Ärztinnen und Ärzte in Führung: Positive (Selbst-)Führung in der Medizin

10 Mai, 2023 - 07:26
Prof. Dr. med. Sonja Güthoff, MBA
Ärztinnen und Ärzte in Führung: Prof. Dr. Sonja Güthoff
Prof. Dr. med. Sonja Güthoff, MBA ist Ärztin, Führungskräfte-Trainerin, Professorin für Health Care an der AKAD University sowie Stress- und Burnout-Coach.

Wussten Sie, dass Unhöflichkeit ansteckend sein kann und gerade Zusammenarbeitende im Gesundheitswesen davon belastet werden? Erfahren Sie in diesem Artikel, wie dagegen positive Emotionen bei der Arbeit zu einem erfolgreichen und gesunden Miteinander führen können. Erhalten Sie konkrete Tipps, wie Sie in Ihrem Team positive Emotionen und somit eine bessere Zusammenarbeit fördern können.

Unhöflichkeit ist ansteckend

Immer wieder finden sich Hinweise darauf, dass im Krankenhaus ein rauer Ton herrscht. Dabei sind wir Ärztinnen und Ärzte, Pflegefachkräfte und andere regelmäßig unhöflichem Verhalten von Vorgesetzten, Kolleginnen und Kollegen, Patientinnen und Patienten sowie deren Angehörigen ausgesetzt, was sich negativ auf unser Wohlbefinden und auf die Individual- sowie die Team-Leistung auswirken kann (Riskin A. et al. Rudeness and Medical Team Performance. Pediatrics 2017;139(2):e20162305).

In einer solchen Atmosphäre ist es schwierig, sich von diesen negativen Verhaltensweisen nicht anstecken zu lassen. Studien von Foulk T., Woolum A. und Ere A. zeigen nämlich, dass sich negative Verhaltensweisen auch mit nur niedriger Intensität wie Unhöflichkeiten verbreiten können, ähnlich wie eine Erkältung (Catching Rudeness Is Like Catching a Cold: The Contagion Effects of Low-Intensity Negative Behaviors. Journal of Applied Psychology 2016; 101(1):50-67). Gerade der Tatsache, dass sich Menschen über die Quelle ihres feindseligen und aggressiven Verhaltens nicht bewusst sind, schreiben die Autoren die Möglichkeit großer Konsequenzen für Menschen, Organisationen und vielleicht für die Gesellschaft als Ganzes zu.

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Um sich aus diesem toxischen Kreislauf zu befreien, ist der erste Schritt, diesen erstmal zu erkennen. Erst dann kann man bewusst die Entscheidung treffen, die eigenen Verhaltensweisen zu verändern.

Tipp:

Beobachten Sie bewusst, wie der Umgangston auf Ihrer Station, im OP, in der Praxis etc. ist.

Wie agieren Ihre Kolleginnen und Kollegen:

  • Herrscht insgesamt ein unhöflicher Grundton miteinander?
  • Werden die anderen Professionen öfter ignoriert oder nur einsilbig deren Fragen beantwortet?
  • Wird mit den Patientinnen und Patienten nur das Nötigste gesprochen oder diese genervt behandelt?
  • Wird hinter dem Rücken gelästert?
  • Wird geschimpft und geflucht?

Falls Sie einmal oder häufiger die Fragen bejahen, reflektieren Sie ehrlich, ob Sie sich auch schon davon „anstecken“ lassen haben. Möchten Sie sich selbst so verhalten?

Positive Emotionen können negative Erfahrungen überschreiben

Die gute Nachricht ist, dass positive Emotionen auch in der Lage sind, zuvor bestehende negative Erfahrungen zu überschreiben und somit mentale, jedoch auch körperliche Effekte zu verbessern, wie die Psychologie-Professorin Fredrickson B.L. belegt (The Role of Positive Emotions in Positive Psychology - The Broaden-and-Build Theory of Positive Emotions. American Psychologist 2001; 56(3):218-226).

Außerdem demonstrieren etliche Studien für positive Emotionen vorteilhafte Effekte für Zusammenarbeitende und als Folge davon auch für Unternehmen wie z.B. die Übersichtsarbeit von Diener E., Thapa S. und Tay L. zeigt (Positive Emotions at Work. Annu Rev Organ Psychol Organ Behav 2020; 7:451–477): Menschen mit positiven Emotionen entwickeln z.B. mehr Glauben an sich selbst und fühlen sich selbstwirksam, sind dadurch motivierter bei der Arbeit, zeigen mehr Kreativität, sind optimistischer und lösungsorientierter, werden resilienter und können mit belastenden Situationen besser umgehen; zusätzlich waren positive Emotionen auch assoziiert mit besserer Gesundheit und längerer Lebensdauer sowie guter Teamfähigkeit und besseren Beziehungen.

Ebenen der Gesunden Selbstführung

Fragen Sie sich daher, wie sie bei sich selbst und auch bei den mit Ihnen Zusammenarbeitenden positive Emotionen in der Klinik oder Praxis wecken können. Dabei kann es helfen, erst bei sich selbst anzufangen, die verschiedenen Ebenen der Gesunden Selbstführung durchzugehen und dann jeweils zu überlegen, wie sich das auch auf andere übertragen lässt:

Gedankenebene

  • Welche Gedanken lasse ich selbst zu? Rede ich innerlich gut über andere? Habe ich positive Gefühle mir selbst gegenüber?
  • Welche Situationen habe ich bereits großartig gemeistert und weiß, dass ich auch weitere Herausforderungen schaffen werde? Bleibe ich fokussiert auf die Lösungsfindung? Kann ich diese positiven Gedanken in anderen unterstützen?
  • Gibt es Erinnerungen z.B. an den letzten Urlaub oder eine erfüllende Erfahrung bei der Arbeit, die mich sofort zufrieden lächeln lassen, wenn ich daran denke?

Gefühlsebene

  • Was bringt mich herzlich zum Lachen? Wie können wir in der Klink oder Praxis mehr zusammen lachen?
  • Mit welchen Menschen möchte ich mich umgeben, die mir gut tun und in deren Gegenwart ich glücklich bin? Wie kann ich andere glücklich machen?
  • In welcher Umgebung fühle ich mich / fühlen meine Lieben sich wohl? Wie können wir für die Zusammenarbeitenden, die Patientinnen und Patienten eine Umgebung schaffen, in der wir uns wohlfühlen?

Körperebene

  • Achte ich bei anderen und bei mir auf Zeichen der Überforderung und finde bewusst Entlastungen?
  • Was kann ich meinem Körper Gutes tun? Wann fühlt sich mein Körper entspannt und leistungsstark an?
  • Nehme ich mir Zeit für Sport? Wie kann ich Bewegung in meinen (Arbeits-)Alltag bringen und andere dazu motivieren?

Verhaltensebene

  • Sehe ich in meinen Kolleginnen und Kollegen, in Freundinnen und Freunden, in meinen Familienmitgliedern das Positive und verhalte mich ihnen gegenüber auch so?
  • Zeige ich anderen und mir selbst Wertschätzung und Anerkennung?
  • Zeige ich Verständnis für die Bedürfnisse anderer und bitte auch um Unterstützung, meine eigenen Bedürfnisse befrieden zu können?

Merke:

Nur wenn es mir als Führungskraft, Mutter, Vater, Partnerin oder Partner gut geht, wenn ich positive Emotionen spüren und dadurch positive Verhaltensweisen leben kann, werde ich positiv meine Zusammenarbeitenden und Zusammenlebenden inspirieren können.

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Fokus auf das Positive

Besonders weil wir in der Klinik oder Praxis als Pflegefachkräfte, Ärztinnen und Ärzte ständig mit Krankheit umgeben sind, geradezu darauf trainiert sind, immer das Dysfunktionale oder die Limitationen zu erkennen, ist es wichtig, sich bewusst im Team auch auf das Positive zu fokussieren. Über positive Führung Ihres Teams, jedoch auch bezogen auf sich selbst, können Sie entsprechend positive Emotionen verstärken. Finden Sie hierzu konkrete Tipps in der Toolbox Führung.

Toolbox Führung

Folgende konkrete Tipps können Ihnen in der Klinik oder Praxis als Team helfen, positive Emotionen zu aktivieren und insgesamt positiver miteinander zusammenzuarbeiten:

  1. Fokussieren Sie sich mehr auf die positiven Dinge, indem Sie z.B. bei der Morgenbesprechung, dem Team-Meeting oder bei der Visite zuerst besprechen, was gut gelaufen ist, welche guten Entwicklungen Patientinnen und Patienten gemacht haben, was Ihnen gut gelungen ist oder was Sie beruflich oder privat Schönes erlebt haben (siehe Resilienzschlüssel Optimismus im Beitrag Ärztinnen und Ärzte in Führung: Leichter resilient führen).
     
  2. Besprechen Sie gemeinsam, wie Sie positiv miteinander umgehen möchten. Vielleicht führen Sie auch eine „Wertschätzungsdusche“ ein, bei der Sie sich gegenseitig sagen oder jeweils pro Person reihum einen Zettel schreiben, was Sie an den anderen im Team jeweils toll finden und wertschätzen.
     
  3. Stellen Sie gemeinsam positive Kommunikationsregeln auf. Zum Beispiel, dass Sie den anderen erstmal zuhören, Verständnisfragen klären, grundsätzlich immer Positives unterstellen, Verallgemeinerungen und Pauschalisierungen weglassen, positive Feedbackregeln beachten (siehe Beitrag Ärztinnen und Ärzte in Führung: Leichter Feedbackgespräche führen) und alles, was Sie noch im Team für wichtig erachten.
     
  4. Sammeln Sie doch z.B. in der Küche bzw. dem Personal-Aufenthaltsraum lustige Sprüche von Patientinnen und Patienten oder Versprecher von Kolleginnen und Kollegen auf eine wertschätzende Art, damit alle darüber lachen können – natürlich ohne sich über andere lustig zu machen.
     
  5. Unterstützen Sie positiv die multiprofessionelle Kommunikation und Zusammenarbeit, indem Sie die Kompetenzen jeder Profession bewusst unterstreichen. Besprechen Sie auch im Team, wie die Verantwortlichkeiten verteilt und von allen wertgeschätzt werden können. Fördern und fordern Sie auch mit Vertrauen die Selbstverantwortung von jüngeren Pflegefachkräften, MFA, Ärztinnen und Ärzten in Weiterbildung.
     
  6. Schaffen Sie eine psychologische Sicherheit im Team, so dass wertschätzend über Fehler gesprochen und daraus gelernt werden kann (siehe Beitrag Ärztinnen und Ärzte in Führung: Fehlerkultur leichter verbessern).
     
  7. Bieten Sie auch Raum für Veränderungswünsche: bezogen auf alltägliche Abläufe, jedoch auch hinsichtlich der Umgestaltung der Station oder Praxis, damit sich alle wohler fühlen können. Bitte prüfen Sie diese Vorschläge dann auch wirklich mit der Intention, diese – wenn möglich – auch umsetzen zu lassen.
     
  8. Überlegen Sie gemeinsam im Team, was Ihnen allen noch gut tut, um auf den verschiedenen Ebenen der Gesunden Selbstführung (Gedanken-, Gefühls-, Körper- und Verhaltensebene) positive Emotionen zu fühlen und besser miteinander arbeiten zu können.

Die Autorin:

Prof. Dr. med. Sonja Güthoff, MBA ist Ärztin, Führungskräfte-Trainerin, Professorin für Health Care an der AKAD University sowie Stress- und Burnout-Coach. Auf ärztestellen.de gibt sie regelmäßig Tipps zu Führungs-Themen. Als Leiterin des Instituts für ein gesundes Arbeitsleben im Gesundheitswesen (INSTGAG) begleitet sie Ärztinnen und Ärzte, Pflegefachkräfte und andere Zusammenarbeitende im Gesundheitswesen dabei, sich und andere besser zu führen.

Sie möchten mehr erfahren? Kontaktieren Sie Sonja Güthoff gerne unter info@sonjaguethoff.de und melden Sie sich zur ärztlichen Online-Fortbildung in Selbstführungs-Kompetenzen für Ärztinnen und Ärzte an unter: https://instgag.onepage.me/aerztliche-fortbildung-gesundeselbstfuehrung

 

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