Bochum gGmbH - Klinik Blankenstein
Hattingen
12.06.2025, Kliniken des Landkreises Diepholz gGmbH
Bassum

Eine Datenauswertung des Instituts für Arbeitsmarkt und Berufsforschung (IAB) zu den Arbeitszeiten der Berufsanfänger zeige, dass die Arbeitszeit von Personen unter 25 Jahre seit 1985 zurückgehe. Dies sei aber eher ein Vorurteil und entspreche nicht der Praxis, sagte Müller, leitender Oberarzt der Geriatrie am Sana Krankenhaus Templin. Denn die Studie zeige gleichzeitig, dass Berufsanfängerinnen und -anfänger heutzutage nur geringfügig weniger arbeiten als früher. Noch nie hat ein so hoher Anteil in dieser Altersgruppe studiert wie heute und gleichzeitig gearbeitet, sei es in Teilzeit oder in einem Minijob. Die Zahl der geringfügig Beschäftigten in dieser Altersgruppe sei massiv gestiegen in den letzten Jahren. Nimmt man diese Personen heraus, zeige sich, dass die Arbeitszeitwünsche nur geringfügig zurückgegangen seien. In allen Altersgruppen wünschen sich sowohl Frauen als auch Männer eine Reduktion der Arbeitszeit um etwa drei Stunden wöchentlich.

Die Vorteile der Teilzeitarbeit

„Es geht aber nicht nur um Arbeitszeit“, betonte Müller. Junge Menschen wollen zudem zeit- und ortsflexibler arbeiten. Es gebe verschiedene Gründe dafür, warum eine Teilzeitanstellung attraktiv sein kann. Dazu gehört beispielsweise:

  • Kindererziehung
  • Betreuung Angehöriger
  • Freizeit und ausgewogene Work-Life-Balance
  • mehr Möglichkeit der Weiterbildung oder berufsbegleitendes Studium

„Wir schöpfen unheimlich viel Energie, weil wir in drei Tagen deutlich mehr erreichen, als wenn wir am fünften Tag erschöpft zur Arbeit kommen“, berichtet Matranga, Chefarzt der Geriatrie am Sana Krankenhaus Templin, aus eigener Erfahrung. Er selbst teilt sich mit Müller die Position der Ärztlichen Direktion in einem Modell der Drei-Tage-Woche. Dabei arbeitet einer von montags bis mittwochs in der Klinik, während der andere von mittwochs bis freitags arbeite. Am Mittwoch erledigen sie Übergaben, an den restlichen Tagen arbeiten sie jeweils im Home Office. Natürlich gibt es verschiedene Formen der Teilzeit-Modelle. Einige lassen sich jedoch weniger gut im klassischen Klinikalltag umsetzen als andere, beispielsweise nur verkürzte Arbeitstage. Leichter umzusetzen seien eine Drei/Vier-Tage-Woche oder ein Modell, in dem man abwechselnd eine Woche arbeite und eine Woche frei habe.

Arbeit flexibel gestalten können

Gerade bei jungen Ärztinnen und Ärzten gebe es aber auch Nachteile bei der Teilzeitarbeit, die man im Blick haben sollte. Wenn man sich noch in der Weiterbildung befinde, verlängere sich bei einer Teilzeitanstellung natürlich die Ausbildung. Dabei könne es laut Matranga auch dazu kommen, dass Rotationen zwischen Abteilungen schwieriger umzusetzen seien und Weiterbildungsangebote insgesamt aufwändiger geplant werden müssten.

Generell müsse man sich die Frage stellen, wie die ärztliche Tätigkeit flexibler gestaltet werden könne, sagte Müller. Einen beachtlichen Teil der Arbeitszeit verbringe man wegen bürokratischer Aufgaben am Computer. Je mehr Führungsaufgaben man habe, desto größer werde diese Zeit. Deswegen sei es umso wichtiger, einen Remote-Zugang auf Computern zu ermöglichen. So könnten Ärztinnen und Ärzte im Zug oder Home Office arbeiten, digital an Konferenzen teilnehmen oder die Dokumentation erledigen, ohne in der Klinik anwesend sein zu müssen.

Doch nicht nur die Arbeit soll flexibler sein. „Wir versuchen auch, die Mitarbeitenden flexibler zu machen“, erklärte Müller. Es gebe beispielsweise viele Berufsanfängerinnen und -anfänger mit Migrationshintergrund, die Unterstützung benötigen, sei es bei der Wohnungssuche oder der Organisation von Kitaplätzen und Sprachkursen. Diese Benefits könnten für viele der ausschlaggebende Punkt sein, eben nicht in der Stadt, sondern auf dem Land zu arbeiten.

Ein Erfolgsmodell, das glücklich macht

Ein weiterer wichtiger Punkt sei die Transparenz der Arbeit, betonte Matranga. In ihrer Klinik sei es üblich, von Anfang an ein Weiterbildungskonzept zu schreiben, an dem sich die Weiterbildungsassistentinnen und -assistenten orientieren können. Zudem bieten sie regelmäßige Fortbildungskonzepte an. Ebenso unterstützen sie eine offene Kommunikation, egal ob junge Ärztinnen und Ärzte, Pflegekräfte oder andere Hierarchiestufen. „Jeder, der etwas beizutragen hat oder Ideen zur Verbesserung hat, wird gehört“, sagte der Chefarzt.

Die beiden Ärzte sind mit ihrer Entscheidung des Job-Sharings rundum zufrieden. „Das war die beste Wahl der letzten Jahre“, schwärmte Matranga. „Wir können das umsetzen, was wir wollen, und wir sind auch immer noch dabei zu optimieren. Das macht uns beiden Spaß“, ergänzte Müller.

Quelle: Vortrag „Modernes Arbeiten in direkter Großstadtnähe – Job-Sharing und mehr“, Dr. Andrea Matranga und Dr. Gunnar Müller, Ärztliche Direktion in Doppelspitze, Sana Kliniken Berlin-Brandenburg, Operation Karriere Berlin 2024

 

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