Ärztinnen und Ärzte in Führung: Klarer miteinander kommunizieren

13 Dezember, 2023 - 06:50
Prof. Dr. med. Sonja Güthoff, MBA
Ärztinnen und Ärzte in Führung: Prof. Dr. Sonja Güthoff
Prof. Dr. med. Sonja Güthoff, MBA ist Ärztin, Führungskräfte-Trainerin, Professorin für Health Care an der AKAD University sowie Stress- und Burnout-Coach.

Eine klare Kommunikation ist wichtig für den Therapieerfolg unserer Patientinnen und Patienten, gleichzeitig jedoch auch für ein wertschätzendes, lösungsorientiertes Miteinander im Team. Erhalten Sie Tipps, wie Sie durch eine klare Struktur leichter Konflikte lösen können und mit kleinen kommunikativen Stilmitteln mehr Klarheit und Wertschätzung in der Klinik, Ambulanz oder Praxis unterstützen können.

Als Ärztin oder Arzt in Führung sind wir uns darüber bewusst, wie wichtig unsere Kommunikation ist. Patientinnen und Patienten zeigen eine 19 Prozent höhere Nicht-Therapietreue („nonadherence“), wenn die Ärztin oder der Arzt schlecht kommunizieren; hingegen kann die Schulung der Kommunikationsfähigkeiten von Ärztinnen und Ärzten zu erheblichen und signifikanten Verbesserungen bei der Therapietreue der Patientinnen und Patienten führen (Odds Ratio 1,62; Zolnierek K. B. H. und DiMatteo M. R. Physician Communication and Patient Adherence to Treatment: A Meta-analysis. Med Care 2009; 47(8): 826-834. Open Access).

Auch die interprofessionelle Kommunikation in der Klinik, Ambulanz und Praxis ist entscheidend. Denn ein Großteil von unbeabsichtigten Patientenschäden ist auf Mängel in der Kommunikation zwischen den Handelnden der Gesundheitsberufe zurückzuführen (Weller J. et al. Teams, tribes and patient safety: overcoming barriers to effective teamwork in healthcare. Postgraduate Medical Journal; 90(1061): 149–154.).

Eine klare Struktur unterstützt die Kommunikation

Eine klare Strukturierung der Kommunikation kann die Patientensicherheit verbessern, wie in einer Metaanalyse zur Anwendung des Kommunikations-Instruments SBAR („Situation“, „Background“ (Hintergrund), „Assessment“ (Bewertung/Einschätzung) and „Recommendation“ (Empfehlung)) gezeigt werden konnte (Müller M. et al.  Impact of the communication and patient hand-off tool SBAR on patient safety: a systematic review. BMJ Open 2018; 8:e022202. Open Access). Daher ist es empfohlen, z.B. Patientenübergaben in der Notaufnahme oder auch postoperativ auf der Intensivstation z.B. nach diesem Schema zu strukturieren.

Übertragen auf den Führungsalltag kann dieses Vorgehen nach dem SBAR-Schema ebenso hilfreich eingesetzt werden, vor allem wenn Sie das Team mit einbeziehen. So können Sie als Ärztin oder Arzt in Führung jeweils auch in Feedback- oder Konfliktgesprächen erst die von Ihnen beobachtete Situation beschreiben. Achten Sie bitte darauf zu betonen, dass Sie nur aufführen können, was Sie selbst mitbekommen haben. Schließlich fehlen uns oft Informationen aus unserer eigenen Perspektive (vergleiche auch Ärztinnen und Ärzte in Führung: Durch Perspektivenwechsel leichter führen). Geben Sie generell Raum dafür, dass andere aus dem Team neutral, wertschätzend und lösungsorientiert ergänzen können.

Oft fehlt uns gerade als Führungskraft auch das Wissen um den Hintergrund, um tatsächlich „neutral“ von außen betrachtet eine Bewertung der Situation abzugeben. Tragen Sie daher im nächsten Schritt den Hintergrund der Situation zusammen. Gerade wenn es um Konflikte im Team geht, ist es wichtig, alle Seiten zu kennen, also alle Beteiligten gehört zu haben. Was steckt denn tatsächlich hinter der Situation? Ist diese vielleicht eskaliert, weil sich etwas über die letzten Wochen „hochgeschaukel“ hat? Hier hilft oft das Bild des Fasses, das durch den letzten Tropfen überläuft (aktuelle Situation).

Eine Bewertung bzw. Einschätzung der Situation sollte ebenfalls nach einer im Team definierten Art und Weise erfolgen. Zum Beispiel könnte orientierend gefragt werden, wie festgefahren die Situation ist auf einer numerischen Skala von Null bis Zehn, wobei die Null gar nicht und die Zehn die maximal vorstellbare Barriere zwischen den Fronten darstellt. Erfahrungsgemäß wird die Einschätzung, gerade nachdem man im Team bereits über die Situation und auch die Hintergründe gesprochen hat, niedriger als Neun oder Zehn sein, wodurch bereits eine Klärungsbereitschaft ausgesprochen wird.

Abschließend sollten lösungsorientiert Empfehlungen für die Situation gesammelt und diskutiert werden. Das können Sie z.B. durch ein Brainstorming im Team erreichen. Versuchen Sie, dass jedes Teammitglied zu Wort kommt, indem z.B. nur eine Empfehlung nach der anderen reihum gesammelt und aufgeschrieben wird. Als Führungskraft können Sie natürlich ebenfalls Empfehlungen aussprechen. Erlauben Sie jedoch dem Team, die Lösung gemeinsam zu finden. Dadurch nutzen Sie nicht nur das Potential des gemeinsamen Wissens, sondern werden sicherlich auch eine bessere Bereitschaft bei der Umsetzung erleben.

Toolbox Führung

Strukturierung von Gesprächen zur Konfliktklärung im Team nach dem SBAR-Schema

Situation: Beschreiben Sie einen konkreten Fall des Konfliktes in Ihrem Team aus Ihrer eigenen Perspektive. Achten Sie dabei auf eine neutrale Beschreibung ohne (Be-)Wertung und lassen Sie danach das Team ebenso neutral ergänzen.

Background (Hintergrund): Erfragen Sie im Team die Hintergründe für den Konflikt. Was verbirgt sich alles hinter dem Konflikt? Was ist alles im Fass, das durch die aktuelle Situation zum Überlaufen gebracht wurde?

Assessment (Bewertung/Einschätzung): Lassen Sie die Konfliktseiten gemeinsam überlegen, wie die Situation zu bewerten ist z.B. wie festgefahren die Situation ist auf einer Numerischen Skala von Null (gar nicht) bis Zehn (maximal vorstellbar).

Recommendation (Empfehlung): Tragen Sie als Brainstorming im Team gemeinsam Empfehlungen zusammen, wie die Situation zu lösen sein könnte. Lassen Sie jedes Teammitglied reihum eine Empfehlung aussprechen, und diskutieren sie diese dann anschließend.

Negierungen vermeiden für mehr Klarheit

In der psycholinguistischen Forschung wurde häufig festgestellt, dass Studien-Teilnehmende länger brauchen, um negativ formulierte Sätze als wahr oder falsch zu beurteilen im Vergleich zu den Gegenstücken, die positiv formuliert waren; als Erklärung zeigten z.B. Wang et al., dass die Verneinung anscheinend oft über das Positive verarbeitet wird (Verifying Negative Sentences. J Psycholinguist Res 2021; 50(6):1511-1534. Open Access). Und kennen Sie das Phänomen, dass man bei Warnungen wie „Nicht Fallen!“ erst recht ins Stolpern gerät, als würde das Unterbewusstsein gerade noch mit der Bedeutung von „Fallen“ beschäftigt sein und daher die Negierung selbst negieren?

Für eine klarere Kommunikation ist es demnach sinnvoll, auf Negierungen zu verzichten. Es bedarf ein wenig Übung, jedoch lassen sich in der Regel alle Anordnungen, Wünsche etc. positiv formulieren:

  • statt „Bitte vergiss nicht…“ können Sie „Bitte denke an…“ sagen,
  • statt „Mir ist es wichtig, dass Du nicht zu spät kommst.“ lieber „…dass Du pünktlich bist.“ und
  • statt „Die Patientin darf ab 10 Uhr nicht mehr essen.“ entsprechend „…soll ab 10 Uhr nüchtern bleiben.“ und so weiter.

Machen Sie daraus am Besten eine Team-Challenge, bei der Sie sich gegenseitig erinnern dürfen, sobald Sie eine Negierung verwenden.

Merke

Negierungen werden langsamer begriffen und können unterbewusst eventuell auch selbst negiert werden. Formulieren Sie daher Anordnungen, Wünsche, Anregungen etc. positiv, indem Sie das „nicht“ vermeiden.

Und gleichzeitig klare Wertschätzung

Gerade in der Weiterbildung oder auch im interprofessionellen Austausch nehmen wir immer wieder in der Klinik, Ambulanz oder Praxis unterschiedliche Meinungen und Herangehensweisen wahr oder möchten bzw. müssen therapeutisch nachjustieren. Gerade, wenn das Vorgehen der pflegerischen und ärztlichen Kolleginnen und Kollegen aus bestem Wissen und Gewissen geschieht, wollen wir wertschätzend und im Sinne der Aus- und Weiterbildung korrigieren.

Dafür nutzen wir Sätze wie:

  • „Ich weiß, dass Du es gut gemeint hast, aber…“,
  • „Ich glaube Dir, dass Du gute Gründe hattest, aber…“
  • „Ich sehe Deinen Einsatz, aber…“,

Dieses kommunikative Vorgehen ist auch „gut gemeint, aber gut gemeint ist nicht gleich gut.“. Denn das Wort „aber“ ist ein Konfliktwort, das alles zuvor Gesagte leider umkehrt und somit auch die Wertschätzung zunichtemacht. Außerdem kann ein „ja, aber“ auch z.B. in interdisziplinären Diskussionen eine Konfrontation herausfordern, und Sie befinden sich schnell mit anderen Abteilungen im Kampfmodus. Auch wenn wir es mit einem „Ich verstehe Ihre Meinung, aber…“? wiederum gut gemeint haben, befinden wir uns schnell in einer Situation, aus der wir schwer herauskommen: Es gehts nur noch darum, wer „Recht hat“ und nicht mehr darum, was für die Patientinnen und Patienten die Beste Option darstellt.

Eleminieren Sie bewusst das Wort „aber“ aus Ihrer Kommunikation. Probieren Sie stattdessen die Wörter „und (deshalb)“ oder „gleichzeitig“ aus:

  • „Ich weiß, dass Du es gut gemeint hast, und deshalb möchte ich Dir zeigen, worauf wir bei dieser Patientin besonders schauen müssen.“,
  • „Ich glaube Dir, dass Du gute Gründe hattest, gleichzeitig müssen wir auf folgendes achten…“
  • „Ich sehe Deinen Einsatz, und möchte Dich unterstützen, noch besser…“?
  • „Ich verstehe Ihre Meinung, gleichzeitig möchte ich folgenden Aspekt hinzufügen…“.

 
Wenn Sie deutlicher machen müssen, dass eine andere Herangehensweise notwendig ist, dann können Sie „allerdings“ oder „jedoch“ nutzen:

  • statt: „Natürlich kann man das so machen, aber die Leitlinien sprechen sich eindeutig dagegen aus…“ können Sie entsprechend abmildern, indem Sie sagen: „Natürlich kann man das so machen, jedoch sprechen sich die Leitlinien eindeutig dagegen aus…“.
  • „In Deinem Weiterbildungsjahr hätte ich vermutlich auch so gehandelt, aber es kann für den Patienten gefährlich sein…“ verdeutlichen Sie mit: „In Deinem Weiterbildungsjahr hätte ich vermutlich auch so gehandelt, allerdings kann es für den Patienten gefährlich sein…“ klar die Vorgehensweise, lassen jedoch das Verständnis um das Unwissen im ersten Satzteil bestehen.

Spüren Sie den Unterschied? Weitere Anregungen und konkrete Tipps, wie Sie in Ihrem Team positiv und wertschätzend die Zusammenarbeit fördern können, finden Sie z.B. im Artikel „Positive (Selbst-)Führung in der Medizin“ aus der monatlichen Reihe „Ärztinnen und Ärzte in Führung“.

Auch für das Überbringen von „Bad News“ an Angehörige ist diese Formulierungsweise übrigens hilfreich und mitfühlender. Denn statt: „Wir haben alles versucht, aber es tut mir sehr leid, Ihnen mitteilen zu müssen…“ ist ein „Wir haben alles versucht, und mir tut es sehr leid, Ihnen mitteilen zu müssen…“ viel glaubhafter.

Tipp

Vermeiden Sie das Wort „aber“, um wertschätzender auf andere Meinungen zu reagieren und eine konstruktive Basis für eine Diskussion zu schaffen.

Nutzen Sie stattdessen das Wort „und (deshalb)“ bzw. „gleichzeitig“ (alternativ je nach Situation „allerdings“ oder „jedoch“).

Die Autorin:

Prof. Dr. med. Sonja Güthoff, MBA ist Ärztin, Expertin für Medical Leadership und Resilienz im Gesundheitswesen, Professorin für Health Care an der AKAD Hochschule Stuttgart sowie Stress- und Burnout-Coach. Auf ärztestellen.de gibt sie regelmäßig Tipps zu Führungs-Themen und begleitet Ärztinnen und Ärzte, aber auch andere Führungskräfte aus dem Gesundheitswesen dabei, sich und andere besser zu führen.

Sie möchten mehr erfahren? Kontaktieren Sie die Autorin gerne zu den Themen Medical Leadership und Resilienz im Gesundheitswesen unter info@sonjaguethoff.com und nutzen Sie die Fortbildungsmöglichkeiten für Ärztinnen und Ärzte oder informieren Sie sich zur Ausbildung „Peer-Group Resilienz Trainer/in (INSTGAG)“ unter www.instgag.com.

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