
Wie gut sind Sie und Ihr Team auf die Zukunft der Medizin und Pflege vorbereitet? Lesen Sie in diesem Artikel, welche sogenannten „Future Skills“ Sie hierfür in der Klinik, Praxis oder Ambulanz ausbauen können, um eine gute Voraussetzung für Ihr Arbeitsleben und die damit verbundene fortschreitende Digitalisierung zu schaffen, Technologien effizient zu nutzen und den Wandel optimal begleiten zu können.
Die heutige Medizin ist geprägt von raschem technologischem Fortschritt, wachsender Komplexität und steigenden Anforderungen an die Gesundheitsversorgung. Da ist es für Ärztinnen und Ärzte wichtiger denn je, ihre Führungskompetenzen auf die Zukunft auszurichten. Eine zukunftsorientierte ärztliche Führung umfasst nicht nur das medizinische Fachwissen und die organisatorische Kompetenz, sondern erfordert eine breite Palette an „Future Skills“. Diese Kompetenzen ermöglichen es, auf dynamische Veränderungen zu reagieren, Teams effizient zu führen und die Gesundheitsversorgung aktiv mitzugestalten.
Merke:
In ihrem Future-Skills-Framework identifiziert der Stifterverband für die Deutsche Wissenschaft e.V. in Zusammenarbeit mit McKinsey & Company insgesamt 21 „Future Skills“ in den vier Kategorien:
- Klassische Kompetenzen,
- Digitale Schlüsselkompetenzen,
- Technologische Kompetenzen und
- Transformative Kompetenzen.
Siehe Stifterverband & McKinsey. Future Skills 2021. 21 Kompetenzen für eine Welt im Wandel. Diskussionspapier Nr. 3
Das hier vorgestellte Konzept des Stifterverband für die Deutsche Wissenschaft e.V. in Zusammenarbeit mit McKinsey & Company (Future Skills 2021. 21 Kompetenzen für eine Welt im Wandel. Diskussionspapier Nr. 3) stellt eine Weiterentwicklung des 2018 veröffentlichten Vorgänger-Konzepts dar, wobei als „Future Skills“ branchenübergreifende Fähigkeiten, Fertigkeiten und Eigenschaften definiert werden, die in den jeweils kommenden fünf Jahren wichtiger werden.
Basis für diese Erhebung stellt eine 2021 online durchgeführte Befragung mit Antworten aus 377 Unternehmen und 123 Behörden des öffentlichen Sektors dar, wobei die Skills-Frameworks nationaler und internationaler Organisationen wie die Vereinten Nationen (UN) oder „Organisation for Economic Co-operation and Development“ (OECD) mit berücksichtigt wurden (Stifterverband & McKinsey, 2021 siehe oben).
Im Folgenden werden diese „Future Skills“ des Stifterverbandes & McKinsey 2021 aufgeführt, wobei die Relevanz für die ärztliche Führung von Mitarbeitenden, sowie für die persönliche Weiterentwicklung von Ärztinnen und Ärzten kurz erläutert wird. Es sollen auch erste Impulse gegeben werden, wie Sie diese Kompetenzen bei sich selbst und in Ihrem Team gezielt ausbauen können (siehe Toolbox Führung).
Klassische Kompetenzen behalten Bestand
Neben digitalen und technologischen Fertigkeiten bleiben auch klassische Kompetenzen ein zentraler Bestandteil der „Future Skills“.
- Lösungsfähigkeit: Die Fähigkeit, neue, oft komplexe Probleme zu lösen, ist eine Schlüsselkompetenz im medizinischen Bereich.
- Kreativität: Innovation und neue Ansätze sind in der Medizin und Pflege wichtig, um den sich wandelnden Herausforderungen gerecht zu werden.
- Unternehmerisches Handeln & Eigeninitiative: Eigenverantwortung und sogenanntes „Ownership“ tragen entscheidend zur Qualität der medizinischen Versorgung bei.
- Interkulturelle Kommunikation: Eine kompetente interkulturelle Kommunikation ermöglicht eine effektive Verständigung und erhöht das Vertrauen im multikulturellen Team, sowie bei Patientinnen und Patienten unterschiedlichster Herkunft.
- Resilienz: In der Klinik, Praxis oder Ambulanz werden wir oft mit physisch und mental belastenden Situationen konfrontiert. Die Resilienzfähigkeit ist daher ein wichtiger Faktor, um in der Medizin und Pflege langfristig gesund und motiviert zu bleiben (siehe auch Ärztinnen und Ärzte in Führung: Erfolgsfaktor Resilienz).
Grundlagen für eine digitale Arbeitsumgebung schaffen
Digitale Schlüsselkompetenzen sind essenziell, um auch in einem zunehmend digitalisierten Gesundheitswesen effektiv zu agieren (siehe auch Ärztinnen und Ärzte in Führung: Digitalisierung in der Medizin und Pflege besser begleiten). Diese Fertigkeiten bilden die Basis für den Umgang mit digitalen Werkzeugen und die sichere Nutzung digitaler Systeme.
- Digital Literacy („Alphabetisierung“ / Lesekompetenz): Die Grundkompetenzen im Umgang mit digitalen Tools und der sicheren Handhabung von Daten sind unverzichtbar.
- Digital Ethics: Ärztinnen und Ärzte stehen oft vor ethischen Fragen in der digitalen Welt. Es ist wichtig, digitale Informationen kritisch zu hinterfragen und ethisch fundierte Entscheidungen zu treffen.
- Digitale Kollaboration: Die Fähigkeit zur digitalen Kollaboration ermöglicht effizientes Arbeiten über räumliche Distanzen hinweg.
- Digital Learning: Die Nutzung digitaler Quellen zur Wissensbildung und Weiterbildung gehört heute zum Standard.
- Agiles Arbeiten: Agile Arbeitsmethoden fördern die flexible Anpassung und nutzerzentrierte Zusammenarbeit in dynamischen Teams.
Effiziente Nutzung und Gestaltung von Technologien
Der technologische Fortschritt verändert die Medizin tiefgreifend – von der Datenanalyse bis hin zur Robotik. Technologische Kompetenzen befähigen Ärztinnen und Ärzte, diese Technologien nicht nur zu verstehen, sondern auch aktiv zu gestalten und innovativ einzusetzen.
- Data Analytics & KI: Datenbasierte Entscheidungen unterstützt durch Künstliche Intelligenz (KI) werden zunehmend zum Alltag in der Medizin. Die Analyse großer Datenmengen hilft dabei, Diagnosen zu präzisieren und Behandlungspfade zu optimieren.
- Softwareentwicklung: Die Fähigkeit, digitale Tools und Applikationen zu verstehen oder sogar zu entwickeln, bietet die Chance, Prozesse in Klinik, Praxis oder Ambulanz zu optimieren.
- Nutzerzentriertes Design: Für patientenzentrierte Anwendungen ist ein tiefes Verständnis für nutzerfreundliches Design zentral. Ärztinnen und Ärzte sollten lernen, wie ihre Arbeit durch benutzerfreundliche, intuitive digitale Anwendungen unterstützt werden kann.
- IT-Architektur: Ein Verständnis für die IT-Architektur, inklusive Cloudlösungen und Blockchain, hilft dabei, eine stabile und sichere IT-Umgebung zu schaffen, die die täglichen Anforderungen einer modernen medizinischen Einrichtung erfüllt.
- Hardware / Robotikentwicklung: Robotische Systeme und das Internet der Dinge (IoT) bieten neue Möglichkeiten in der Diagnostik und Therapie.
- Quantencomputing: Auch wenn Quantencomputing aktuell noch am Anfang steht, verspricht es, die medizinische Forschung und die Datenanalyse grundlegend zu revolutionieren.
Den Wandel aktiv gestalten
Transformative Kompetenzen befähigen Ärztinnen und Ärzte, auf soziale und ökologische Herausforderungen in der Gesellschaft und im Gesundheitswesen aktiv zu reagieren.
- Urteilsfähigkeit: Die Reflexion gesellschaftlicher Herausforderungen und deren Auswirkungen auf die Medizin und Pflege ist essenziell, um fundierte Entscheidungen zu treffen.
- Innovationskompetenz: Innovationskompetenz hilft dabei, neue Ideen und Prozesse zu entwickeln und die Gesundheitsversorgung zu verbessern.
- Missionsorientierung: Eine klare Mission und Vision in der Arbeit zu entwickeln, gibt dem täglichen Tun einen Sinn und fördert die Motivation.
- Veränderungskompetenz: Die Fähigkeit, Wandel in der Klinik, Praxis oder Ambulanz aktiv mitzugestalten, ist eine wesentliche Voraussetzung für zukunftsfähige Führung.
- Dialog- und Konfliktfähigkeit: In Zeiten des Wandels ist es wichtig, Spannungen auszugleichen und Konflikte konstruktiv zu lösen.
Tipp:
Gehen Sie zusammen mit Ihrem Team diese 21 sogenannten „Future Skills“ durch. Welche sind bei Ihnen im Team bereits gut entwickelt? Wo sehen Sie den Bedarf und die Möglichkeit, diese weiter auszubauen? Entscheiden Sie gemeinsam über Prioritäten bzw. auch die Verteilung der Verantwortlichkeiten für die einzelnen Kompetenzentwicklungen z. B. nach Interesse und Neigung. Nutzen Sie auch die Möglichkeit, dass Mitarbeitende, die spezielle Schulungen zu den einzelnen Themen besucht haben, anschließend ihr Wissen an die anderen Team-Mitglieder weitergeben.
Die hier vorgestellten „Future Skills“ (vergleiche Stifterverband & McKinsey, 2021 siehe oben) bilden das Fundament für eine zukunftsfähige ärztliche Führung. Der Aufbau dieser Kompetenzen erfordert gezielte Förderung und kontinuierliche Weiterentwicklung. Als Führungskräfte im Gesundheitswesen sind Ärztinnen und Ärzte dazu aufgerufen, nicht nur die medizinischen Kompetenzen, sondern auch die technologische, digitale, klassische und transformative Expertise ihrer Teams zu stärken (siehe Toolbox Führung). So kann die Gesundheitsversorgung langfristig innovativ, sicher und patientenzentriert gestaltet werden.
Toolbox Führung:
Klassische Kompetenzen
- Lösungsfähigkeit – Entwicklung durch Reflexion: Fördern Sie kritisches Denken und eine strukturierte Herangehensweise durch regelmäßige Fallbesprechungen und Supervisionen.
- Kreativität – Förderung durch Austausch: Bieten Sie kreative Workshops an und fördern Sie den interdisziplinären Austausch, um neue Perspektiven und Ideen zu entwickeln.
- Unternehmerisches Handeln & Eigeninitiative – Förderung durch Verantwortung: Übertragen Sie Mitarbeitenden Eigenverantwortung für Projekte und betonen Sie die Wichtigkeit einer unternehmerischen Denkweise.
- Interkulturelle Kommunikation – Entwicklung im Team: Fördern Sie kulturelles Verständnis und bieten Sie Fremdsprachentrainings an, um die Kommunikation mit internationalen Patientengruppen zu verbessern.
- Resilienz – Förderung durch Prävention: Thematisieren Sie die Herausforderungen, konstruktiv mit Stress umzugehen und etablieren Sie Peer-Group Resilienz Beauftragte in Ihrem Team (siehe auch Ärztinnen und Ärzte in Führung: Team-Resilienz fördern).
Digitale Schlüsselkompetenzen
- Digital Literacy („Alphabetisierung“ / Lesekompetenz) – Förderung im Alltag: Schulungen zu digitalem Datenschutz und Sicherheitsaspekten schaffen Bewusstsein und Sicherheit im Umgang mit Patientendaten.
- Digital Ethics – Entwicklung im Team: Regelmäßige Diskussionen über ethische Fragen digitaler Technologien können ein starkes Wertefundament für Ihre Arbeit schaffen.
- Digitale Kollaboration – Förderung durch Übung: Etablieren Sie klare Richtlinien und Schulungen für digitale Kommunikation und Plattformen, um Missverständnisse zu vermeiden und die Effizienz zu steigern.
- Digital Learning – Förderung durch Plattformen: Nutzen Sie moderne Lernplattformen und Tools, um Ihrem Team kontinuierliche Weiterbildung zu ermöglichen.
- Agiles Arbeiten – Praktische Anwendung: Führen Sie agile Methoden ein, um die Selbstverantwortung und den Teamgeist zu stärken (siehe auch Ärztinnen und Ärzte in Führung: Leichter ein agiles Mindset fördern).
Technologische Kompetenzen
- Data Analytics & KI – Entwicklung im Team: Bieten Sie Schulungen an, die ein Verständnis für die Grundprinzipien der Datenanalyse und KI vermitteln. Eine Zusammenarbeit mit IT- und Data-Science-Teams kann zusätzlich wertvolles Praxiswissen bringen.
- Softwareentwicklung – Förderung im Alltag: Unterstützen Sie interessierte Mitarbeitende bei der Teilnahme an Programmier- oder IT-Kursen. Fördern Sie zudem das Engagement in Projekten zur Software-Optimierung, um die klinische Effizienz zu steigern.
- Nutzerzentriertes Design – Praxisbezug schaffen: Erarbeiten Sie mit Ihrem Team, wie existierende Systeme verbessert werden können, um die Patientenbedürfnisse besser abzubilden. Ein Feedback-Loop mit Patienten kann wertvolle Erkenntnisse für zukünftige Anpassungen liefern.
- IT-Architektur – Förderung durch interdisziplinäre Zusammenarbeit: Ermutigen Sie ärztliche und pflegerische Mitarbeitende, mit IT-Fachleuten zusammenzuarbeiten, um Grundkenntnisse der IT-Sicherheit und Infrastruktur zu erlernen.
- Hardware / Robotikentwicklung – Erste Schritte: Organisieren Sie Demonstrationen oder Schulungen zu diesen Technologien und integrieren Sie deren Einsatz in den Klinik-, Praxis- oder Ambulanzalltag.
- Quantencomputing – Förderung in der Fortbildung: Bieten Sie Vorträge an, die das Potenzial und die Grundlagen des Quantencomputings im medizinischen Kontext erläutern.
Transformative Kompetenzen
- Urteilsfähigkeit – Förderung durch Diskussionsforen: Veranstalten Sie Foren, um über gesellschaftliche und ethische Fragestellungen zu reflektieren und fundierte Meinungen zu entwickeln.
- Innovationskompetenz – Förderung durch Innovationsräume: Richten Sie Innovationsräume ein und fördern Sie Kooperationen mit Hochschulen und innovativen Unternehmen, damit Ihr Team unkonventionelle Ansätze ausprobieren, testen und weiterentwickeln kann.
- Missionsorientierung – Förderung durch Zielsetzung: Unterstützen Sie Mitarbeitende dabei, persönliche und gemeinsame Ziele zu setzen und diese als Orientierungspunkte in der täglichen Arbeit zu nutzen.
- Veränderungskompetenz – Förderung durch Change-Management-Trainings: Fördern Sie ein Verständnis für Veränderungsprozesse und deren Management, um Übergänge erfolgreich zu gestalten (siehe auch Ärztinnen und Ärzte in Führung: Veränderungen leichter meistern).
- Dialog- und Konfliktfähigkeit – Förderung durch Mediationstrainings: Schaffen Sie ein Umfeld, in dem offene Diskussionen gefördert und Spannungen zeitnah gelöst werden können.
Auf der Basis von Stifterverband & McKinsey. Future Skills 2021. 21 Kompetenzen für eine Welt im Wandel. Diskussionspapier Nr. 3
Die Autorin:
Prof. Dr. med. Sonja Güthoff, MBA ist Ärztin, Führungskräfte-Trainerin, Professorin für Gesundheitsmanagement, Medical Leadership und Digital Health an der AKAD Hochschule Stuttgart sowie Stress- und Burnout-Coach. Auf ärztestellen.de gibt sie regelmäßig Tipps zu Führungs-Themen. Als Leiterin des Instituts für ein gesundes Arbeitsleben im Gesundheitswesen (INSTGAG) begleitet sie Ärztinnen und Ärzte, Pflegefachkräfte und andere Zusammenarbeitende im Gesundheitswesen dabei, sich und andere besser zu führen. Kontaktieren Sie Sonja Güthoff gerne unter info@sonjaguethoff.de.
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