
Wie entstehen unbewusste psychische Prozesse und welche Auswirkungen können sie auf uns Menschen haben? Diese und weitere Fragen versuchen Psychoanalytikerinnen und -analytiker gemeinsam mit ihren Patientinnen und Patienten herauszufinden. Wie die Zusatz-Weiterbildung abläuft und welche Voraussetzungen es dafür gibt, erfahren Sie im Beitrag.
Auf einen Blick: Zusatz-Weiterbildung Psychoanalyse
- Definition: Die Zusatz-Weiterbildung Psychoanalyse umfasst in Ergänzung zu einer Facharztkompetenz die Erkennung und psychoanalytische Behandlung von Erkrankungen und Störungen, denen unbewusste seelische Konflikte und/oder strukturelle Beeinträchtigungen zugrunde liegen einschließlich der Anwendung in der Prävention und Rehabilitation sowie zum Verständnis unbewusster Prozesse in der Arzt-Patienten-Beziehung.
- Voraussetzungen: Facharztanerkennung für Psychiatrie und Psychotherapie, Psychosomatische Medizin und Psychotherapie oder Kinder- und Jugendpsychiatrie und -psychotherapie oder Facharztanerkennung in einem Gebiet der unmittelbaren Patientenversorgung mit der Zusatz-Weiterbildung Psychotherapie und zusätzlich Psychoanalyse gemäß Weiterbildungsinhalten unter Befugnis.
- Dauer: Die Dauer der Zusatzweiterbildung ist unter den Weiterbildungsinhalten aufgeführt. Der Weiterbildungskatalog gibt bestimmte Richtwerte für verschiedene Lerninhalte vor. Genauere Informationen gibt es bei der zuständigen Landesärztekammer. Diese trägt die Verantwortung für die Weiterbildung und ist nicht zwingend an die Muster-Weiterbildungsordnung gebunden.
- Anzahl der Ärzte: In Deutschland sind 3.052 Ärztinnen und Ärzte mit der Zusatzbezeichnung „Psychoanalyse" bei den Kammern registriert. Davon sind 2.142 berufstätig. 1.884 von ihnen arbeiten ambulant, 166 stationär.
Die Psychoanalyse gilt als Urform der psychotherapeutischen Behandlung. Seit ihrer Entwicklung Ende des 19. Jahrhunderts ist sie vielfach weiterentwickelt worden. Heute gehört sie neben anderen Therapieformen zu den tiefenpsychologischen Methoden. Sie geht auf den Wiener Arzt Sigmund Freud zurück, der sie als Wissenschaft von den unbewussten Vorgängen im Seelenleben prägte. Er wählte folgende Definition für die Psychoanalyse:
„Psychoanalyse ist der Name 1. eines Verfahrens zur Untersuchung seelischer Vorgänge, welche sonst kaum zugänglich sind; 2. einer Behandlungsmethode neurotischer Störungen, die sich auf diese Untersuchung gründet; 3. eine Reihe von psychologischen, auf solchem Wege gewonnenen Einsichten, die allmählich zu einer neuen wissenschaftlichen Disziplin zusammenwachsen."
Gespräch statt Handlungsanweisung
Ärztinnen und Ärzte mit der Zusatz-Bezeichnung „Psychoanalyse“ behandeln Patientinnen und Patienten, die beispielsweise Probleme mit der Identitätsfindung oder zwischenmenschlichen Konflikten haben, oder unter Depressionen oder Angsterkrankungen leiden. Darüber hinaus zählen dissoziative Störungen und Persönlichkeitsstörungen ebenso zu den Indikationen.
Im Unterschied zur Verhaltenstherapie, deren Ansatz auf dem Erleben im Hier und Jetzt basiert, liegt der Fokus der Psychoanalyse stärker darauf, Konflikte aufzudecken. Unverarbeitete Konflikte, beispielsweise auch aus der Kindheit, sind vielen Menschen unbewusst, können aber zu psychischen Belastungen und Störungen führen. Die Psychoanalyse geht davon aus, dass seelisch kranke Menschen den Schlüssel zum Verständnis des eigenen Leidens in sich tragen, dieser ihnen aber noch unzugänglich ist. Ihr Ziel ist es, Patientinnen und Patienten dabei zu helfen, sich verinnerlichten Motiven und Fremdbestimmungen, die der Grund für psychische Störungen und deren Symptome sind, bewusst zu werden, sich mit ihnen auseinanderzusetzen und sich möglicherweise von diesen zu befreien.
Dabei findet die Psychoanalyse in Form eines Gesprächs zwischen dem Therapeuten oder der Therapeutin und dem Patienten oder der Patientin statt. Häufig liegt der Patient oder die Patientin auf einer Couch und der Therapeut oder die Therapeutin sitzt auf einem Stuhl dahinter. Dieses Setting ist nicht notwendig, dient aber der Entspannung. Gemeinsam sollen die Beteiligten dann im Gespräch die Gründe und unbewussten Bedeutungen der Probleme und der inneren Konflikte aufdecken. Dazu können emotionale Erfahrungen, Interaktionen, Gedanken, Handlungen oder bildliche Vorstellungen wie Träume, Phantasien und Wahnvorstellungen gehören.
Psychoanalyse: Die Zusatz-Weiterbildung im Überblick:
Die Dauer der Weiterbildung:
Die Dauer der Zusatzweiterbildung ist unter den Weiterbildungsinhalten aufgeführt. Der Weiterbildungskatalog gibt bestimmte Richtwerte für verschiedene Lerninhalte vor. Genauere Informationen gibt es bei der zuständigen Landesärztekammer. Diese trägt die Verantwortung für die Weiterbildung und ist nicht zwingend an die Muster-Weiterbildungsordnung gebunden.
Die Inhalte der Weiterbildung
Gemeinsame Inhalte der Zusatz-Weiterbildung Psychoanalyse
Übergreifende Inhalte der Zusatz-Weiterbildung Psychoanalyse
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Situationsangepasste Kommunikation; bei Kindern und Jugendlichen auch unter Nutzung nonverbaler Kommunikationsmittel, z. B. Spiel
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Einbeziehung der relevanten Bezugspersonen und des sozialen Umfeldes in dem jeweils gewählten Psychotherapieverfahren einschließlich Akuttherapie, interdisziplinäre Kommunikation
Allgemeine Krankheitslehre und Diagnostik
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Grundlagen der psychoanalytischen Theorie und Entwicklungspsychologie einschließlich psychoanalytischer Wahrnehmungseinstellung
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Allgemeine und spezielle psychoanalytische Krankheitslehre psychischer Erkrankungen und Störungen aller Altersgruppen einschließlich psychiatrischer, psychosomatischer und somatopsychischer Erkrankungen und Störungen und deren Differentialdiagnostik einschließlich neurowissenschaftlicher Grundlagen
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Methoden der psychoanalytischen Erstuntersuchung und der psychiatrischen oder kinder- und jugendpsychiatrischen Untersuchung einschließlich Psychologie der Beziehungen und Systeme
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Indikationsstellung zu verschiedenen psychoanalytisch-psychotherapeutischen und verhaltenstherapeutischen Therapiemethoden und Settings einschließlich präventiver und rehabilitativer Aspekte
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Psychoanalytische Kulturtheorie und Sozialpsychologie
Allgemeine psychoanalytische Therapie
- Allgemeine psychoanalytische Technik und Methodik der analytisch-psychotherapeutischen Therapie in verschiedenen Settings einschließlich der Gruppe unter Berücksichtigung der Altersgruppen und des psychosozialen Kontextes in Stunden (Richtzahl 70)
- Grundlagen der Psychopharmakotherapie
Selbsterfahrung
- Personale Kompetenzen und Beziehungskompetenzen
- Lehranalyse in Stunden (Richtzahl 180)
- Analytische Gruppenselbsterfahrung in Doppelstunden (Richtzahl 60)
Spezifische Inhalte der Zusatz-Weiterbildung Psychoanalyse bei Erwachsenen
Krankheitslehre und Diagnostik
- Theorieseminare in psychoanalytischer Krankheitslehre und Diagnostik in Stunden (Richtzahl 70)
- Psychoanalytische Erstuntersuchungen unter Supervision mit nachfolgenden Sitzungen zur Beratung oder zur Einleitung der Therapie (Richtzahl 20)
- Psychoanalytische Fallseminare in Doppelstunden (Richtzahl 35)
Psychoanalytische Therapie
- Psychoanalytische Einzelpsychotherapie unter Supervision von jeweils mindestens 250 Stunden in Fällen (Richtzahl 2)
- Psychoanalytische Gruppenpsychotherapie mit 3 bis 9 Teilnehmern mit Supervision
Spezifische Inhalte der Zusatz-Weiterbildung Psychoanalyse bei Kindern und Jugendlichen
Krankheitslehre und Diagnostik
- Theorieseminare in psychoanalytischer Krankheitslehre und Diagnostik in Stunden (Richtzahl 70)
- Psychoanalytische Erstuntersuchungen unter Supervision einschließlich Entwicklungs- und Intelligenzuntersuchungen (Richtzahl 20)
- Psychoanalytische Fallseminare in Doppelstunden (Richtzahl 35)
Psychoanalytische Therapie
- Psychoedukative, störungsorientierte, systemische Methoden
- Psychoanalytische Einzelpsychotherapie unter Supervision in Fällen (150 Stunden bei Kindern bzw. 180 Stunden bei Jugendlichen) (Richtzahl 3)
- Psychoanalytische Gruppenpsychotherapie mit 3 bis 9 Teilnehmern mit Supervision
Quellen: Musterweiterbildungsordnung 2018 der Bundesärztekammer, Ärztestatistik der Bundesärztekammer 2023, Deutsche Psychoanalytische Vereinigung