Ärztinnen und Ärzte in Führung: Rhetorisch leichter führen

9 August, 2023 - 08:17
Prof. Dr. med. Sonja Güthoff, MBA
Ärztinnen und Ärzte in Führung: Prof. Dr. Sonja Güthoff
Prof. Dr. med. Sonja Güthoff, MBA ist Ärztin, Führungskräfte-Trainerin, Professorin für Health Care an der AKAD University sowie Stress- und Burnout-Coach.

Wie können wir wertschätzend, selbstbewusst und gelassen kommunizieren? Lesen Sie in diesem Artikel, welche konkreten Möglichkeiten wir im Klinik-, Ambulanz- und Praxisalltag haben, rhetorische Mittel einzusetzen, um mit einer gelungenen Kommunikation leichter Patientinnen und Patienten sowie Mitarbeitende zu führen.

Kommunikation ist die Basis von Führung. Eine effiziente, wertschätzende und begeisternde Kommunikation besteht jedoch aus mehr als nur den richtig gewählten Worten. Besonders deutlich wird dies, wenn die Worte und die dazugehörige Stimmlage sowie Mimik nicht „stimmig“ sind. Gerade wenn es darum geht, Gefühle zu transportieren, scheinen die Stimmlage (mit einem Koeffizient von 0,38) und die Mimik (mit 0,55) gegenüber dem gesprochenen Wort (mit 0,07) zu überwiegen (Mehrabian, A., & Ferris, S. R. Inference of attitudes from nonverbal communication in two channels. Journal of Consulting Psychology 1967; 31(3): 248–252).

Wie viel die Körpersprache und die Stimmlage jeweils an unserer konkreten Kommunikation ausmacht, ist dabei nicht entscheidend, sondern die Tatsache, dass wir die Möglichkeit haben, über das gesprochene Wort hinaus mit der Rhetorik noch mehr Mittel einzusetzen, um uns im wahrsten Sinne des – nicht nur – Wortes Ausdruck zu verleihen, gehört zu werden und vor allem verstanden zu werden. Die Rhetorik, auch Redekunst genannt, hat ihre Wurzeln in der Antike (ca. 500 v. Chr. bis 100 n. Chr.). Seitdem ist bereits viel in diesem Bereich geforscht und publiziert worden. In diesem Artikel sollen vor allem anwendungsrelevante Tipps und Tricks für den Klinik-, Ambulanz- oder Praxisalltag vorgestellt werden.

Selbstsicherheit beim Reden

Auch Rhetorik kann man durch eine gute Vorbereitung unterstützen. Wenn wir zum Beispiel einen medizinisch-wissenschaftlichen Vortrag für einen Kongress vorbereiten, überlegen wir uns, was wir sagen, in welcher Reihenfolge wir vorgehen und bereiten zuvor schon Antworten auf die Limitationen unserer Arbeit vor, also Argumente, um auf Kritik zu antworten. Um gleichzeitig auch selbstsicher zu wirken, können wir auf weitere Dinge achten und uns optimal vorbereiten.

30.04.2025, Marienhaus Klinikum Hetzelstift
Neustadt an der Weinstraße
25.04.2025, Deutsche Personal- und Praxisvermittlungsagentur DEPVA GmbH
Bochum

Ein wesentlicher Bestandteil, um in einem Gespräch oder Vortrag aufrichtig, ehrlich, offen, selbstbewusst und überzeugt zu wirken, ist die Fähigkeit, über den Blickkontakt die Aufmerksamkeit einzuholen (Dietrich C. Rhetorik – Die Kunst zu überzeugen, Cornelsen 2003). Gerade für introvertierte Menschen ist dies mitunter schwierig, der Person im Gespräch in die Augen zu schauen. Oft wirken daher introvertierte Menschen unsicher. Dabei zeigten Heidi A. Wayment, Jack J. Bauer und Kateryna Sylaska, dass Introvertierte („quiet ego“) sogar ein gesünderes und stabiles Selbstbewusstsein haben (The Quiet Ego Scale: Measuring the Compassionate Self-Identity. J Happiness Stud 2014).

Tipp

Ein kleiner rhetorischer Tipp: Falls es Ihnen als eher introvertierterem Menschen schwerfallen sollte, bei der Kommunikation Blickkontakt zu halten, können Sie

  • im Rahmen eines Vortrages in einer großen Gruppe den Zuhörenden einfach auf die Stirn schauen, so dass sie auf die Entfernung von einem „echten“ Blickkontakt ausgehen, und
  • im direkten Gespräch mit Patientinnen und Patienten, sowie auch mit Mitarbeitenden auf die Augenbrauen fixieren; das kommt dem Blickkontakt bereits sehr nahe.

Haltung einnehmen

Außerdem können Sie Ihre Rhetorik schärfen, indem Sie vor wichtiger Kommunikation das sogenannte „Power Posing“ praktizieren. In der von Amy J. C. Cuddy et al. zuerst 2012 veröffentlichten Studie haben sich 61 Studierende der Harvard Business School randomisiert entweder mit einer „High-Power Pose“ mit breiten, standfesten Beinen, erhobenen Kopf und raumeinnehmenden Armen, oder mit einer „Low-Power Pose“ mit verschränkten Armen und Beinen und gesenktem Kopf auf ein nachgestelltes Bewerbungsgespräch vorbereitet. Diejenigen, die sich in der „High-Power Pose“ vorbereiteten, wurden aufgrund der besseren Performance signifikant häufiger für den anvisierten Job ausgewählt als diejenigen der „Low-Power Pose“-Gruppe. Zudem haben sie auch ihre eigene Performance selbstbewusst deutlich besser beurteilt (Preparatory power posing affects nonverbal presence and job interview performance. Appl Psychol. 2015; 100(4): 1286-1295, vergleiche auch Ärztinnen und Ärzte in Führung: Über Wirkung leichter führen).

Neben der äußeren Haltung haben wir auch die Möglichkeit, unsere innere Haltung auf die Kommunikations-Situation abzustimmen. Wie gehen Sie in ein wichtiges Gespräch in der Klinik, der Ambulanz oder Praxis? Verspüren Sie vielleicht unbewusst Widerwillen oder Unsicherheit, Feedbackgespräche mit Mitarbeitenden zu führen? Haben Sie Zweifel an Ihrer Therapieentscheidung, wenn Sie ins Patientengespräch gehen? Versuchen Sie die Diskrepanz der inneren Haltung zu den Worten, die Sie aussprechen, zu minimieren. Dadurch können Sie leichter Mitarbeitenden- oder Patientengespräche führen.

Die Stimme bestimmt die Stimmung

Über unsere Stimme haben wir viele Möglichkeiten, unsere Rhetorik zu verbessern. Damit ist nicht nur gemeint, welche Klangfarbe uns von Natur aus mitgegeben wurde. Sie können Ihrer Stimme auch über die Tonhöhe und die Sprechmelodie ganz unterschiedlichen Ausdruck verleihen.

Toolbox Führung

Probieren Sie es aus, Ihre Stimme bewusst für Führungssituationen im Klinik-, Ambulanz- und Praxisalltag einzusetzen und sprechen Sie:

  • leise, wenn Sie mehr Aufmerksamkeit haben möchten. Versuchen Sie es z.B., wenn Sie in Ihrem Team eine Übergabe machen möchten, es jedoch eine Grundunruhe gibt. Wir neigen tendenziell dazu, in einer solchen Situation lauter zu sprechen, was dann wiederum leider als aggressiv oder zumindest unfreundlich gedeutet werden kann.
  • langsam, wenn Sie Sicherheit ausstrahlen und sicher gehen möchten, dass die Personen, mit denen Sie reden, auch verstanden haben, was Sie z.B. im Rahmen der Visite anordnen. Viele Rednerinnen und Redner, die aufgeregt sind, reden aus Unsicherheit relativ schnell. Das kann jedoch auch zur Unverständlichkeit führen.
  • akzentuiert, indem Sie wichtige Punkte deutlicher aussprechen, also mit Akzenten einzelne Worte oder Wortketten hervorheben. Dadurch fallen diese Worte oder Wortketten besonders auf und bleiben leichter im Gedächtnis.
  • mit rhetorischer Pause, bevor Sie etwas Wichtiges sagen. Schauen Sie dazu noch bedeutungsvoll. Vielleicht haben Sie auch eine Brille, die Sie bewusst in dieser Pause absetzen und in der Hand halten.
  • melodiös, wenn Sie weich und freundlich wirken möchten.
  • abgehackt und mit kurzen Sätzen, wenn Sie eher einen Befehlston vermitteln möchten. Es könnte zwar sein, dass Ihre Mitarbeitenden deutlich schneller Ihren Anweisungen folgen, gleichzeitig könnte jedoch ein Unmut aufsteigen, da dieser Militärton oft als nicht wertschätzend wahrgenommen wird.

Welche Möglichkeiten haben Sie noch, mit Ihrer Stimme zu experimentieren? Achten Sie dabei allerdings darauf, dass Sie authentisch klingen. Auch hier ist natürlich immer der Kontext wichtig. In einer Reanimations-Situation wird sich kleiner über kurze Sätze beschweren, jedoch wird ein melodiöser Ton vielleicht als unangemessen oder die Situation unterschätzend beurteilt werden.

Ein kleiner Tipp zum Einsatz der Stimme: Am Ende eines Satzes gehen wir in der Regel mit der Tonlage nach unten. Das ist dann auch für unseren Gesprächspartner bzw. unsere Gesprächspartnerin das Zeichen, dass sie etwas sagen kann. Falls Sie nicht unterbrochen werden möchten, halten Sie die Tonlage einfach hoch.

Emotionen händeln

Kennen Sie den Moment, wenn uns in einer emotionalen Reaktion, sei es Wut oder Scham, plötzlich die Stimme wegbricht? Emotionen machen sich im Stimmklang bemerkbar. Ihre (An-)Spannung wirkt sich auch auf die Muskulatur und Stimmbänder aus, so dass die Stimme verändert wird. Interessanterweise wird eine für die redende Person entspannte Tonlage (die Indifferenzlage) von den Zuhörenden als sympathisch und angenehm eingeordnet. Zugrundeliegend scheint das Phänomen der internen Simulation zu sein, bei der sich eine entsprechende Spannung auch auf die Zuhörenden überträgt (Dietrich C. Rhetorik – Die Kunst zu überzeugen, Cornelsen 2003). Weitergehende Tipps zum Thema im Artikel "Ärztinnen und Ärzte in Führung: Mit Gelassenheit (sich) führen"

Merke

Ihre (An-)Spannung wirkt sich auf Ihren Stimmklang aus, die auch die Zuhörenden spüren. Nutzen Sie daher eine einfache Methode aus dem Gesang, um Ihren Kehlkopf und die Stimmbänder zu lockern: Gähnen Sie möglichst herzhaft.

Wenn die Emotionen richtig aufsteigen, neigen wir häufig dazu, vorschnell zu sprechen. Vor allem in der Wut agieren wir alles andere als rhetorisch geschickt. In solchen Situationen kann es bedauerlicherweise dazu kommen, dass Mitarbeitende den Respekt vor der Führungskraft verlieren. Daher ist es von rhetorischer Seite her besser, sich erstmal zurückzunehmen. Nutzen Sie eine gut platzierte Pause und vielleicht auch einen zuvor für solche Situationen gewählten Satz wie „Das möchte ich in Ruhe entscheiden und gebe Dir/Ihnen morgen/später Bescheid“. Durch diese Entschärfung der Situation können wir die nötige Gelassenheit zurückerlangen, um darüber nachzudenken, was uns genau getroffen hat – denn „Was uns trifft, betrifft uns.“.

Andere Menschen emotional berühren

Sei es als Unterstützung der Therapie, damit Ihre Patientinnen und Patienten Ihnen vertrauen, sei es zur Überzeugung, das gesundheitsschädigende Verhalten aufzugeben, oder zur Motivation des Klinik-, Ambulanz- oder Praxis-Teams – es ist eine große und lohnenswerte Aufgabe als Ärztin oder Arzt in Führung, andere Menschen positiv emotional zu erreichen. Das schaffen Sie, wenn Sie authentisch und wertschätzend auf Augenhöhe kommunizieren. Nutzen Sie die Gelegenheit, sich auch mit anderen Kolleginnen und Kollegen darüber auszutauschen, wie Sie auf andere wirken. Holen Sie sich konkretes Feedback ein und seien Sie offen für Kritik. Denn auch wenn wir einiges ganz anders meinen, so ist eine gelungene Kommunikation nur die, die auch transportiert, was ich sagen möchte. Jedoch geht dieses auch immer darüber, wie sich die Gesprächspartnerinnen und -partner fühlen.   

Die afroamerikanische Bürgerrechtlerin Maya Angelou (1928-2014) habe mal so treffend gesagt:

„Die Menschen werden vergessen, was Du gesagt hast.
Die Menschen werden vergessen, was Du getan hast.
Aber die Menschen werden nie vergessen, was sie bei Dir gefühlt haben.“

Nutzen Sie alle Ihre Möglichkeiten als Ärztin oder Arzt in Führung, andere Menschen positiv zu erreichen und kommunizieren Sie mit Freude.

Die Autorin:

Prof. Dr. med. Sonja Güthoff, MBA ist Ärztin, Expertin für Medical Leadership und Resilienz im Gesundheitswesen, Professorin für Health Care an der AKAD Hochschule Stuttgart sowie Stress- und Burnout-Coach. Auf ärztestellen.de gibt sie regelmäßig Tipps zu Führungs-Themen und begleitet Ärztinnen und Ärzte, aber auch andere Führungskräfte aus dem Gesundheitswesen dabei, sich und andere besser zu führen.

Sie möchten mehr erfahren? Kontaktieren Sie die Autorin gerne zu den Themen Medical Leadership und Resilienz im Gesundheitswesen unter info@sonjaguethoff.com und nutzen Sie die Fortbildungsmöglichkeiten für Ärztinnen und Ärzte unter www.instgag.com.

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