
Alkohol oder Cannabis, Glücksspiel oder Kokain: Suchterkrankungen sind in Deutschland weit verbreitet. Wie die Zusatz-Weiterbildung Suchtmedizinische Grundversorgung aufgebaut ist und wie sie abläuft, erfahren Sie im Beitrag.
Auf einen Blick: Zusatz-Weiterbildung Suchtmedizinische Grundversorgung
- Definition: Die Suchtmedizinische Grundversorgung befasst sich mit der Vorbeugung, Erkennung, Behandlung und Rehabilitation von Krankheitsbildern im Zusammenhang mit dem schädlichen Gebrauch suchterzeugender Stoffe und nicht-stoffgebundener Suchterkrankungen.
- Voraussetzungen: Facharztanerkennung
- Dauer: 50 Stunden Kurs-Weiterbildung
- Anzahl der Ärzte: In Deutschland sind 3.729 Ärztinnen und Ärzte mit der Zusatzbezeichnung „Suchtmedizinische Grundversorgung" bei den Kammern registriert (2021).
In Deutschland sind Hochrechnungen zufolge 1,6 Millionen Menschen zwischen 18 und 64 alkoholabhängig, 6,7 Millionen konsumieren Alkohol in gesundheitsgefährdenden Mengen. Mehr als 300.000 Menschen sind abhängig von Cannabis, 41.000 sind kokainsüchtig und eine Amphetamin-Abhängigkeit liegt bei mehr als 100.000 Personen vor. Das geht aus Daten der Deutschen Hauptstelle für Suchtfragen hervor. Im Jahr 2020 registrierte die Polizei 1.581 drogenbedingte Todesfälle. Hauptursachen waren eine Überdosierung von Opioiden (z.B. Heroin oder Morphin) und die Kombination mit anderen Substanzen. Das Bundesgesundheitsministerium geht außerdem von 74.000 Todesfällen jährlich aus, die auf Alkoholkonsum zurückzuführen sind.
Es fallen also nicht nur die sogenannten harten Drogen in den Tätigkeitsbereich der Suchtmedizinerinnen und -mediziner. Auch Abhängigkeit von Alkohol, Cannabis, Tabak oder Beruhigungsmitteln kann suchtmedizinisch behandelt werden. Hinzu kommen nicht-stoffgebundene Abhängigkeiten wie exzessiver Internetkonsum, Hypersexualität oder Spielsucht.
Zusatz-Weiterbildung für (fast) alle Fachgebiete
Viel zu tun also für Ärztinnen und Ärzte, die sich auf die Behandlung von Suchterkrankungen spezialisiert haben. Der Jahresbericht der deutschen Suchthilfestatistik (DSHS) 2020 führt 854 ambulante und 135 stationäre Einrichtungen auf, in denen 315.586 ambulante Betreuungen und 33.880 stationäre Behandlungen durchgeführt wurden.
Die Zusatz-Weiterbildung „Suchtmedizinische Grundversorgung" richtet sich an Ärztinnen und Ärzte aller Fachrichtungen, die sich in diesem Bereich weiterbilden möchten. Sinnvoll kann das beispielsweise in den Fachgebieten Innere Medizin oder Allgemeinmedizin sein. In den Fachrichtungen Psychiatrie und Psychotherapie sowie Kinder- und Jugend-Psychiatrie und Psychotherapie sind die Inhalte sowieso Teil der Facharzt-Weiterbildung – Ärztinnen und Ärzte aus diesen Bereichen brauchen die Zusatz-Weiterbildung also nicht.
Voraussetzung für eine Substitutionstherapie
Unter anderem ist die Zusatz-Weiterbildung Suchtmedizinische Grundversorgung eine Voraussetzung dafür, eine Substitutionsbehandlung für opioidabhängige Patientinnen und Patienten anbieten zu dürfen. Dabei werden die Betroffenen kontrolliert und nach einem festgelegten Therapiekonzept mit Ersatzstofffen (beispielsweise Methadon bei Heroinabhängigkeit) versorgt. So soll beispielsweise ein Entzug erleichtert werden: Durch das langsame Ausschleichen des Substitutionsmittels können die Entzugserscheinungen auf ein möglichst erträgliches Ausmaß reduziert werden. So soll das Überleben des oder der Betroffenen sichergestellt und der Gesundheitszustand verbessert werden. Außerdem hilft die Substitutionstherapie dabei, Beschaffungskriminalität einzudämmen. In manchen Fällen, in denen eine dauerhafte Abstinenz nicht möglich ist, kann auch über einen langen Zeitraum substituiert werden.
Suchttherapie: Interprofessionelles Arbeiten
Ärztinnen und Ärzte mit der Zusatz-Bezeichnung Suchtmedizinische Grundversorgung können in Kliniken und Praxen, aber auch beispielsweise in Beratungsstellen und anderen sozialen Einrichtungen arbeiten. Suchtbehandlung findet dabei meistens interdisziplinär in Zusammenarbeit mit unterschiedlichen Facharztgruppen und anderen therapeutischen Berufen statt. So ist häufig auch eine Psychotherapie Bestandteil einer suchtmedizinischen Behandlung. Manchmal spielt auch beispielsweise die Behandlung von HIV eine Rolle. Wichtig sind aber beispielsweise auch Sozialpädagoginnen und Sozialpädagogen, die den Betroffenen helfen, wieder im Leben Fuß zu fassen.
Suchtmediziner werden: Die Zusatz-Weiterbildung im Überblick
Dauer der Weiterbildung
Die Kurs-Weiterbildung "Suchtmedizinische Grundversorgung" dauert 50 Stunden
Inhalte der Weiterbildung
- Ätiologie von Suchtkrankheiten
- Vorbeugung, Erkennung, Behandlung und Rehabilitation von Suchtkrankheiten
- Beratung im Zusammenhang mit suchterzeugenden Stoffen und nicht-stoffgebundenen Suchterkrankungen
- Pharmakologie suchterzeugender Stoffe
- Entzugs- und Substitutionsbehandlung
- Kriseninterventionen
- Erkennung psychiatrischer und somatischer Erkrankungen im Zusammenhang mit Suchterkrankungen und Indikationsstellung zur weiterführenden Behandlung
Quellen: Musterweiterbildungsordnung 2018 der Bundesärztekammer, Ärztestatistik der Bundesärztekammer 2022, Deutsche Hauptstelle für Suchtfragen, Deutsche Suchthilfestatistik