Ärztinnen und Ärzte in Führung: Wie wir unser Netzwerk ausbauen und besser nutzen können

3 Dezember, 2024 - 17:13
Prof. Dr. med. Sonja Güthoff, MBA
Ärztinnen und Ärzte in Führung: Prof. Dr. Sonja Güthoff
Prof. Dr. med. Sonja Güthoff, MBA ist Ärztin, Führungskräfte-Trainerin, Professorin für Health Care an der AKAD University sowie Stress- und Burnout-Coach.

Netzwerke unterstützen unser persönliches und berufliches Vorankommen. Lesen Sie in diesem Artikel, wie Sie bewusst Ihr eigenes Netzwerk und das Ihres Teams ausbauen und besser nutzen können. Und erkennen Sie in einem guten Netzwerk auch einen Resilienzfaktor, der Ihnen in herausfordernden Situationen Sicherheit geben kann.

Der ärztliche und pflegerische Beruf basiert auf dem Arbeiten im Team. Das gegenseitige Unterstützen ist gerade in herausfordernden Situationen wichtig. Gezielte Zusammenarbeit in Form von Netzwerken kann es uns zudem erleichtern, uns persönlich und beruflich weiterzuentwickeln. Im Bereich der Wirtschaft gibt es verschiedene Studien, die zeigen, dass Netzwerken für die Karriere förderlich ist.

Tägliches Netzwerken zeigt bereits kurzfristig positive Effekte auf die Karriere mit Jobzufriedenheit und emotionalem Wohlbefinden (Volmer J, Wolff HG. A Daily Diary Study on the Consequences of Networking on Employees' Career-Related Outcomes: The Mediating Role of Positive Affect. Front Psychol 2018; 9:2179). Und langfristig korreliert Netzwerken sowohl mit Gehaltsentwicklung als auch mit aktueller Karrierezufriedenheit (Wolff H. G., Moser K. Effects of networking on career success: a longitudinal study. J Appl Psychol 2009; 94(1):196-206). Oft sind wir uns in der Medizin und Pflege gar nicht darüber bewusst, wie wertvoll auch für uns ein gutes Netzwerk ist, wie wir dieses ausbauen und pflegen können.

Merke:

Netzwerken kann man lernen

Setzen Sie sich einfach ein paar Ziele z. B.:

  • auf einem anstehenden Kongress zwei gute Kontakte aufzubauen,
  • pro Woche einen Kontakt herzustellen und zwei bestehende zu pflegen,
  • mit Kolleginnen und Kollegen (anderer Abteilungen) essen zu gehen,
  • auf sozialen Netzwerken wie LinkedIn mindestens einmal in der Woche mit jeweils einem Kommentar drei Beiträge im beruflichen Netzwerk zu unterstützen,
  • bewusst erfahrenere Kolleginnen und Kollegen aufzusuchen und sie nach einem Tipp für das eigene Vorankommen zu bitten etc.

Unterschiede beim Netzwerken von Männern und Frauen

Die Übersichtsarbeit von Woehler M. L. et al. zeigt, dass Frauen beim Aufbau und der Nutzung von Netzwerken für beruflichen Erfolg auf Barrieren stoßen (Whether, How, and Why Networks Influence Men’s and Women’s Career Success: Review and Research Agenda. Journal of Management 2020; 47(1):207-236). Zwar weisen Netzwerke von Männern und Frauen ähnliche Strukturen auf, ihre Netzwerke unterscheiden sich jedoch in der Zusammensetzung, was teilweise die berufliche Ungleichheit erklären könnte. Männer profitieren stärker von Netzwerkmerkmalen wie der Offenheit und dem Status ihrer Kontakte, während Frauen tendenziell mehr Verwandte in ihren Netzwerken haben, deren Einfluss auf den beruflichen Erfolg noch wenig untersucht ist (Woehler M. L. et al. Journal of Management 2020, siehe oben).

Netzwerke mit Menschen von höherem Status bieten einen verbesserten Zugang zu Ressourcen, die der Arbeit oder der Karriere förderlich sind. Jedoch besteht die Tendenz, Ressourcen mit ähnlichen Personen auszutauschen (Woehler M. L. et al. Journal of Management 2020, siehe oben). In der Medizin werden jedoch gerade die Positionen mit höherem Status immer noch eher von Ärzten bekleidet als von Ärztinnen. An den 38 deutschen Universitätskliniken fanden sich im Jahre 2022 nur 13 Prozent Klinikdirektorinnen, 37 Prozent Oberärztinnen und 18 Prozent Dekaninnen (Deutscher Ärztinnenbund. Women on Top. Dokumentation des Anteils von Frauen in Führungspositionen in klinischen Fächern der deutschen Universitätsmedizin. Update 2022).

Auch im wissenschaftlichen Bereich ist es förderlich, wenn Frauen in ihrem Netzwerk andere Frauen fördern. Zum Beispiel hatten High-Impact Factor Artikel mit einer weiblichen Letztautorin 13 Prozent häufiger eine weibliche Erstautorin als bei männlichen Letztautoren (Hart K. L. & Perlis R. H. Trends in Proportion of Women as Authors of Medical Journal Articles, 2008-2018. JAMA Intern Med 2019; 179(9):1285-1287). Auch bei der Analyse von 98 wissenschaftlichen Kongressen mit insgesamt 9.536 Sessions konnte eine deutliche Korrelation gefunden werden: Je mehr Frauen im Planungs-Komitee eines wissenschaftlichen Kongresses sitzen, desto mehr Frauen sind als Rednerinnen auf dem Kongress zu finden (Arora A. et al. Proportion of Female Speakers at Academic Medical Conferences Across Multiple Specialties and Regions. JAMA Netw Open 2020; 3(9):e2018127).

Bewusstes Netzwerken

Der erste Schritt ist, sich über die eigenen Netzwerke bewusst zu werden. Wie ist der Zusammenhalt in Ihrer Klinik, Praxis oder Ambulanz? Wenn Sie Ihr Netzwerk ausbauen möchten, können Sie sich folgende Fragen stellen:

  • Welches Ziel habe ich? Möchten Sie z. B. beruflich vorankommen, neue OP-Methoden lernen, eine neue Stelle anvisieren wie z. B. eine oberärztliche Position oder Chefärztin oder Chefarzt werden, oder anderes?
  • Wer sind die richtigen Menschen, um dieses Ziel zu erreichen? Bestehen z. B. gemeinsame Interessen, berufspolitische Motive, handelt es sich um Personen, die eine Personalentscheidung treffen können o. ä.? Und wie komme ich an entsprechende Personen heran (wer kennt jemanden, der jemanden kennt…)?
  • Gibt es bereits bestehende Netzwerke, denen ich beitreten kann? Welche Fachgesellschaften sind für mein Ziel förderlich? Welche Arbeitsgemeinschaften in Fachgesellschaften würden mich meinem Ziel näher bringen? Möchte ich mich berufspolitisch engagieren (z. B. Marburger Bund oder Hartmannbund)? Gibt es ein spezielles Netzwerk, das mich unterstützen kann wie z. B. Die Chirurginnen e. V.?

Toolbox Führung

Tipps für das Gelingen eines guten Netzwerkens

  • Erst geben, dann nehmen: Investieren Sie zuerst selbst in das Netzwerk, indem Sie Unterstützung anbieten sowie Informationen und Wissen teilen. Diese Gefälligkeiten sollten jedoch auch ehrlich gemeint sein und von Herzen kommen. Berechnende Aktionen fallen in der Regel als solche auf und könnten dann negativ bewertet werden.
     
  • Kontaktaufnahme: Für die erste Kommunikation z. B. auf Kongressen, jedoch auch in sozialen Netzwerken wie LinkedIn empfiehlt es sich, eine Einstiegsfrage vorzuformulieren. Gibt es einen gemeinsamen Kontakt, oder hat jemand empfohlen, dass Sie die Person kennenlernen sollten? Bei Vortragenden auf Kongressen kann auch eine vortragsbezogene Frage ein guter Einstieg sein, denn schließlich reden diese gerne über das zuvor präsentierte Thema. Es sollte sich jedoch immer um ehrlich gemeinte Anerkennung handeln. Achten Sie auch auf das richtige Timing, wenn zwei Personen auf einem Kongress gerade im Gespräch sind. Stellen Sie sich dann mit etwas Abstand hinzu und signalisieren Sie Interesse, ohne direkt zu unterbrechen.
     
  • Kommunikation: Achten Sie beim persönlichen Gespräch auf Augenkontakt und hören Sie aufmerksam zu. Menschen erinnern nicht, was wir sagen, sondern wie sie sich dabei gefühlt haben (vergleichen Sie auch Ärztinnen und Ärzte in Führung: Rhetorisch leichter führen). Stellen Sie vor allem Fragen, das zeugt von Interesse und kann Ihnen auch wichtige Hinweise für Ihr Vorankommen geben.
     
  • Netzwerkpflege: Bedenken Sie auch, dass jedes Netzwerk und gute Kontakte auch eine gewisse Pflege benötigen. Wenn Sie eine für Sie wichtige Person kennengelernt haben, terminieren Sie für sich direkt im Kalender eine „Auffrischung“ des Kontaktes. Das kann z. B. vor einem nächsten Kongress sein, indem man fragt, ob die Person dort sein wird, oder man schreibt eine Nachricht mit speziellen Informationen, die an das vorherige Gespräch anschließen. Sie könnten sich auch zehn Minuten am Tag oder zweimal in der Woche für 15 Minuten bewusst Zeit für das kurze Kontaktieren von wichtigen Personen nehmen.
     
  • Verknüpfen von Personen: Seien Sie großzügig mit der Weitergabe Ihrer guten Kontakte. Indem Sie Personen aus Ihrem Netzwerk auch sinnhaft miteinander verknüpfen, steigern Sie Ihren eigenen Status im Netzwerk. Außerdem erhöhen Sie die Wahrscheinlichkeit, dass auch Sie entsprechend weiterempfohlen werden. Führen Sie auch jüngere Kolleginnen und Kollegen mit in Ihr Netzwerk ein. Das unterstützt die Jüngeren und ermöglicht Ihnen selbst eine gute Positionierung. Manchmal ist man auch überrascht, wie Jüngere in ihrer unbedarften Art selbst wertvolle Kontakte zu Ihrem Netzwerk hinzufügen können (siehe auch Ärztinnen und Ärzte in Führung: Medizinischen Nachwuchs beim Berufseinstieg unterstützen). Auch andere Personen aus Ihrem Team wie Physician Assistents oder engagierte Praxismanager können Ihr Netzwerk bereichern und für Sie neue Netzwerkausrichtungen eröffnen.

Netzwerkkompetenz als Resilienzfaktor

Gerade in schwierigen Situationen zeigt sich ein gutes berufliches und privates Netzwerk als hilfreicher Resilienzfaktor (Daly L. M. Resilience: An Integrated Review. Nurs Sci Q 2020; 33(4):330-338). Im validierten "Resilience Scale for Adults (RSA)" werden bestehende Netzwerke über den familiären Zusammenhalt, die soziale Kompetenz und die sozialen Ressourcen abgefragt (Kaiser N. et al. Validierung einer deutschen Version der Resilience Scale for Adults (RSA). Diagnostica 2019; 65(4):205-215).

Tipp:

Welches private Netzwerk haben Sie für schwierige Situationen? Wie sieht Ihr familiärer Zusammenhalt aus?

Machen Sie es sich doch mal bewusst, welche Freunde und Familienmitglieder sowie Kolleginnen und Kollegen in herausfordernden Situationen für Sie hilfreich sein können und womit konkret. Vielleicht möchten Sie in Form eines Mindmappings die Namen mit den dazugehörigen Unterstützungsmöglichkeiten aufschlüsseln. Sollte eine Situation eintreten, in der Sie Unterstützung benötigen, fällt es Ihnen leichter, auf dieses private Netzwerk zurückzugreifen. Das Wissen um diese Möglichkeiten könnte für Sie ein wichtiger Resilienzfaktor darstellen. Und Resilienz selbst kann zu Ihrem eigenen Erfolg beitragen (siehe auch Ärztinnen und Ärzte in Führung: Erfolgsfaktor Resilienz).

Die Autorin:

Prof. Dr. med. Sonja Güthoff, MBA ist Ärztin, Führungskräfte-Trainerin, Professorin für Gesundheitsmanagement, Medical Leadership und Digital Health an der AKAD Hochschule Stuttgart sowie Stress- und Burnout-Coach. Auf ärztestellen.de gibt sie regelmäßig Tipps zu Führungs-Themen. Als Leiterin des Instituts für ein gesundes Arbeitsleben im Gesundheitswesen (INSTGAG) begleitet sie Ärztinnen und Ärzte, Pflegefachkräfte und andere Zusammenarbeitende im Gesundheitswesen dabei, sich und andere besser zu führen. Kontaktieren Sie Sonja Güthoff gerne unter info@sonjaguethoff.de.

Sie möchten mehr zur Möglichkeit erfahren, einen MBA im Bereich Medical Leadership zu absolvieren? An der AKAD Hochschule Stuttgart können Sie flexibel im Fernstudium den akkreditierten und staatlich anerkannten MBA Medical Leadership nur für Ärztinnen und Ärzte studieren.

Mehr Informationen gibt es auf www.akad.de. Bei Angabe des Rabatt-Codes AKADAERZTESTELLEN erhalten Sie zudem einen Rabatt von 20 Prozent auf die Studiengebühren.

Das könnte Sie auch interessieren: