Medizinische Hochschule Hannover: Kommunikationsworkshop für interprofessionelle Teams

9 September, 2024 - 07:12
Miriam Mirza
SICKO-Workshop MHH
Im SICKO-Workshop lernen interprofessionelle Teams, wie eine effektive Zusammenarbeit gelingen kann.

Die Arbeit von Ärztinnen und Ärzten ist ein zentraler Pfeiler der Gesundheitsversorgung, der weit über die reine medizinische Expertise hinausgeht. Um eine hohe Behandlungsqualität und Patientensicherheit zu gewährleisten, sind effektive Kommunikation und die enge Zusammenarbeit in interprofessionellen Teams unerlässlich. Denn es ist genau diese Zusammenarbeit, die es ermöglicht, verschiedene Perspektiven und Fachkenntnisse zu integrieren, um die bestmögliche Versorgung zu gewährleisten.

Ein Beispiel dafür, wie sich Ärztinnen und Ärzte für die wachsende Bedeutung interprofessioneller Teamarbeit und gezielte Kommunikation einsetzen, ist das innovative Projekt „Sicherheit in der Kinderonkologie“ (SICKO) der Medizinischen Hochschule Hannover. Das 2013 ins Leben gerufene SICKO-Training verfolgt das Ziel, die Sicherheit und Behandlungsqualität in der Kinderonkologie durch interprofessionelles Training und Innovationen zu verbessern. Die Initiative wurde jüngst mit dem Lohfert-Preis ausgezeichnet, einer bedeutenden Anerkennung im Bereich der Patientensicherheit und Mitarbeiterentwicklung.

Von Mitarbeitenden für Mitarbeitende

Die SICKO-Workshops wurden speziell für und von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern entwickelt, um sicherheitsrelevante Kompetenzen zu stärken und die psychologische Sicherheit innerhalb des Teams zu fördern. „Unsere Maßnahmen tragen nicht nur zur direkten Verbesserung der Patientensicherheit bei“, so Projektleiter Dr. Urs Mücke, „sondern sie wirken sich auch positiv auf die Anwerbung und Bindung von Fachkräften aus.“

Das SICKO-Projekt hat bisher mehr als 580 Fachkräfte aus der Kinderonkologie in ganz Deutschland erreicht. Es kombiniert praxisorientierte Ausbildung mit Train-the-Trainer-Angeboten und digitalen Inhalten, um die interprofessionelle Zielgruppe bestmöglich zu unterstützen. Durch die Einbindung in das Klinik-Qualitätsmanagement wird zudem eine nachhaltige Verbesserung der Behandlungsprozesse erzielt. „Unsere Arbeit zeigt, dass interprofessionelle Zusammenarbeit und gezielte Kommunikation in der Medizin unerlässlich sind, um die Qualität der Versorgung nachhaltig zu verbessern“, erklärt Mücke.

Bessere Kommunikation führt zu besserer Versorgung und mehr Zufriedenheit

Aus diesem Grund ist die Verbesserung der Kommunikation ein zentraler Aspekt des Projekts. Dr. Mücke betont: "Unsere Defizite in der Kommunikation sind offensichtlich. Im Medizinstudium liegt der Schwerpunkt oft noch nicht günstig genug auf dieser Thematik. Ein paar Kommunikationskurse reichen da nicht aus." Er plädiert daher für die Einführung von Kommunikationstagebüchern und Tandemsystemen während der praktischen Ausbildung.

Auch die Entwicklung einer Feedback-Kultur ist für Mücke ein wesentlicher Punkt, um den Arbeitsalltag im Krankenhaus zu verbessern. "Feedback geben und nehmen ist etwas, das wir trainieren müssen. Es ist ein Geschenk, das dazu beiträgt, die eigene Arbeit zu verbessern und das Team als Ganzes zu stärken“, findet er.

Statt Gruppenbildung echte Teamarbeit

Ein weiterer wesentlicher Punkt im Krankenhaus ist die Arbeit im Team. "Es gibt die Fehlwahrnehmung, dass bei der Patientenbehandlung zwei Teams beteiligt sind – das Pflegeteam und das Ärzteteam. Tatsächlich ist es aber ein Team, dessen Zusammenarbeit über die Behandlungsqualität und Sicherheit entscheidet," so der Mediziner. Er vergleicht das interprofessionelle Team mit einer Handballmannschaft, bei der jeder Spieler, jede Spielerin eine spezifische Rolle hat, aber nur gemeinsam das Spiel gewinnen kann.

Die SICKO-Workshops stoßen in eine Bedarfslücke. Das zeigt der große Anklang, auf den das Angebot bei den Teilnehmenden stößt. "Unsere Workshops hinterlassen beseelte Teilnehmende," berichtet Mücke. "Zu Beginn sortieren sich die Berufsgruppen oft getrennt, doch schon zur ersten Mittagspause mischen sich Ärztinnen, Ärzte und Pflegekräfte – eine Auflösung der üblichen Barrieren."

Wie setzt man das im Alltag um?

Trotz der positiven Resonanz stellt sich die Frage nach der Umsetzbarkeit der neuen Erkenntnisse im Klinikalltag. Mücke rät dazu, klein anzufangen: "In der Reduktion liegt eine große Kraft. Es ist wichtig, erste Veränderungen im eigenen Arbeitskontext zu planen und umzusetzen und dann frühe Erfolge gemeinsam zu feiern." Die Auswirkungen dieser Maßnahmen sind vielfältig. Nicht nur die Patientensicherheit, sondern auch die Mitarbeitersicherheit und -zufriedenheit profitieren von einer verbesserten Kommunikation und Zusammenarbeit. "Es ist entscheidend, dass sich Mitarbeitende als Teil eines funktionierenden Teams erleben und nicht das Gefühl haben, allein auf weiter Flur zu stehen," betont der Projektleiter. Für die Zukunft wünscht sich der Mediziner, dass bei der Ausbildung von Ärztinnen und Ärzten mehr Wert auf die Ausbildung von interprofessionelle Kommunikationskompetenzen gelegt wird und diese zu einem festen Bestandteil des Curriculums werden.

Der Experte:

Dr. Urs Mücke

Dr. Urs Mücke arbeitet seit Januar 2016 im Zentrum für Kinderheilkunde an der Medizinischen Hochschule Hannover. Derzeit absolviert ear die Schwerpunktweiterbildung für pädiatrische Hämatologie und Onkologie. Seit 2020 ist er Lehrbeauftragter der Abteilung und beschäftigt sich intensiv mit digitalen Lehr- und Lernkonzepten. Zur Verbesserung der Sicherheit in der Kinderonkologie (SICKO) gestaltet er in seiner Arbeitsgruppe als Projektleiter interprofessionelle Weiterbildungsveranstaltungen und begleitet Workshops als Referent.

Weitere Infos: www.sicko-training.de

Bild: © medJUNGE / SICKO Training

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